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Vorrede.

Unser guter unvergeßlicher Gellert hat in einem seiner frühesten Jugendgedichte, das die Trennung von einer geliebten Person es war vermuthlich seine Mutter schildern sollte, folgende Worte:

„Als ich von Dir Abschied nahm

Und immer ging und wiederkam."

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Diese kindlich naiven Zeilen sind mir in das Gedächtniß zurückgekommen, als ich mich zu diesem fünften Theile des erläuterten Shakspeare anschickte, und ihn endlich nach langer Zeit beschloß. Am Ende des vierten Theils findet sich nämlich die Andeutung, es werde wohl der lehte seyn; es ist mir indeß nicht möglich gewesen, so schnell von meinem Buche Abschied zu nehmen, und obwohl ich bereits „gegangen" war, bin ich doch jezt nach vier Jahren, wie man sieht, wiedergekommen." Mögen mich die obigen ehrlichen Zeilen selbst bei dem strengsten Leser entschuldigen, denn ob es gleich sehr möglich ist, von meinem Buche Abschied zu

nehmen, so ist es doch völlig unmöglich, sich von Shakspeare zu trennen. Das wolle man erwågen, und wenn dann etwa Jemand diesen fünften Theil einen Supplementband" nennen will, so hab' ich nichts dagegen.

"

Und nun noch einige gutgemeinte harmlose Worte: Wenn man so recht bedenkt, was Alles ein Mann nöthig hat, um mit Ehren als ein wahrer Kritiker Shakspeare's aufzutreten, so kann und soll man dabei sehr ernsthaft werden.

Der Dichter, der bekanntlich so viel Deutsches an und in sich hat, daß er mitunter sogar wie ein völliger Deutscher erscheint, ist doch nun einmal, den sichersten Nachrichten zufolge, in England ge= boren und hat in Englischer Sprache geschrieben. Will sich deshalb ein Deutscher mit ihm recht vertraut machen, so wird er wohl etwas Englisch ler= nen müssen, denn bloße übersehungen thun es nicht; ja wenn er als Kritiker beinah so groß wåre wie Shakspeare als Dichter, so würde er doch wenig= stens so viel von dem Geiste jener Sprache verstehen müssen, als Shakspeare etwa Lateinisch verstand. Einige deutsche Kritiker scheinen jedoch zu glauben, noch höher zu stehen, denn sie sind im Stande, sogar

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mit bloßen Bearbeitungen Shakspeare'scher Stücke sich zu behelfen, und mir ist einmal einer vorges kommen, der nur mit einem alten deutschen Bühnen - Macbeth bewaffnet, meine Erläuterung einiger Charakterverhältnisse im Original nicht wollte passiren lassen.

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Ferner wird man wohlthun, sich umzusehen nach den Vorgängern, Beitgenossen und Nachfolgern des Dichters, denn wie groß er auch sey, lernen hat er doch auch einmal müssen, und um recht viel von ihm zu lernen, ist es gut, wenn wir zu erforschen suchen, was andere → besonders die praktischen Dichter von ihm gelernt haben. Bei Vielen 1 war es leider nur wenig; doch wenn wir deutlich eins sehen, wie wenig und warum nur so wenig, so werden wir, die hemmenden Misverständnisse Jener vermeidend, uns selbst einer reichen Ausbeute zu erfreuen haben. Da wir aber keinen einzigen Mens schen, und am wenigsten die glänzenden Häupter: die Fürsten, Helden, Philosophen und Dichter, hinz länglich zu erkennen vermögen, wenn wir sie nicht auch in Beziehung auf die Geschichte ihres Landes und ihrer ganzen Beit betrachten, so werden wir, um Shakspeare ganz kennen zu lernen, auch die

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