Page images
PDF
EPUB

Colquhoun hat ein großes Buch geschrieben, um zu beweisen, daß die Polizey von London ihren Zweck nicht erfüllt. Was er doch wohl aus London machen würde, wenn er seine vielen Polizeybedienten nach Gefal len vertheilt, und seine Centralpolizeyanstalt in dem Herz zen der Hauptstadt angelegt håtte? Dem verständigen Beobachter machen zwey Dinge das größte Vergnügen: der geringe Zwang der Polizen und die allgemeine gute Ordnung, die einander wechselseitig erläutern. Ein paar alte Männer, die mit einem Stabe, einer Klapper und einer Laterne versehen sind, und Nachtwächter genannt werden, sind die einzige Bewachung in der Nacht wider. Raub; und etliche Magistratspersonen und Polizeybeams. ten die einzigen Personen, welche verpflichtet sind, Râuber zu entdecken und zu bestrafen; dennoch unterstehen wir uns zu behaupten, daß keine große Stadt, nach Verhältniß ihres Handels, ihres Lurus und ihrer Bevölke rung so frey von Gefahren für diejenigen ist, welche zu jeder Stunde durch die Gassen gehen, oder daß in keiner vergleichungsweise. so wenig heimliche und öffentliche Diebstahle vorfallen. Dies ist schlechterdings ein Phånomen in London, und läßt sich nicht aus Polizeysyste= men erklären, sondern fließt aus der glücklichen Vereini gung moralischer Ursachen her, deren hauptsächlichste die herkömmliche Freyheit aller Stånde in England ist, wels. che selbst der årmsten Classe eine Liebe zur Ordnung und eine Neigung, das Brod, welches sie ißt, durch Fleiß zu erwerben, tief eingeflößt hat.

Das arbeitende Volk in London ist ausnehmend fleißig, und insgemein mit wenigem zufrieden. Wenn man die Fälle ausnimmt, wo lange Krankheit den Bater einer Familie heimsucht, da denn der Arbeitslohn nies mals hinreicht, und wo theure Zeiten Verwirrung und

Noth herbeyführen, sind der Anzug, das körperliche Wohlbefinden und die Sitten der arbeitenden Volksclasse hinlängliche Beweise, daß sie weder tråge noch liederlich ist. Dasselbe darf man von den niedrigsten Ladenhånd: lern sagen, die wegen ihres gewöhnlichen Verdienstes. mit dem arbeitenden Volke in eine Classe gestellt werden können. In einer großen Stadt, die einen solchen Handel, solchen Reichthum und eine solche Volksmenge hat wie London, wäre es kindisch, wenn man erwarten wollte, daß unter dem arbeitenden Volke keine Diebe, und unter den årmsten Ladenhåndlern keine Hehler und Verkäufer gestohlner Waaren seyn sollten; wenn man aber den Character dieser Classe der Londner Einwohner. mit den Ausnahmen verwechselt, so heißt dies ohne Beurtheilung verfahren. Männliches und weibliches Gefinde in schlichten rechtlichen Familien kann ebenfalls und. mit gleich gutem Rufe in die obige Classe gesetzt werden.

Die Londner Straßen sind besser gepflastert und besser erleuchtet, als die Gassen aller andern Städte in Eus ropa. Es befinden sich Lampen an beyden Seiten der. Straße, und zwar so, daß man im Durchschnitte Eine Lampe auf drey Thüren rechnet. Die Wirkung, welche: diese doppelten Lampenreihen haben, ist in vielen Straßen: ausnehmend gefällig: Orfordstreet und Bondstreet sind auffallende Beyspiele hievon. Wir haben wenige Raus bereyen in den Straßen, und sehr selten einen nächtlichen Mord. Dieser letzte Umstand gründet sich auf die Guts. müthigkeit des Volks, denn wiewohl es unter den nies drigsten Stånden nicht an Verbrechen fehlt, so fallen doch hier seltener Mordthaten, als in allen andern Låndern, vor. Indessen ist es sonderbar, daß an einem Orte, wo man die Polizey so geschickt eingerichtet hat, unsre Nachtwächter meistens alte untüchtige Leute sind

die kaum Stärke genug besitzen, die Raffel zu drehen, welche bey schnellen Ereignissen ihr Nothsignal ist. Jes doch macht es den Sitten des Volks und dem Nationalcharacter Ehre, und zeigt, daß die Tapfern allezeit wohls wollend sind, wenn wir überlegen, daß zu einer Zeit, wo fast alle Reiche die Schrecknisse des Mordens und die Frevel der Anarchie darstellten, wo Blut das Panier der Freyheit befleckt, und das långsibegründete Völkerrecht befudelt hatte, indem es die Freyheit umstieß, welche es errichten wollte, diese Insel den Thron der Vernunft bes hauptete, welcher auf der festen Basis des Genies, der Tapferkeit und Menschenliebe errichtet ist.

-Das Magdalenenhospital wurde 1758 eröfnet. Während es besteht, sind mehr als zwey Drittel der Frauenzimmer, die man aufnahm, mit ihren Verwandten ausgesöhnt, bey ehrlichen Beschäftigungen angestellt oder bey rechtlichen Leuten in Dienste gethan worden. Eine sehr beträchtliche. Anzahl ist seit der Zeit verheurathet, und gehört jezt zu den achtungswerthen Mitglie dern der Gesellschaft. Dürfte man ihre Nahmen und Umstände entdecken, welches aus leicht zu ermessenden Ursachen höchst ungeziemend wåre, so würde der große Nuhen dieser milden Anstalt im stårksten Lichte erscheinen.

Bey ihrer ersten Aufnahme schickt man die Mädchen. in einen Probesaal der Anstalt, und man trennt sie nach ihrer verschiedenen Fähigkeit und Beschaffenheit. Jede Classe ist einer besonderen Aufseherin übergeben, und die ganze Stiftung steht unter der Aufsicht einer Matrone. Diese Trennung, welche in mancher Rücks sicht nüßlich ist, wird es besonders für eine zahlreiche Classe von Frauenzimmern, die sehr zu bedauern sind, und denen diese Stiftung große Vortheile gewährt hat, nehmlich denen, die man durch ein Versprechen, sie zu

ehelichen, verleitete von ihren Verwandten zu entlaufen, und die dann, von ihren Verführern verlassen wurden. Sie haben sich niemals öffentlich Preiß gegeben, sondern Füchten in das Magdalenenhaus, um es zu vermeiden. In den ersten Augenblicken des Unwillens wollen ihre Anverwandten sie nicht wieder aufnehmen, beschützen, oder anerkennen; sie werden von der Welt ohne Ruf, ohne Freunde, ohne Geld, ohne Hülfsquellen, verlass sen, und ihre Lage ist wirklich höchst elend. Solchen öfnet dieses Haus besonders seine Thüren weit; und ans statt durch Verzweiflung genöthiget zu werden, Hand, an sich selbst zu legen und das Verbrechen des Selbstmords. zu dem, welches die Ursache ihrer Noth ist, hinzuzufügen, oder durch den mächtigen Drang des Hungers zur Entehrung ihrer Personen gezwungen zu werden, fine den sie in dieser Wohnung des Friedens und Nachdens; kens einen sicheren und stillen Zufluchtsort.

Wenn Frauenzimmer in dieses Hospital aufgenom men werden, verfährt man auf folgende Art. Der ers ste Donnerstag in jedem Monate ist Aufnahmetag. Es stellen sich dann zuweilen zwanzig bis dreyßig Suppliz canten, die nicht die mindeste Empfehlung haben, sons dern blos an die Thür zum Schreiber gehen, und von ihm ein Formular der Bittschrift umsonst erhalten, worauf sie dann ihren Namen, ihr Alter und was sonst erforderlich ist, schreiben. Jede Bittschrift ist beziffert. Sie werden einzeln vor den Ausschuß gefordert, wo man ihnen dann solche Fragen vorlegt, aus deren Beantwortung sich urtheilen läßt, ob es ihnen init ihrem Versprechen ein Ernst ist, und ob sie die Wahrheit ge= sagt haben.

Man behandelt sie hier auf das sanfteste. Sie werden in den Grundsåhen der chriftlichen Religion,

im Lesen, in weiblichen Arbeiten und in den manchers len Zweigen der häuslichen Verrichtungen unterweisen, damit sie zum Dienste, oder in andere Lagen passen môgen, wo sie ihren Lebensunterhalt ehrlich erwerben köns nen. Der Caplan besucht sie täglich, um ihre guten Ents schlüsse zu befördern und sie zur Religion und Tugend zu ermahnen.

Nach Befinden der Umstånde bleiben sie bald lån gere, bald kürzere Zeit im Hause. Man gibt sich alle Mühe, ihre Anverwandten zu erfahren, eine Aussdhnung zu bewerkstelligen, und, wenn es ordentliche Leute find, fie unter den Schuß derselben zurückzubringen. Haben aber die Mädchen keine solche Verwandten, so behält man sie im Hause, bis sich eine gute Gelegenheit findet, ihnen einen Dienst bey rechtschaffenen Leuten auss zumitteln, oder sie sonst in Umstände zu versetzen, wo sie sich selbst ernähren können. Kein Frauenzimmer, das sich während seines Aufenthaltes im Hause wohl betras gen hat, wird, ohne eine Versorgung zu erhalten, fortges schickt. Wenn man sie entläßt, sind sie meistentheils noch nicht zwanzig Jahre alt.

Eine der menschenfreundlichsten Gesellschaften in London ist die, welche Personen aus dem Gefängnisse befreyet, die um kleiner Schulden willen eingesetzt worden sind. Sie wurde 1772 gestiftet und das Publikum sah die Wohlthätigkeit des Unternehmens so sehr ein, daß es häufige Beytråge gab, und daß man schon funf» zehn Monate nach der Stiftung 986 Gefangene auf freyen Fuß sehen konnte. Viele von ihnen waren blos fest genommen worden, weil sie nicht im Stande gewes sen waren, Gebühren zu bezahlen! Diesen gehörten 566 verheirathete Frauen und 2389 Kinder an, zusammen

Engl. Miscellen XVII. 2.

« PreviousContinue »