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Franz von Baader's

TAGEBÜCHER

aus

den Jahren 1786 bis 1793.

Herausgegeben

von

Dr. Emil August von Schaden,

ordentl. öffentl. Professor der Philosophie an der Universität Erlangen.

Leipzig.

Verlag von Herrmann Bethmann.

1850.

Druck von F. E. Thein in Würzburg.

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Alle diejenigen, welche nicht nur die Bedeutung
der deutschen Philosophie zu würdigen verstehen,
sondern auch ihren Inhalt noch höher als die sonst
in vieler Beziehung unerlässliche dialektische Methode
anschlagen, wissen sehr wohl, was unser edles deut-
sches Vaterland an Franz von Baader besessen, was
es mit ihm verloren hat. In einer Epoche, in wel-
cher das energische Leben der Schellingischen Na-
turphilosophie in Deutschland zwar einen neuen
Aufschwung aller höheren Interessen des Geistes her-
vorgerufen hatte, aber bereits mit vollen Segeln
einem rein pantheistischen Standpunkte entgegeneilte,
dessen Gefahr drohende Carrikaturen die jüngst ver-
gangene Zeit zur Höhe ihrer verkehrten Entwicklung
gebracht hat, in einer solchen Epoche war es Baader,
welcher vor Allen dem Strome der Zeit mit mäch-
tigem Arme entgegenarbeitete und auf philosophi-
schem Wege die Rechte des allein Befriedigung wie
Gedeihen versprechenden Monotheismus zu wahren
suchte. „Nicht Wissen und Glauben sind es, welche

.

in unversöhnlichem Hader liegen, sondern ein gläubiges und ein ungläubiges Wissen haben es ihrer Natur nach an sich, bis zur Vernichtung des einen Gegensatzes ihren erbitterten Streit fortzuführen."

Das ist die Thesis, welche schon sehr frühe dem jugendlichen Geiste Baader's klar geworden war, deren Erweis noch alle Kräfte des alternden Mannes in unermüdlicher Thätigkeit festhielt.

Die grossen Veränderungen, welche während des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts auf allen Gebieten des geistigen wie des politischen und socialen Lebens in Europa vor sich gingen, konnten nicht verfehlen, eine mächtige Rückwirkung auch auf die Philosophie auszuüben. Während bis dahin, namentlich in Deutschland, die Wissenschaften der natürlichen und geistigen (psychologischen, historischen und religiösen) Dinge Hand in Hand gegangen waren und sich wechselseitig die Möglichkeit neuer und unerwarteter Erklärungsversuche dargeboten hatten, begann man von da ab, einen in mancher Beziehung ungerechtfertigten Nachdruck auf das blos Natürliche (Materielle) zu legen, und alles Historische und Traditionelle nur als Irrthum oder sinnliche Consequenz des rein stofflichen Lebens aufzufassen. Die Folgen eines solchen Missgriffes liegen gegenwärtig vor Aller Augen offen da. Im besten Falle ist es noch ein sublimerer Pantheismus, im schlimmeren und schlimmsten Materialismus, Sensualismus, Atheismus und Nihilismus, welche sich der Mehrzahl der jetzt Lebenden bemächtigt haben. Jeder Glaube an den Geist als eine individuelle, autonome und substantielle

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