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te, und es ergab sich, daß sie wirklich etliche Personen, besonders im Arbeitshause zu Wolverhampton, um eins angesprochen hatte. Die von Garrow verhörte Frau beendigte nun, daß sie selbst dieses Kind der Frau Day verkauft habe, und daß das Kind, dessen gesetzmäßige Geburt bestritten wurde, die alio verkaufte Person sey. Die Gewandtheit, womit Garrow diese Frau verhörte, ließ der Jury keinen Zweifel übrig, daß sie falsches Zeugniß ablegte, und die Jury entschied für die gesetzmäßige Geburt sowohl aus diesen als aus andern Grüns den. Das Weib sagte, daß sie das Kind der Frau Day im November verkauft håtte, und daß es damals einen Monat alt gewesen wåre: als aber Frau Day zu ihrem Mann nach Huntingdonshire zurückkam, schien das Kind, welches sie mitbrachte, etwa fünf Wochen alt, und dieß traf mit der bewiesenen Zeit, dem Ende des Januars, überein, wo Frau Day niedergekommen war; wäre es aber das Kind gewesen, welches nach Aussage des Weibes von ihr gekauft wurde, so müßte es wie ein Kind von fünfzehn bis sechzehn Wochen ausgesehen haben. Es war erweislich, daß die Mutter, Frau Day, ein Kind gehabt hatte, denn sie såugte selbst das Kind, womit sie zu ihrem Manne zurückkam, aber es traf sich so, daß nicht nur die Mutter, sondern auch alle Personen, die sie in ihrem Wochenbette warteten, gestorben waren, weswegen man keis nen zuverläßigen Beweiß von der Niederkunft erhalten konute; sondern das Ganze beruhete sowohl auf der Unterhaltung der Nachbarn unter einander und mit der Mutter nach ihrer Zurückkunft, als darauf, daß der Vater das Kind anerkannt hatte. Dieser sonderbare und interessante Fall war das Gerede der ganzen Ges gend, und zog eine solche Menge von Zuhörern in den

Gerichtshof, als man dort selten gesehen hatte. Gars rows große Kunst bestand vornehmlich darin, daß er zu zeigen suchte, daß wenn man auch annåhme, das Kind, mit welchem Frau Day zu ihrem Manne zurückkam, und welches er treuherzig für sein eigenes hielt, sey untergeschoben gewesen, es dennoch unmöglich das Kind seyn könne, welches die Frau verkauft zu haben mit einem Eyde bekräftigte, weil dieses Kind fünfzehn Wochen alt gewesen seyn würde, da hingegen das Kind, welches Frau Day zurückgebracht und für das ihrige erklärt habe, nur fünf Wochen alt gewesen sey, als sie zu ihrem Manne in Huntingdonshire zurückkehrte, mits hin unmöglich das von dem Weibe angeblich verkaufte Kind seyn könne. Die Mühe, welche es Garrown ko̟ftete, diese Punkte ins Licht zu setzen, und die große Geschicklichkeit, womit er sie aus einer Frau zu locen wußte, die so gut abgerichtet und auf das, was sie sagen sollte, vorbereitet war, gewährte eins der trefflich= ften Muster von Zeugenverhör für einen jungen Sachwalter. Kein Auftritt in einem dramatischen Schrifts steller war jemals interessanter, als es der eben beschriebene für alle Anwesende war. Ein todtes Stillschweis gen herrschte im Gerichtshofe während des Verhörs der Frau, welches über drey Stunden dauerte; Garrow verwandte die Augen kaum von ihr, gleich als ob er in ihre Seele eindringen wollte. Eine Weile war sie eben so gefaßt, wie er, aber endlich fing ihre Festigkeit an zu weichen; er drang allmählig in die Wahrheit der Begebenheit ein und führte die Frau in so handgreifliche Widersprüche, daß sein Sieg vollkommen war. Einen gröffern Triumph hat Garrows Talent im Zeugenver= hör vielleicht nie gehabt. Eine folche Fertigkeit kann nicht anders als höchst wichtig erscheinen, wenn man

überlegt, daß öfters nicht nur der Besitz oder Verlust eives großen Vermögens, sondern auch Leben und Tod daran liegt.

Garrow macht keinen Anspruch auf sehr tiefe juris stische Gelehrsamkeit, sondern glänzt hauptsächlich in persönlichen Rechtshåndeln : so oft ein persönlicher Aus griff, ein Fall, wo es zu Thåtlichkeiten kommt, oder eine Störung des bürgerlichen Friedens vor Gericht ges bracht wird, so bestrebt man sich gemeiniglich, ihn zum Advocaten zu bekommen. In der King's Bench nimmt man ihn hauptsächlich zu solchen Processen an, und nur Herr Erskine hat mehr Geschäfte; ja in Sachen, die das Dein und Mein, Schulden, Verträge, Käufe angehen, hat er vielleicht noch mehr als dieser berühmte Mann zu thun. Schon lange fållt dem Herrn Garrow die wichtigste Praris in der Gegend von London zu; seine Berufsreisen erstrecken sich daher selten weiter ins Land hinein als nach Guilford, ausgenommen bey ganz befondern Gelegenheiten. Man muß zugeben, daß fich seine Stärke als Gerichtsredner hauptsächlich auf das Launichte, Lächerliche und Kleinliche einschränkt; niemand weiß besser, worin diese Eigenschaften bestehen, und wie sie ausgedrückt werden müssen; aber vielleicht besitzt er weniger tiefe Empfindung, als alle jetzt in England öffentlich sprechende Sachwalter. Seine Stimme ist zwar nicht stark, aber hell und melodisch: er enthält fich flüglich alles Gebehrdenspiels und drückt durch seine Mienen sprechend alle Leidenschaften aus, die er erregen will. In den Gerichtshöfen hört man ihm mit größter Aufmerksamkeit zu, er versteht es vortrefflich auf die Geschwornen zu wirken, und der gemeine Zuhörer fins det an niemand größeren Gefallen.

Bey allen diesen Vollkommenheiten hat es das Ans

sehen, als ob Garrow nicht höher steigen werde, er scheint sich keinen größeren Rang, als seinen jetzigen zu wünschen; er trachtet auf keinen Fall nach der Stelle eines der zwölf Richter, und macht keinen Anspruch auf die großen Posten im Staate, welche mit Rechtsgelehrten besetzt werden. Vermuthlich genügt ihm an der Ehre, welche er sich in der Westminsterhalle erworben hat: man weiß auch nicht, daß er sich jemals um einen Sitz im Parlamente bestrebt hätte; wirklich würde feine Einnahme dabey leiden, denn die Praxis vor den Committeen, die wegen streitiger Repräsentantenwahlen niedergesetzt werden, fiele dann weg. Es ist schon oben gedacht worden, daß er von seinem Oheim ein großes Vermögen erbte; und aus den Einkünften seis nes Standes hat er schon långst selbst etwas sehr nahmhaftes zurückgelegt. Aber alles Gute hat seinen Zusatz. Garrow, jezt ein reicher Mann und ein berühmter Sachwalter, kann oft wegen Krånklichkeit seine Glücksgüter nicht genießen. Einmal plagte ihn das Podagra, ein andermal hatte er Zufälle, die ernsthaftere Folgen droheten. Vor einigen Jahren wurde eine sehr zarte chirurgische Operation an ihm verrichtet: doch haben. fich seit der Zeit seine Gesundheitsumstände gebeffert. Niemand kann ordentlicher und måßiger leben. Er ist seit einigen Jahren verheurathet und man schäßt seinen Umgang über die Maaßen. Obichon er nicht den Ruf der Belesenheit in den alten Schriftstellern besitzt, so wird man doch bey ihm mit Anmuth und guter Laune unterhalten, und an seiner Tafel herrscht Geschmack, Fröhlichkeit und Liberalität.

Garrow dient den jungen Rechtsgelehrten in England zum Beyspiel, wie wichtig es für sie sey, sich unter alle Arten von Menschen und Ständen zu mischen

und das Leben in allen seinen Verschiedenheiten und Schattirungen zu betrachten, denn hierdurch hat sich Garrow allein, oder doch hauptsächlich, zu seinem je= zigen Ruhme emporgeschwungen. Auch ist ihm seine frühe Uebung im öffentlichen Reden trefflich zu Statten gekommen. Er würde sich um die jüngeren Rechtsges lehrten seines Vaterlandes sehr verdient machen, wenn er ihnen seine Gedanken und Erfahrungen über das Zeus genverhör schriftlich hinterliesse.

Die Herzoginn von Devonshire
(aus den publ. Ch. 1805.)

Georgiana, Herzoginn von Devonshire, eine der würdigsten Frauen in England, stammt aus den bes rühmten Häusern Cavendish und Spencer, den beyden grösten Whigfamilien in England. Sie ist Urenkelinn des berühmten Herzogs von Marlborough und jezt Gattinn und Mutter von zwey geraden Abkömmlingen Wilhelms, des vierten Grafen von Devonshire, durch den vornehmlich das Haus Braunschweig auf den brits tischen Thron gehoben wurde. Ihre Mutter, die vers witwete Gråfinn Spencer erzog sie selbst, und Lady Georgiana ließ von ihrer frühesten Jugend an den Sees lenadel und die Liebenswürdigkeit ahnen, wodurch sie unter ihrem Bolke so hervorragt. Von ihrem Mädchenalter an bis zu der Zeit, wo sie bey Hofe vorgestellt wurde, war alles neugierig, wen diese neue Grazie mit ihrer Hand beglücken würde. Endlich zog der junge Herzog von Devonshire dies große Loos.

Sie hatte sich kaum in der großen Welt gezeigt, als sie schon den Ton unter den Brittinnen angab. Bis zu ihrer Zeit legten die Frauen ihre Kleider mit Aengstlichkeit und Zwang an die Herzoginn von Devonshire

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