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Hauptstadt, oder einen Hafen, oder einen großen Stas pelort zu ihrem Vertriebe, ihrer Ausfuhr und ihrem Ume satzendthig haben, zum Beyspiel, Porter, Englische Weine, Essig, raffinirter Zucker, Seife und dergleichen. Nichts kann über die Schönheit einiger der ersten von diesen Waaren gehen, und der Werth der letztern beträgt sehr große Summen.

- Die öffentlichen Landstraßen, welche aus und nach London führen, sind gewiß werth, von Reisenden besonders beobachtet zu werden. Es befremdet den an London gewöhnten Engländer, wenn er auf Reisen geht und in dem Umkreise großer Stådte so wenig Wagen und Leute sieht. Vor London stößt man unaufhörlich auf solche Gegenstånde; vor Paris trifft man nur zufåls ligerweise in den Umgebungen Wagen und Reisende zu Fuß. In Paris selbst und auf den Boulevards ist dvs Gedränge zwar stårker; aber es kommt schlechterdings und niemals nur von weitem dem Gewühle bey, wels ches man wenigstens während drey Viertheile des Jahres täglich in London sieht.

Die großen und kleinen Schiffe, welche in den Has fen von London einlaufen, übertreffen an der Zahl die Schiffe aller andern Städte in England und vielleicht in der Welt; mithin muß das Ausladen dieser Schiffe das Gedränge der Einwohner sehr vermehren. Die Miethwagen in London sind sehr zahlreich, aber die Equipagen noch viel zahlreicher, und die Anzahl der Karren, welche Erlaubnißscheine lösen, der vierråderis gen Wagen und anderer Gefährte, die man in London und den umliegenden Gegenden braucht, und die, Kraft einer Parlementsacte, registrirt werden müssen, betras gen an 30,000, wiewohl fich die genaue Zahl nicht bestimmen läßt.

Einfluß des Handels auf die Sitten. Die Engländer sind von andern Völkern sowohl, als von ihren eigenen Landsleuten als ein Volk gebrand. markt worden, welches durch den Handel herabgewürs diget würde. Da es kein ungemischtes Gut oder Uebel gibt, so ist es vielleicht wahr, daß ihre Sittlichkeit durch diese Ursache etwas gelitten haben mag, aber es läßt sich auch klar beweisen, daß sie dadurch viel ges wonnen hat. Die Engländer haben nicht nur die Fähig keit sondern auch den Entschluß, gerecht zu seyn, erwors ben, und wirklich ist der Wunsch ohne die Kraft alles zeit ohne Wirkung gewesen: arme Völker und Personen sind niemals so uneigennützig als reiche, weil sie es nicht seyn können. Wenn die Engländer auf Reisen sind, zeichnen sie sich so sehr durch ihre Wohlthätigkeit und Freygebigkeit aus, daß es zum Sprůchworte ge= worden ist; und ihre öffentlichen milden Stiftungen zu Hause sind so zahlreich, daß sie niemand wird leugnen wollen.

Der Englische Character wird im Auslande so geschäßt, daß ein Engländer mit leichter Mühe Credit erhält, obschon es dort nicht gewöhnlich ist Credit zu geben. Im Lande selbst trauet ein großer Kaufmann dem andern so sehr, daß er ihm zuweilen Wechsel auf viele tausend Pfund gibt, ohne einen Empfangschein zu verlangen, denn der, dem sie eingehåndiget worden, weiß so gut was seinem Credite zuträglich ist und hat eine solche Achtung für denselben, daß er lieber sein Les ben einbüßen als einen Betrug begehen würde, weil er versichert ist, daß eine solche Handlung nicht nur un- redlich, sondern ihm auch schädlich seyn würde. Einem Brittischen Kaufmann gehen täglich viele Tausende mit weniger Behutsamkeit und sogar mit weniger Gefahr

durch die Hånde, als eben so viele Livres im Auslande. Ehrlichkeit ist daher zur politischen Angewöhnung ges worden, welche von den großen Kaufleuten ausgeht, aber sich durch alle Stände verbreitet. Hierdurch ge= winnt die Sittlichkeit nicht wenig: Leute, die es ihrem allgemeinen Interesse zuträglich finden, ehrlich zu seyn, haben einen größern Fortschritt in der wahren Weisheit gemacht, als sie vielleicht selbst glauben. Der Handel führt viele selbstsüchtige und mithin schädliche Neigungen im Gefolge mit sich: aber er hat den großen Vortheil, die Menschen durch Erfahrung von der Wahrheit des göttlichen Grundsaßes zu überzeugen, daß Ehrlichkeit die beste Klugheit ist. Sind diese Bemerkungen gegründet, so laffen sie sich mehr auf die Stadt London als auf irgend einen Theil von England, oder vielleicht der Welt anwenden; denn diese åchte Klugheit wird in der Englischen Hauptstadt nicht nur am meisten ausgeübt sondern leitet auch ihren Ursprung vornehmlich aus derselben her.

Anekdoten.

In der Rechtsgelehrsamkeit aller Länder sieht man mit åußerster Strenge auf die Deutlichkeit; man umschreibt und bestimmt, bis alles, was doppeldeutig werden könnte, weggeräumt ist. In England wird desto. mehr darauf gehalten, weil bekanntlich die Achtung für die Gesetze so weit geht, daß man sich pünktlich an den Buchstaben hålt, wenn auch ein Vergehen nach dem Geiste eines Gesetzes bewiesen seyn sollte. Zuweilen aber bes ruhet die Entscheidung einer Reichssache auf einem zweis felhaften Worte, welches dann die scharfsinnigsten Erklårungen veranlaßt. Vor Kurzem wurden die Herren Stevens und Agnew, gewesene Beamten der Ostindischen

Compagnie, beschuldiget, daß sie sich mit einem Lak Rupien von einem Rajah in Ostindien håtten bestechen lassen, welches nach einem ausdrücklichen Gesetze Ers pressung genannt wird. Nicht weniger als vier Sachwalter, und zwar die allerberühmtesten, nehmlich der Generaladvocat, Erskine, Garrow und Abbot waren von Seiten des Königs wider die Uebertreter. Aber dies sen allen setzte sich der geschickte Dallas, Vertheidiger des Beklagten entgegen. Die Klage lautete, daß Stevens und Agnew ihr Amt vom 26. September bis zum 29. Nov. verwaltet, und daß sie während desselben, nehms lich am 29. November die gedachte Bestechung anges nommen hårten. Nein, erwiederte Dallas, fie waren bis zum 29. Nov. Beamte, aber nicht mehr am 29. Nov., dieser Tag ist ausgeschlossen, sie nahmen das Geschenk am 29sten, also einen Tag, nachdem ihr Amt aufgehört hatte. Er brachte eine Menge Beyspiele vor, um zu beweisen, daß das Wort bis den Tag aus, schlöße, in welchem Sinne es mit zu gleichbedeutend sey. Hier fragte der Generalsachwalter den Herrn Dallas, wenn er ihn zum Essen einladete, ob er wohl glaubte, das Essen sey davon ausgeschlossen und er müße fortgehen, wenn die Gerichte auf die Tafel ges bracht würden? Hierauf führte er seiner Seits viele Beyspiele an, daß in bürgerlichen Verträgen das Wort bis den Tag mit einschlöße; er wandte dieß auf, den vorliegenden Fall an und hielt dafür, es sey sonnenklar, daß die Beklagten am 29. Nov. noch im Amte gewesen wåren. Erskine wollte die Sache noch mehr ins Licht setzen durch den bekannten Vers eines Englischen Dichters :,,So keusch wie Eis bis an den Hochzeittag.“ Darauf antwortete Dallas, er könne von seiner Meynung nicht abgehen, daß bis den Tag ausschlöße, und

er hoffte seinem gelehrten Collegen andre Beyspiele ents gegen sehen zu können, wenn er sich zum Beyspiel die Freyheit genommen, den Herrn Generalsachwalter zu Gaste zu bitten, und, da er wisse, wie sehr kostbar seine Zeit wäre, gesagt hätte, er brauche nicht cher zu koms men, als bis es Essenszeit sey, so würde der gelehrte Herr es für einen sehr schlechten Scherz halten, wenn er ihn nicht eher rufen ließe, als bis das Essen vorüber wåre, und wenn er sich denn mit dem Grunde des ge= lehrten Herrn entschuldigte, daß bis zur Essenszeit das Gastmahl mit einschlöße, und daß folglich seine Einlas dung auf die Zeit gehe, wo die Tafel aufgehoben sey. Was aber seinen gelehrten Amtsgenossen Erskine betreffe, so sen dieser mit Anführung des Verses:,,So keusch wie Eis bis an den Hochzeittag" noch unglücklicher gewesen. Denn in den Rechten gålte kein Bruch bey der Zählung eines Tages, und also, wenn bis einschliessend wåre, so müsse die Braut den ganzen Trautag (bis Nachts um 12 Uhr) keusch geblieben seyn, welche Erklärung das Wort bis, besorge er, keine Braut *) zugeben würde; vor etlichen dreyßig Jahren, als H. Erskine geheurathet hätte, würde er den Vers ganz ans ders gedeutet haben. Die Sache schien so dunkel zu seyn, daß man die Entscheidung weiter aufschob.

In Edinburg trug sich folgendes zu, Ein Soldat,

*) Es ist bekannt, daß in den höhern Ständen in England der Trauungstag gewöhnlich sehr still hergeht. Das neus vermählte Paar wird ohne Störung allein gelassen, und fährt gemeiniglich gleich nach der Trauung aufs Land, wo der sogenannte Honigmonat gefevert wird. Bälle und ans dere Festlichkeiten folgen einige Wochen darauf. So gez schieht denn hier, was in Wilh. Meisters Lehrja hre (III. 130.) für verständig und rathsam gehalten wird.

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