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Einigkeit herrschte. Burke erzählte oft von sich, daß er niemals so ganz niederdisputirt worden sey, als von einem Zimmermann, mit dem er im Robin - hood Club debattirte, und daß man nirgends besser Gelegens heit hätte, die natürlichen Geisteskräfte eines gemeinen englischen Bürgers kennen zu lernen, als an diesem Orte. Mit dem Ruhme der Gesellschaft vermehrten sich auch ihre Mitglieder, und die, welche sprechen wollten, waren so zahlreich und eifrig sich hören zu lassen, daß der Präsident nicht anders Ordnung erhalten konns te, als durch eine Sanduhr auf dem Tische; sebald eine bestimmte Menge Sand ausgelaufen war, mußte jeder zu sprechen aufhören, sollte er auch mitten in einem Gleichnisse oder Beweise abzubrechen genöthiget gewesen seyrt. Lange theilte man jedem Redner die Zeit gleichmäßig auf diese Art zu, aber endlich scharrten die Zuhörer mit den Füßen, welches das gewöhnlichere Zeiz chen ist, einen Redner zu verständigen, daß man ihn nicht mehr hören mag.

Nicht lange vor dem Schlusse dieses Clubs wurde Garrow ein Mitglied davon. Viele erinnern sich seiner noch als eines kleinen rothhårigen Jungen, der sich bes sonders im Debattiren auszeichnete, und so viel Unerschrockenheit und Fassung besaß, daß er sich mit den Er hatte geübtesten Rednern keck ins Feld wagte. kaum aufgehört, ein Neuling im Club zu seyn, als er allen, die sich dort hören ließen, den Preiß der Beredts samkeit vorweg nahm einen Uhrmachergesellen, der lange in der Gesellschaft das große Wort geführt und mit unerschütterlichem Uebermuthe geherrscht hatte, soll er beynahe zu Tode gekränkt haben, weil er ihn in ruhiger Debatte überflügelte und in chrlichem Kampf von seiner angemaßten Höhe herabwarf.

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Aber nun sollte ihm sein Rednertalent mehr einbrins gen: Garrow hatte seine Uebungen bey dem Juristen, der ihm Anleitung gab, geendiget, und erhielt zur ges wöhnlichen Zeit Erlaubniß, selbst als Sachwalter in den Gerichtshöfen zu erscheinen. In den Schulen der Beredtsamkeit, die er besuchte, hatte er sich einige sehr nüßliche Eigenschaften und gewisse Berufsvorzüge ers worben, die er allezeit nach Würden geschäßt zu haben scheint. Taher war der Kampfplaß, auf den er sich zuerst wagte, in den Gerichtshöfen der peinlichen Ges rechtigkeit. Er trat zum erstenmal an den Schranken der Old Bailey auf. Hier bewunderten ihn die Rechtss anwålde wegen seiner besondern Unerschrockenheit, seis nes Feuers und feiner Geschicklichkeit im Zengenverhör; ferner wegen der guten Laune, womit er jede beissende Antwort von einem Zeugen aufnahm, den er hånseln wollte; wegen der Schnelligkeit, mit welcher er immer wieder auf den vorigen Punkt zurückkam, und wegen. der Beharrlichkeit, womit er ihn bis auf den Grund untersuchte, bis die Wahrheit auf die eine oder die andre Art aus dem hartnäckigsten, geübtesten und vorbereitets ften Zeugen sicherlich zuletzt hervorgelockt wurde. Viels leicht wußte sich nie Jemand so geschickt beym Zeugenverhör zu benchmen; übertrift ihn jemand, so ist es fein Freund Topping.

Garrow dringt mit aufferordentlicher Leichtigkeit und Kenntniß in das Leben und den Character ein; er kann jeden über sein Handwerk verhören, und mit jedem Zweige desselben so innig vertraut scheinen, als ob er es selbst gelernt hatte; er kennt jeden Winkelzug des Schelmen, jede Wendung und Farbe des Lebens.

Garrow erhielt bald die hauptså †lichste Praxis in der Old Bailey, und wenn sich zufälligerweise die Ver=

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brecher in guten Umstånden befanden, so war ein Prozeß vor diesem Gerichtshofe keine üble Sache. Es ist unter den Rechtsgelehrten sehr wohl bekannt, daß bey jeder Ehebruchssache der Klåger fichs vor allen Dingen anges legen seyn låßt, dem Herrn Erskine den Handel zu übertragen. Eben so wendete damals jeder Verbrecher oder Betrüger, der festgenommen war und auf seine Rettung denken mußte, seine Augen allezeit auf die ers heiternde Aussicht von Garrows Geschicklichkeit. Zwey bis drey Jahre praktizirte er hauptsächlich in diesem Gerichtshofe und auf den halbjährlichen Gerichten, ohne sich in der King'sbench. sehen zu lassen; aber Lob gab jhm Zuversicht, und er fühite bald einen Ehrgeiß, sich um allgemeinere und einträglichere Praris zu bewerben. Hierzu giebt es in den englischen Tribanålen nur zwey Wege, Gönner und hervorglänzende Talente; was ihm an jenen abgieng, ersetzte er durch diese. Man wußte bereits, daß er als Gerichtsredner durch seine Fertigkeit Bewunderung erregte, und ließ ihn also nicht lange in der Dunkelheit.

Vorzügliche Naturanlagen, die sich Ruhm erwors ben haben, sind, wie oft bemerkt worden ist, dem Glücke mehr als ihren eigenen Kräften schuldig. Vielleicht sind Talente nicht so selten, als man insgemein glaubt. Die Blume mag aus manchem Boden wach sen, und würde vielleicht, wenn ein Glücksstrahl auf fie fiele, öfter aus ihrer Dunkelheit emporblühen und ihre reichen Farben unerwartet entfalten. Die englische Rechtsgelehrsamkeit hat einem glücklichen Zusammens treffen von Umständen mehr zu danken als jedes andre Fach. Wenn etwan ein großer Advocat plöglich krank wurde, hat man nicht selten einen Mann kennen lernen, der in der Folge eine Zierde der Gerichtsredner wurde,

und demselben Zufalle, welcher einen Camden zuerst bes kannt machte, verdanken die meisten jetzigen Rechtsges lehrten in der Westminsterhalle ihre Erhebung. Ein gleicher Zufall war es, der die Augen des Publicums auf unsern Garrow heftete. Der Minister Pitt hatte unter seinen vielen Finanzspeculationen den Entschluß gefaßt, eine sehr schwere und ungleiche Tare auf westIndische oder amerikanische Erzeugnisse zu legen und die Labakpflanzer sollten die schwerste Bürde tragen. Hierbey stand ungeheuer viel auf dem Spiele, und da die nach Westindien handelnden Kaufleute sich vergeblich bemüht hatten, theils durch ihren Einfluß auf die Mitglieder des Unterhauses, theils durch Vorstellungen, die sie dem Minister machten, die Bill aufzuhalten, so kamen sie bittlich ein, daß man sie in der Person ihres Sachwalters vor den Schranken des Unterhauses hören sollte. Dies wurde sofort zugestanden, und Garrow erhielt den Auftrag, ihr Anliegen mitzutheilen. Er zeigte bey dieser Veranlassung so viele Kenntnisse, beson= ders in kaufmännischen Angelegenheiten, daß ihn alle, die ihn hörten, bewunderten. Eine solche Rede war selten an den Schranken des Unterhauses gehalten wora den. Sheridan setzte zwar seinen Witzeleyen und seinem Spotte auf den Minister wegen dieser gehåßigen Tare keine Grenzen, aber Garrow übertraf ihn doch weit in allem, was den eigentlichen Redner ausmacht. Der Eindruck, den er auf das Hauß machte, war der Wichtigkeit seines Gegenstandes, und der Art, wie er dens selben behandelte, angemessen. Seine Freunde sagten von diesem Tage an voraus, daß er bald in der Wests minsterhalle einen ausgezeichneten Rang einnehmen würde.

Garrows Ruf war nun so fest gegründet, daß man ihn für jeden wichtigen Rechtshandel in den Gerichtshöfen

annahm. Man hat daher die Geschichte seines Lebens in den Acten der englischen Tribunåle und in den daraus bekannt gemachten Berichten zu suchen. Da aber fein Ruhm vornehmlich auf der ungemeinen Geschicks lichkeit beruht, womit er die Zeugen verhört, so brins gen wir folgendes Beyspiel als Erweiß davon bey.

Auf den Sommergerichtstagen wurde in der Grafschaft Huntingdon 1798 — 1799. ein Proceß über die gesehmäßige Geburt eines Herrn Day entschieden. Man rufte Garrown ausdrücklich von seinen andern großen Geschäften in London dorthin, um eine Frau zu verhdren, welche der Hauptzeuge gegen seine Clientin war. Diese Frau hatte man angestiftet auszusagen, daß das untergeschobene Kind, wie man den Day nannte, def= sen gesetzmäßige Geburt bestritten wurde, von ihr an Day's angebliche Mutter in Wolverhampton verkauft worden sey, denn sie begab sich in die Nachbarschaft dieses Ortes aus ihres Mannes Hause bey Kimbolton in Huntingdonshire, um niederzukommen. Es wurde dargethan, daß Frau Day, von Staffordshire gebür tig, aus ih:es Gatten Wohnung zu Kimbolton in Huntingdonshire hochschwanger verreißte, um bev ihren Verwandten in Staffordshire die Wochen zu halten. Sie hatte in Kimbolton entweder eine Fehlgeburt gehabt, oder es war ihr ein Kind gestorben, dem ein jährliches Einkommen von fünf - bis sechshundert Pfund Sterl. vermacht war: sie wünschte also zu versuchen, ob eine Reise nach Staffordshire eine günstigere Wirkung hers vorbringen würde. Den folgenden Januar gebar sie das bestrittene Kind und kam zu Anfange des Mårz zu ihrem Manne zurück. Es leidet keinen Zweifel, daß diese Frau (die Mutter) auf alle Fälle mit einem Kinde zu ihrem Mann in Huntingdonshire zurückkehren wolls

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