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rühmte Sammlung, die Jacob Macpherson herausgab, einzuziehen. Er selbst hätte die Zweifel über Oßians Authenticitắt, wenn sie erweißlich gewesen wäre, gleich zu Boden schlagen können, aber er gab vor, daß er es unter seiner Würde hielte, einen Verdacht von sich abzulehnen, der ihm höchst unbillig, lächerlich und hämisch schies Blair schrieb 1763 seine bekannte Abhandlung über Oßians Gedichte, und war Willens, ihre Aechtheit mit Urkunden zu beweisen. Er fragte darüber seinen bes rühmten Freund Hume, der ihm unter dem 19. Sept. 1763 folgendes aus London antwortete :

ne.

,, Ich lebe an einem Orte, wo ich, zu meiner Freude, oft Gelegenheit habe zu hören, daß man Ihs rer Abhandlung Gerechtigkeit widerfahren läßt; doch ist in den Gesellschaften immer einer oder der andre, der über die Aechtheit der Gedichte, mit denen sie sich bes · schäftiget, seine Zweifel äußert; und ich höre oft, daß man sie, als eine handgreifliche und höchst unverschämte Verfälschung, schnöde und unwillig verwirft. In Wahrheit ist diese Meynung unter den Gelehrten in Lons don sehr herrschend geworden, und ich kann voraussehen, daß man die Gedichte, wenn sie auf ihrem jeßigen Anz sehen beruhen sollen, bey Seite legen, und endlich vers geffen wird. Vergebens sagt man, daß ihre Schönheit, unabhängig von ihrer Aechtheit, sie unterstützen wird: nein, diese Schönheit ist nicht so sehr nach dem allgemeis nen Geschmack, daß sie ihnen einen solchen Erfolg zusis chern könnte; und wenn die Leute einmal durch die Idee einer Verfälschung beleidigt sind, pflegen sie von dem Werthe des Werkes selbst eine desto nachtheiligere Meynung zu fassen.. Der ungereimte Stolz und Eigensinn Macphersons, welder, wie er sagt, es unter seiner Würde hält, jemanden, der an seiner Wahrhaftigkeit

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zweifelt, zu überzeugen, hat viel dazu bengetragen, diese allgemeine Zweifelsucht zu verstärken; und was mich anbetrift, so muß ich gestehen, daß, ob ich gleich für die Aechtheit dieser Gedichte viele besondre Ursachen gehabt habe, die zum Theil bey einem englischen Gelehrten sich gar nicht erwarten lassen, mir dennoch einige Bedenklichkeiten aufgestiegen sind. Sie glauben, die ins neren Beweise zum Behuf dieser Gedichte haben viel Gewicht: dies ist nicht zu leugnen; aber es giebt auch ins ' nere Ursachen wider sie, vornemlich in den Sitten, troj aller der Kunst, womit Sie diesen Umstand zu überfit= nißen gesucht haben; und daß sich solche lange und so zusammenhängende Gedichte vierzehn Jahrhunderte lang blos durch mündliche Fortpflanzung erhalten haben solTen, streitet außerordentlich mit dem gemeinen Laufe menschlicher Dinge; und wenn wir es glauben sollen, muß man uns die stärksten Ursachen anführen können. Ich bitte Sie also hiermit im Namen nicht nur aller englischen, sondern ich darf auch sagen, aller ausländischen *Gelehrten, diesen Hauptgrund zu berichtigen, und unz Beweise zu liefern, daß diese Gedichte, ich will nicht sas gen, so alt wie das Zeitalter des Severus, sondern nur daß sie nicht innerhalb der vergangenen fünf Jahre von Jacob Macpherson selbst gemacht und für alte unterge schoben worden sind. Diese Beweise dürfen keine Grüns de, sondern es müssen Zeugnisse seyn; gegen die ersteren verschließen die Leute ihre Ohren; aber die lezteren köns nen vielleicht noch Eingang finden, ehe diese Gedichte in "gänzliche Vergessenheit begraben werden. Und zwar können diese Zeugnisse, me nes Bedünkens, zweyerley "seyn. Macpherson sagt, die Familie Clanronald, wenn ich nicht irre, besike' eine alte Handschrift mit einem Theile des Fingals. Bemühen Sie sich, daß dies von

mehr als einer glaubwürdigen Person bestätiget werde; sehen Sie darauf, daß diese Personen das Gålische vers stehen; lassen Sie von ihnen eine Vergleichung der Urschrift mit der Uebersetzung anstellen, und lassen Sie sie bezeugen, daß die leztere treu sey.

"

Hauptsächlich aber müssen Sie bestrebt seyn, von vielen verschiedenen Leuten das ausdrückliche Zeugniß zu erhalten, daß solche Gedichte vom gemeinen Manne in den Hochländern oft auswendig wiederholt werden, und daß sie seit langer Zeit dem Volke zum Vergnügen gedient haben. Dies Zeugniß muß eben so umständlich als ausdrücklich seyn. Es ist nicht genug, daß ein Hochländischer Edelmann oder Geistlicher sagt, oder Ihs nen schreibt, er habe solche Gedichte gehört. Daran zweifelt Niemand, daß es dort überlieferte Gedichte giebt, wo in jeder Stanze die Namen Oßian und Fingal und Oscar und Gallien vorkommen. Die Frage ist blos, ob diese Gedichte denen, welche Macpherson herausgegeben hat, auch sonst noch ähnlich sind. Burke, ein sehr scharfsinniger Irländer und Verfasser einer Abhandlung über das Erhabene und Schöne, sagte mir, daß, als Macpherson's Buch zuerst herausgekommen, alle Irlånder ausgerufen hätten, wir kennen diese Ge= dichte alle, wir haben sie immer von Jus gend auf gehört; aber als er nåher fragte, fand sichs, daß kein einziger auch nur einen Satz der vorgeb lichen Uebersetzung im Original gehört hatte oder hersaz. gen konnte. Diese Allgemeinheit also muß man sorgfål tig zu verhüten suchen, weil sie nichts beweist. Se

,,Ihre Befanatschaft unter der Geistlichkeit kann Ihnen hierin von großem Nutzen seyn. Sie können leicht die Nahmen aller Prediger des Hochlandes erfahren, welche die gålische Sprache verstehen. Schreiben

Sie ihnen, was sich für Bedenklichkeiten gezeigt haben, und ersuchen Sie dieselben, die noch übrigen Barden zu sich kommen, und sie ihre alten Gedichte hersagen zu lass sen. Indessen mögen die Geistlichen Macpherson's Wes bersetzung zur Hand nehmen, und Ihnen dann wieder schreiben, daß sie diesen oder jenen, welcher namentlich nebst seinem Wohnorte anzugeben ist, das Original is ner genannten Stelle, die in der englischen Uebersetzung von und bis zu Seite so und so steht, welche Uebersetzung ihnen genau und treu schien, hersagen gehört haben. Wenn Sie eine hinlängliche Zahl solcher Zeugnisse be kannt machen, so können Sie etwas ausrichten: aber ich getraue mir, Ihnen voraus zu sagen, daß nichts anderes helfen wird; thun Sie sonst, was Sie wollen, man wird nicht einmal darauf achten.

,, Der Buchhändler Becket sagt mir, daß er eine neue Ausgabe Ihrer Abhandlung mit etlichen Bemerkungen über Temora veranstaltet. Hier haben Sie eine gute Ge legenheit, dies Vorhaben ins Werk zu richten. Es bes feelt Sie ein gerechter und löblicher Eifer für den Ruf dieser Gedichte. Wenn sie åcht sind, so muß man sie in jeder Rücksicht für eine der größten Merkwürdigkeiten halten, welche je in der Gelehrtenrepublik entdeckt wurden; und Sie haben gewißermaßen das Kind als Vater ans genommen, da Macpherson alle Pflege desselben gånge lich aufgegeben hat. Dies sind Beweggründe genug für Sie, sich der Sache zu unterziehen, und mich däucht, Sie sind es eben so sehr Ihrer Redlichkeit als den Wüne schen des Publikums schuldig, alle Antworten auf Ihre Briefe drucken zu lassen, selbst wenn etliche dieser Antworten Ihrer eigenen Meynung über unsern Gegenstand zuwiderlaufen sollten. Wir werden uns allezeit desto mehr vërsichert halten, daß kein Grund gewaltjam aus=

gedehnt und kein Gegengrund unterdrückt ist, wenn man uns einen solcheh Briefwechsel ohne alle Abkürzung vors legt. Becket vereiniget seine Bitte mit der meinigen, und verhelt mir nicht, daß unter verständigen und nachdenkenden Leuten der Glaube an die Aechtheit der Gedichte sich tåglich vermindert. Nichts geringeres, als was ich Ihnen vorschlage, kann das Gewicht auf die andre Seite werfen. Ich reise ungefähr in drey Wochen von hier ab, und es würde mir lieb seyn, wenn ich Ihren Entschluß vor dieser Zeit erführe."

Der Ausschuß der hochländischen Gesellschaft vers fuhr beynahe so, wie Hume es seinem Freunde in dem vorherstehenden Briefe angerathen hatte. Man hat auch die wichtigsten Antworten, welche Blair auf seine Ans fragen erhielt, abdrucken lassen. In ihren eigenen Nachforschungen stießen der Commißion viele Schwierigkeiten auf. Die Sitten haben sich in den Hochländern geåns dert; die müßige Gewohnheit, Barden die heldenmüthis gen Thaten und Begebenheiten der Vorfahren hersagen zu hdren, hat der Betriebsamkeit Raum gemacht; und da man die alten Heldengesånge nicht mehr oft wiederholt, so wird es allmåhlig schwerer, sich ihrer zu erinnern; nur noch wenige sehr alte und schwächliche Leute können fie auswendig, und diese wohnen in Gegenden, wo der Verkehr, wegen vieler drtlichen Ursachen, äußerst ers schwert und langsam ist; mithin ist es nicht leicht, solche Greise ausfindig zu machen, oder wenn man sie ja aufgetrieben hat, hält es schwer, die Aufschlüffe, wels che sie geben können, zu erhalten, denn obschon das Gälische oder das Ersische, wie es insgemein genannt wird, die geredete Sprache jener Gegenden ist, so kön ren doch nur sehr wenige sie schreiben. Der Erzähler oder Hersager kann also sein Gedicht nur denen mittheis

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