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Die Zimmer des festen Landes haben, gegen die englischen gehalten, oft ein helleres und fröhlicheres Ans hen, weil dort die Fenstergardinen gemeiniglich weiß find. In England hat man zwar die weißen Vorhånge auch gern, doch werden sie häufiger auf dem Lande als in der Hauptstadt gefunden. Der Steinkohlenrauch wird, wie bekannt, allem Weißzeuge in London sehr nachtheilig. Man sieht daher in den meisten Vorderparlours, in denen man Fremde empfångt und speißt, selbst bey reichen Leuten, dunkelfarbige Gardinen bald von starker Seide, bald aus andern starken Zeugen. Gen genwärtig ist ein schöner dunkelscharlachner, sehr fester, Cammelott, mit schwarzen einfachen Figuren bedruckt, im Gange, wovon man die Gardinen dieser Zimmer macht. Es werden auch die Stühle der Parlours sehr oft mit diesem Cammelot überzogen, von welchem die Manufacturen große Quantitäten abseßen.

Man sieht in den englischen Concerten, fie feyen öffentlich oder in Privathäusern, wenig Musikalien, die nicht gebunden wåren; auch sieht man nicht viel geschries bene. Hat ein Stück einmal den Ruf erhalten, daß es mehrere zu besitzen wünschen, so wird es gleich gestochen, es sey so stark besetzt als es wolle. Beydes gründet sich auf den Hang des wohlhabenden Landes zur Bequemlichfeit. Man läßt vom Buchbinder auf die Schaale und den Rücken den Titel des Stücks drucken und kann also unter einem großen Vorrathe geschwinder seine Wahl treffen. Die Liebe zur Reinlichkeit und Nettigkeit ist auch dabey im Spiele, denn da die Musikalien von dem Tråger, z. B. in dem ungeheuren London, oft in große Entfernungen getragen werden müßen, so würden sie fich sehr bald abnußen oder schmutzig werden, wenn sie nicht gebunden wären. Daher befremdet es den Aus

länder anfänglich, wenn er in England bey Concerten von den Books reden hört, worunter man die Notenbůs cher oder die gebundenen Musikalien versteht. (Doch sagen die, welche nicht vom Handwerke find, richtiger Musicbooks). Jcht ist die englische Bequemlichkeit noch einen Schritt weiter gegangen, und hat sonach dem Kunsts. fleiße wieder etwas neues zu verdienen gegeben. Wenn die Gesellschaft bey einem Privatconcerte groß ist, und der Maum etwas zusammengeht, so bemerkte man, daß eine Menge Foliobånde mit den Musikstücken, während sie nicht gebraucht werden, sehr im Wege waren. Der bekannte Möblirer Oakley in Altbondstreet kam daher auf den Gedanken, die Musikpulte in der Mitte mit Bes håltnissen zu verfertigen, in welche man die Musikalienbücher vor und nach ihrem Gebrauche legen könnte. Diese Behältnisse sind blos aus etlichen Leisten von mits lerer Dicke verfertiget und bilden ein Geripp von einem Kasten, weil ein von allen Seiten vermachter Kasten für den beabsichtigten Zweck unnöthig wäre. Da man in diesen Kastenpulten die Notenbücher immer aufheben kann, so gewähren sie noch eine andre Bequemlichkeit. Nehme lich man kann Pulte und Musikstücke zu gleicher Zeit in das Zimmer und aus demselben tragen lassen, und ers spart solchemnach etwas von dem Hin und Herlaufen der Bedienten, ein Vortheil, der besonders beym Wegråumen in gedrängten Sålen nicht ganz zu übersehen ist. Dieses Pult ist für zwey Personen eingerichtet und von Mahagony gemacht. Kostet sechs Guineen.

Man wird doch diesen Bemerkungen über den eng= lischen Kunstfleiß, die höchstens Beyträge zur Geschichte der Sitten und Lebensart eines merkwürdigen Volks sind, nicht die Absicht unterlegen, daß sie zur Nachahmung reizen sollten? Andre Lånder, andre Lalente,

andre Mittel, andre Bedürfnisse. Was in England er laubt, oder gar heilsam und leblich ist, wäre in andern Låndern vielleicht schädlich und zu tadeln. Wel cher Deutsche, der sein Vaterland liebt, könnte wünschen, die unermeßliche Vervielfältigung der englischen Bedürf nisse über dem Canale einzuführen! In England aber, wo so ungeheure Reichthümer zusammen fließen, ist die Vermehrung der Bedürfnisse, oder mit andern Worten, die Ableitung dieser Reichthümer in viele tausend Candle der betriebsamen Volksclasse, wie man hundertmal bemerkt hat, eine wahre Wohlthat. Aus diesem Gesichtsz punkte wird man auch folgende Verbesserung anzusehen haben. In England macht man bekanntlich schon seit vielen Jahren eigene Kåsemesser, sie gleichen den Hohlmeisseln, und bev sehr großen Kåsen, wie die englischen, holländischen 2c. sind, haben sie wirklich viel Bequemes, da ein flaches Meffer auf demselben leicht abgleitet, und die linke Hand, womit man die Kåse halten muß, verz wundet. Aber wo es so ausnehmend viele Bequemlichkeiten giebt, wird man leicht verwöhnt, wie es die Engs lånder in diesem Stücke wirklich sind. Man kann sich eine reiche Engländerin denken, die vor dem Dessert den Kase ausstach und ihn an die Begehrenden austheilen ließ. Das ausgestochene Stück blieb in dem Hohlmesser hängen. Ist das nicht ärgerli h, rief sie aus, da muß ich allemal erst klopfen, oder eine Gabel zu Hülfe nehmen, ehe ich den Käse aus dem Messer kriegen kann; warum erfinden nur unsre Messerschmiede nicht bessere Käsemesser, bey denen man dieser Mühe überhoben ist ?“ Dies wurde einem erfindsamen Cutler wieder gesagt und gleich sann er auf die gewünschte Verbesserung. Die Frucht davon war das Kåsemesser mit einer Springfeder. Vermöge derselben kann man den ausgeschnittenen

Käse aus dem Hohlmesser auf den Teller stoßen, ohne dazu einer Gabel nöthig zu haben. Man findet diese cheeseknives with springs in allen guten Messerlåden. So erwächst bey reichen Völkern immer ein Bedürfniß aus dem andern.

Eben so ging es mit den Regenschirmen. Unsere Urgroßvåter segneten ihr Gestirn, daß sie in einem so kunstreichen Zeitalter gebohren waren, wo man Filz in Form eines Hures trug, wodurch sie allen Veränderuns gen des Wetters, selbst den größten Regengüßen Trotz bieten konnten. Aber der Hut wurde bald zu einem sehr theuren Artikel der Bekleidung, und erforderte wieder einen Regenschirm, so wie der Rock einen Ueberrod. Unter den Engländern ist der Lurus darin schon so weit gegangen, daß er bey jedem, der sich über den Pöbel erheben will, einen seidenen Regenschirm unerläßlich macht. Daß man die Regenschirme mit Spazierstöcken versah, ist eine Bequemlichkeit, die man in Deutschland lange kennt und nachgemacht hat. Damit sich der Stock nicht abnutzen möchte, mußte man ihm unten eine Zwinge geben. Recht gut; aber dabey ließ man es nicht be= wenden. Was für Knauserey ! sagte der Englische Lurus, warum sparen wir denn das Bißchen Meßing, und überziehen nicht damit das ganze Ende des Stocks, welches über den Schirm hinausragt, da es, wenn der Schirm geschlossen ist, beståndig mit dem Steinpflaster in Berührung kommt? Man that auch dies, und freylich sieht die meßingene Spiße schöner aus, als eine kleine Zwinge. Wiewohl solchemnach der Regenschirm wieder um etliche Schillinge erhöhet war, so wollte doch in Kurzem niemand mehr einen Schirm ohne eine lange meßingene Zwinge haben, so daß jetzt nur der Pöbel andre trägt. Ich möchte aber gern noch etwas Besseres

haben, sagte ein Reicher : die gelblich überfirnißten Stöɗe an den Regenschirmen sehen mir zu gemein aus. Man nahm also Ebenholz zum Stocke des Schirms. Eine neue Steigerung im Preise. Diesen Winter gehen die umbrella makers wieder einen Schritt weiter. Sie filberplattiren die ganze lange Zwinge, und geben dem ebenholzenen Griffe ein filberplattirtes Beschläge und zwey silberplattirte Dehre für das Stockband. Nun läßt der Regenschirm erst schön! allerdings, aber um wie viel theurer ist er dadurch geworden? Pah! das ist eine deutsche Frage.

Unter den Neuigkeiten, welche die Töpfereyen aus Staffordshire versendet haben, sieht man ein Service für die wohlhabende Volksclaffen, welche viel Gefallen daran finden. Es ist wie die lehthin erwähnten Biers krüge mit einer feinen mahagonyfarbnen Glasur überzos gen, und mit goldnen Råndern verziert. Das inwendige Weiß, wenn es auch nicht sehr vorzüglich ist, sticht angenehm dagegen ab. Bey Goldcutt, 21. Kingsstreet, Coventgarden.

Die Londner Putzmacherinnen haben bey den Verfaffern der Modejournale Einfluß genug gehabt, eins gerückt zu bekommen, daß die Castorhüte bey den Frauenzimmern ganz aus der Mode wåren, und daß jede modische Frau Sammetmüßen trüge. Das ist einer von den Kunstgriffen des Brodneides: aber es thut keinen großen Schaden; denn Castorhüte sind eine so råthliche, so pußende und bey der Englischen Witterung so unentbehrliche Tracht, daß ihnen die Beliebtheit des Sammets schwerlich einen bedeutenden Nachtheil bringen wird. Daher gedeihet dieser große Zweig der Englischen Industrie heuer so gut, wie immer. Die Mode der Spanischen Hüte, jezt in London die herrschende, ist

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