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jungen Wilkes eine gegenseitige Neigung entspinnen möch te: die Mütter waren beyde Dissenters und herzliche Freundinnen.

Als der junge Wilkes diesen Unterricht einige Zeit genossen hatte, schickte ihn der Vater mit dem genanns ten Geistlichen auf die Universität in Leiden. Hier sog Wilkes eine große Liebe zu den alten lateinischen Schriftstellern ein. Den Cicero und Virgil verehrte er unter allen am meisten. Uebrigens zog er den Tacitus dem Livius vor, doch ohne für beyde eingenommen zu seyn. Etliche Griechen las er nur oberflächlich. Wiewohl ihm der Aufenthalt in Leiden von Nußen war, so verdankte er doch seine Bildung mehr sich selbst, als den Lehrstunden, die er besuchte. Durch eigenen Fleiß wurde er ganz vorzüglich mit den lateinischen Classikern bekannt, ungeachtet er gar kein Fremdling in den Gries chischen war. Die unsterblichen Schriften der Alten blieben durchs ganze Leben seine Lieblingsleserey, und als er sich auf das weite Feld der Politik wagte, wels ches ein paar Monate nach dem Regierungsantritte des jetzigen Königs geschah, besaß er eine eben so große Belesenheit in den Alten, als er sie nur immer in Ors ford oder Cambridge håtte erwerben können. Hierzü gesellten sich feine Sitten, eine unversiegbare Laune und die innigste Bekanntschaft mit allen Schätzen seiner Muttersprache. Die letztere hatte er sich ganz durch eigenen Fleiß und unermüdete Aufmerksamkeit erwors ben; denn vom damaligen Schulunterrichte hegte er eine so geringe Meynung, daß er oft zum Herauss geber seiner Correspondenz sagte:,, was hätte ich denn auf der Schule zu Hertford und Aylesbury lernen. können?"

Aus Leiden machte er eine Reise durch Holland, Engl. Missclten, XVIII, 2,

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die östreichischen Niederlande und einen Theil Teutschlands. Der Krieg hinderte ihn damals Frankreich zu besuchen. Während er fremde Länder sah, war man zu Hause nicht unthåtig für ihn. Miß Mead, als ein reiches Mädchen, hatte natürlich viele Freyer. Unter andern hielt ein Lord um sie an, der ihr nicht gleichgültig war. Aber Madam Mead war sowohl wider diesen als alle andere Heurathsantråge, da sie mit ihrer Freundin und geliebten Betschwester, der Frau Wilkes übereingekommen war, daß der junge Wilkes, so bald er nach England zurückgekehrt wäre, sich um die Hand der Miß Mead bewerben, und im Fall einer günstigen Aufnahme sie heurathen sollte.

Wilkes kam 1749 auf Verlangen seines Vaters nach England zurück. Seine einnehmenden Manieren und sein feiner With machten großen Eindruck auf Mamsell Mead. Beyde ehelichten sich bald darauf im October zur völligen Zufriedenheit der ganzen Familie, wie es schien. Die Frucht dieser Ehe war eine Tochter, deren Briefwechsel mit ihrem Vater in dem vorliegenden Werke enthalten ist. Er wohnte damals in Redlion court. Aber ungeachtet sein Haus sehr gut war, mißfiel es ihm wegen der Lage und Nachbarschaft: er wünschte in einem modischen Theile der Stadt zu wohnen. Dies war seine erste Verirrung, und legte den Grund zu den nachherigen Mißhelligkeiten zwischen ihm und seiner Frau. Er zog in Great George street, Westminster

Sein neues Haus erforderte einen großen Aufwand und brachte eine Lebensart mit sich, an welche seine Frau nicht gewohnt war. Viele Gåste und prächtige Gastmåhler fast alle Tage konnten einer Frau, die von früher Jugend Haushältigkeit zu üben gelernt hatte,

nicht anders als unangenehm seyn. Weit schlimmer und ganz unertråglich war es, daß er eine Menge Wüstlinge von rohen, verderbten Sitten ins Haus brachte. Jede Frau von feinem Gefühl würde sich darüber ents sezt haben. Madam Wilkes machte ihm darüber Vors stellungen; er widerlegte sie: sie kam nun nicht mehr zur Tafel und ließ ihn seine Gäste bewirthen, wie er wollte. Viele hielten das für einen großen Fehler von ihr vielleicht war es einer, aber man kann nicht läugs nen, daß es ihr sehr nahe gelegt wurde.

Unter den Personen, die Wilkes auf diese Art ins Haus brachte, waren Th. Potter, Parlementsglied für Aylesbury und Sohn des bekannten Erzbischofs von diesem Nahmen; Lord Sandwich; Sir Francis Dashwood, nachher Lord Le Despenser und viele andre von verwandten Sitten und Gesinnungen. Indessen war Potter der schlimmste: von diesem wurde Wilkes eigent= lich zu Grunde gerichtet, der von Natur kein böser Mensch war und nur erst in der Folge diese Richtung bekam. Aber Potter vergiftete seine sittlichen Grunds sähe. Es ist wahr, Potter besaß große Lebhaftigkeit und seine Unterhaltung sprudelte von Witz, wodurch er junge Leute anzog; aber er fiel oft ins Niedrige und fast ins Schmutzige, welches einer so feinempfindenden Frau, wie Madam Wilkes war, besonders anstößig gewesen seyn muß.

Da Wilkes zu Hause so wenig Auftḥeiterung fand, ließ er sich leicht von flatterhaften Menschen verführen. So unselig sind die Folgen einer frühen Bekanntschaft mit lasterhaften Leuten! Ein andrer Umstand von nicht geringer Bedeutung muß hier in Erwägung gezogen werden: die ungleichen Jahre der beyden Gatten. Als sie sich vermählten, war sie über zwey und dreys

fig und er noch nicht ganz zwey und zwanzig. Sor bald er von den Feffeln der Schule frey geworden war, überließ er sich den jugendlichen Unregelmåßigkeiten ; und er war noch zu jung, als daß er sie auf einmal håtte ablegen sollen. Seine Frau hingegen hatte bey ihrer Mutter in der Abgezogenheit gelebt, und war nun zu alt, um den langen Angewöhnungen zu entfas gen, welche von ihrer fast angebeteten Mutter gebilligt wurden. Håtte er nicht schlechte Gesellschaft ins Haus gebracht, und hätte sie ein wenig an dem fröhlichen Lebensgenusse der hohen Welt Theil nehmen können, so würden sie vielleicht glücklich zusammen gelebt has ben. Jedoch behandelte er sie immer mit Höflichkeit, und fuhr auch nach ihrer beiderseitigen Trennung fort fie hochzuachten, ungeachtet sie seine Zärtlichkeit nicht mehr besaß. Er gesteht in einem Briefe, daß Geldgier der Eltern, nicht Liebe diese Heyrath schloß. Sie trennten sich 1754 durch eine Separationsacte, wodurch der Madam Wilkes ein Jahrgehalt von 200 Pf. Sterl. ausgescht wurde.

1757 brachte er es dahin, daß ihn die Stadt Aylesbury zu ihrem Stellvertreter im Parlemente wählte. Das kostete ihn siebentausend Pfund, ob er gleich seis nen Sih nicht mehr als drey Jahre behalten konnte. Er håtte damals den vollen siebenjährigen Siß für einen Burgflecken um viel weniger Geld kaufen können. Durch diesen Umstand gerieth er sehr ins Gedränge. Deswegen machte ihn Potter mit gewissen Juden bekannt, vorgeblich um ihn aus seinen Verlegenheiten zu reißen: allein er fühlte bald die Last dieser Verbindung. Bey dieser Gelegenheit machte er sich einer Handlung schuldig, welche den schlechtesten Zug in seiner Lebenss geschichte bildet. Er suchte das Leibgedinge seiner Frau,

die ihm ein so ansehnliches Vermögen zugebracht hatte, in seine Gewalt zu bekommen. Dies gelang ihm aber nicht,

Als Parlementar hatte er Gelegenheit, die Anzahl seiner Freunde zu vermehren. Graf Temple wurs de besonders sein Gönner und verhalf ihm zu dem Posten eines Obristlieutenants in der Miliz der Grafschaft Buckingham. Die neue Repråsentantenwahl für Ays lesbury 1761 kostete ihm wieder viel Geld. Als Parlementsglied mußte er auf einen Fuß leben, wozu sein Vermögen nicht hinreichte, so daß seine Schulden von einem Jahre zum andern wuchsen. Deshalb sah er sich sehr ernstlich nach einem Posten im Staate um, durch den er sich wieder erhohlen könnte. Er wünschte be= sonders Gesandter in Constantinopel zu werden, weil dort seine Gläubiger nicht im Stande waren, ihn zu belåstigen: aber der damalige Staatssecretair Lord Bute war ihm darin immer entgegen, vermuthlich weil Wils kes durch die unrechten Fürsprecher anhielt.

Wilkes schrieb etwas über den spanischen Krieg, das gut aufgenommen wurde; aber ungemeines Aufsehen machte 1763 eine satirische Dedication an Lord Bute, welche im North Briton erschien. Als sich nehmlich dieser Herr an die Spitze der Schaßkammer stellte (29. May 1762), nahm er mehrere Gelehrten in Sold, die seine Maasregeln rechtfertigen sollten. Håtten sie sich blos hierauf eingeschränkt, so würde man fie nicht gestört haben; aber sie schienen gemiethet, die Minister des verstorbenen Königs zu verunglimpfen. Noch an dem Tage, wo Lord Bute seinen Posten aṇ= trat, kam die erste Nummer einer politischen Wochenschrift unter dem Titel The Briton heraus. Der Verz fasser war D. Smollett. Nichts konnte Lord Bute's

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