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angenehmer Spannung erhielte? Das englische Volk hat gar keine Zeit, misvergnügt zu werden; es hat in seinen unzähligen Fabriken, Manufakturen, Werkstäts ten, Gewölben, Låden, Schreibstuben, Docken, Håfen, zu viel zu thun, um den tollen Gedanken zu nåhren, daß eine Revolution den Uebeln im Staate abhelfen könne. Ist es nun keine Einbildung, daß der englische Kunstfleis, unter andern, auch diesen Nußen hat; so halte man es nicht für verlorne Zeit, einige Augenblicke bey den Arbeiten desselben zu verweilen.

Auf die schädlichen Wirkungen mancher Kleiders trachten aufmerksam zu machen, ist des Arztes Amt; er darf schelten, so viel er will, das Publikum hat ihn dazu befugt. Mit dem Kunstfleiße ist es ein anderes. Der darf sich nicht beygehen lassen, über den Zeitges schmack zu spotten; er muß sich nach unsern Launen richten, wåren sie auch noch so wunderlich. Versteht er es, bey dieser Unterwürfigkeit die etwaigen Fehler der Mode ganz in der Stille unschädlich zu machen, desto. besser; er beschämt dann den Pöbel der Ladler und Kunstrichter, die so oft Vorschriften und so selten Mus ster aufstellen. Dies hat so, eben der geschickte Garton gethan. Man kennt diesen Mann aus seinen vortreflis chen und berühmten Baumwollengarnknåulen, von des nen in den ersten Bånden der engl. Misc. so oft die Rede gewesen ist, die aber seitdem unglaublich verbessert und verschönert worden sind. Er sah und hörte auf allen Seiten, daß die dünne Kleidung seinen Landsmåńnins nen ausnehmenden Schaden that. Wirklich hat niemals eine aus Paris nach England versetzte Mode so viel Uns heil angerichtet, als das Ablegen der weiblichen Unters kleider. Der englische Himmel ist, wie man weiß, feucht und veränderlich), und die meisten Håuser find

gegen die Zugluft wenig verwahrt. Dennoch fing man vor etlichen Jahren an, Winter- und Sommer - Musz feline, Gasen und andre spinnenwebne Zeuge zu tragen, welches nun sogar bis auf die Hausmagd herab ges schieht. Zum Unglück warf man auch die innere Bes kleidung hinweg und die hier so häufig ausgestreueten Saamen der Auszehrung, Schwindsucht und rhevmas tischen Beschwerden gingen überall, wie wucherndes Uns kraut, auf. Die Aerzte, besonders Beddoes und Bell, schlugen darüber solchen Lårm, daß die Våter endlich ein Machtwort sprachen und auf flanellene Unterkleider drangen. Aber da in hundert Fållen Mamma, unges achtet sie sich den geseßten Funfzig mit starken Schritten nåhert, eben so důnn und jung gekleidet geht, wie ihre Töchter, so muß der Vater, um den Hausfrieden zu erhalten, die Hand auf den Mund legen. Demnach hat fich dies Uebel nicht merklich vermindert. Unter solchen Umständen verdient Garton ohne Zweifel Dank, daß er Patent Unterröcke erfunden hat, die eben so warm sind als die bisher üblichen und doch so wenig Raum einneh men als es nur immer möglich ist. Sie sind von soges nanntem Strumpfzeuge, dessen Elasticitåt bekannt ist. Indem sie nun vortreflich schließen und gleich dem dicks ften Flanell warm halten, werden sie, wegen ihrer Auss dehnbarkeit, im Gehen kein Hinderniß. Ihr geringer Umfang macht sie auch leichter, als ein flanellner Uns terrock seyn kann, und ihre verhältnißmäßige Wohlfeilheit ist keine unbedeutende Empfehlung. Ein wollener Patent Unterrock kostet nicht mehr als 7 Schill. 6 pence, und ein baumwollener 8 Schillinge, also um die Hälfte weniger als ein flanellner. Diese Ladies'patent petticoats bekommt man am besten bey Garton selbst, 'der in Cheapside, London, wohnt.

Nach dieser nützlichen Erfindung sieht man noch einmal so gern die vielen Gäsen, welche diesen Sommet in den Londner Gewölben einen großen Raum einnch men. Rosa, blau und gelb mit ihren Schattirungen, sind die herrschenden Farben. Die Stickerey ist köstlich. Sie kommen fast alle aus Schöttland. In London wer den sie meistens von Emigrantinnen gestickt.

Die Mode gleicht einem Eroberer. Man lacht seis ner, schilt ihn einen Kronrauber, und ficht wider ihn, bis er, alles mit sich fortreißend, den Gehorsam erzwingt, welchen man ihm anfänglich versagte. Dies ist die Ges schichte des ägyptischen Geschmacks in England. Alle Tage sehen wir sie einen neuen Damm wegschwemmen, und wer heute noch darüber spottete, muß sich morgent schon gefallen laffen, daß Frau und Kinder ihm die Zimmer und die Speisetafel mit ägyptischen Geräthen anfüllen. Die Birminghamer Fabricanten hatten fich etwas damit gewußt, daß sie von den Theebretern die großen Mahlereyen vertilgten und sie durch kleine nieds liche Cameen und Antiken ersetzten: aber die ägyptische Raserey riß sie bald aus ihrem Schlummer, und Birs mingham, Pontypool und Tunbridge studiren nun um die Wette, wer die schönsten ägyptischen Fratzen auf die Theebreter mahlen kann. Wie sehr diese allerliebsten Figuren gefallen müssen, läßt sich daraus abnehmen”, daß die ägyptischen Theebreter lauter goldne Gemahlbe haben, und mithin weit theurer find, als die mit eina fachen Farben bemahlten. Nie ist ein Artikel so schnell gekauft worden, als diese Theebreter; man konnte ihrer im Juny nicht genug fettig schaffen. Wir berühren nuit noch einige andre Dinge, die unter ägyptischer Flagge ers scheinen.

Man kennt die englischen Fingerplatten. Sie wera

den inwendig und auswendig an die Stubenthüre ges schlagen, und zwar da, wo man die Thüre anfaßt, damit ihr weißer Anstrich durch öfteres Betasten nicht schmutzig werde. Es ist bekannt, daß auch diese Nes bensache seit ihrer Erfindung mehrmals verbessert wors den ist, und wir haben in der Musterung des engl. Kunstfleißes jedesmal gemeldet, was man daran geåns dert hat. Jetzt ist diese Waare, zum großen Vortheile der Meßingarbeiter, durch die ågyptische Influenza vôllig umgestaltet. Die Fingerplatten find mit langen bronzirten ågyptischen Ungeheuern bedeckt, an deren Spitze gewöhnlich eine Sphynx steht. Ohne Zweifel ist diese Arbeit herrlich und sie erfreut sich eines raschen Absaßes...

Aus vorigen Angaben dürfte man sich erinnern, daß scharlachne leichte Casimire, Camelotte u. s. w. feit einiger Zeit in ungeheurer Menge verfertiget und fast in allen großen Häusern zu Geråthekappen, und besonders zu Vorhängen in den Border parlours genommen werden. Man bedruckte sie zu diesem Ende mit einfachen schwarzen Figuren, mit Rauten, Blumen 2c. An die Stelle der letztern sind neue ågyptische Figuren getreten. Der angesehene Möblier Oakley in Altbondstreet machte im Juny den ågyptischtollen Londnern die außerordentlis che Freude, die herrlichen Anubisköpfe, Crocodile und andre Scheusale auf scharlachenen Kappen und Vorhåns gen zur Schau zu stellen. Was da gekauft wurde! Man' konnte sich gar nicht genug wundern, daß vor diesem erfindsamen Manne noch Niemand auf den vernünftigen Einfall gerathen sey, auch dieses Decorationsbedürfniß nach dem erhabenen Geschmacke des Pyramidenlandes zu modeln.

Uber Niemand hat sich so sehr bey der vornehmen

englischen Welt eingeschmeichelt als der verständige Mes tallarbeiter Biggs, 205. Piccadilly, London. Er setzt alles Ernstes die ågyptischen Formen nicht nur in einen Rang mit den griechischen und römischen, sondern sogar an ihre Spiße und nennt diese ganze Liebhaberen claßisch. Nun wissen zwar die Weiber nicht recht, was es mit diesem Worte auf sich hat, aber sie hören es doch immer von den Männern mit ganz besondrer Achtung aussprechen, weil bekanntlich in der jetzigen gesitteten Welt kein Volk das claßische Alterthum so allgemein hochschäßt und von Kindheit an so emsig studirt als die Britten. Also wäre dieser Geschmack claßisch)? sagen die Weiber mit funkelnden Augen. Ja, meine Ladies, antwortete der kluge Biggs, nicht anders, und es ist nun nothwendig ), auch ägyptische Camins Defen im Zimmer zu haben. Solche hat er nun in Menge fertig. Aber das ganze Aegyptische daran besteht in zwey bronzirten Mumienfiguren, die er zu beyden Seiten, welche soust platt polirt blieben, angebracht hat. Indessen da die Mumien aus Aegypten kommen, so wird sich Niemand unterfangen, zu läugnen, daß dieser Caminofen nun auch ägyptisch sey. Soviel diess mal von diesem Unfug.

Ein großes Rad zu bewegen kostet Mühe, ist es aber einmal im Schwunge, so kann ein Kind es darinn erhalten. Eben so ist es im Kunstfleiße: auf den ersten

*) Man höre seine Ankündigung:,, da ágyptische, griechis sche und römische Zierrathen, dem jeßigen eleganten und claßischen Geschmack zufolge, an jeder Hausgeråthschaft angebracht werden, so müßen nothwendig Caminofen, welche gewiß für die Pracht eines schönen Zimmers von höchster Wichtigkeit sind, auch nach diesem Style gearbeis tet werden. J. Biggs hat daher" ic.

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