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geringste Kenntniß zu erhalten, daß es solche große Ges bäude in London giebt.

Die Landstrassen, welche nach London führen, sind meistentheils sehr weit, wohlgehalten und bis auf eine große Entfernung so gut mit Lampen erleuchtet, daß Ausländer, die des Nachts ankamen, geglaubt haben, es sey eben eine allgemeine Erleuchtung: aber an den åuffersten Enden der Stadt sind sehr viele schlechte Straffen und Gäßchen, die bey Ausländern nur sehr irrige Bez griffe von der wahren Pracht dieser Hauptstadt erregen können.

London besitzt größere architektonische Schönheiten, als Ausländer demselben zugestehen wollen, obschon viele verborgen liegen, wenn man sie nicht aufsucht: da aber die großen Unkosten und die herrschende englische Sitte verursacht haben, daß man die Häuser aus Backsteinen, und gewöhnlich nach einem eingeschränkten Maasstabe baut, so sieht man hier selten diejenige Art von Pracht, welche aus großen gehauenen Steinen und hohen Gebäus den entsteht; man beschuldiget London daher sehr unübers legterweise, daß es in seinen Gebäuden verächtlich sey. Der Engländer findet vornehmlich sein Vergnügen daran, wenn er innerhalb seiner Familie frey von Unterbrechung, Zwist und Zudringlichkeit leben und Wohnzimmer haben kann, die reinlich und warm, ihren verschiedenen Zwecken angemessen, und in jeder Rücksicht bequem find: dies zu, bewirken, wendet der Baumeister alle seine Geschicklichkeit an. Selbst in den Wohnungen der Vornehmen und Reichen ist Pracht selten mehr als eine Nebenabsicht. Daß man also mit Backsteinen, jedoch auf eine Art baue, die nicht Jahrhunderte dauert, ist hier besonders noth wendig, und würde in Wahrheit überall seinen Nüßen haben, denn man fållt immer auf Verbesserungen, woz

durch die Bequemlichkeit gewinnt. Eitelkeit und Pracht mögen daher im Auslande noch so sehr prahlen, es giebt keine Stadt in der Welt, deren Bewohner so viel von den Vortheilen gehießen, welche die Architektur gewähren kann, als die Einwohner von Loudon. Völker, welche Pracht und Vomp dem Genuße geselliger Gemächlichkeit und der bequemen Erfüllung geselliger Pflichten vorziehen, müss sen die Gebäude von London zu dessen grösten Fehlern rechnen; aber Wahrheit und gesunder Verstand werden sie für eine ihrer characteristischen Segnungen halten.

Der ursprüngliche Plan und Bau von London fals len in ein Zeitalter, wo man enge Straßen vermuth lich zur Sicherheit nöthig helt, weil sie sich leichter ges gen einen Feind bewachen lassen, da man sie einst in ganz Europa fand. Der Gemeingeist, welcher jeht diesem Uebel scheint abhelfen zu wollen, kann nicht zu sehr gepriesen werden.

Was aber einen wesentlichen Theil von dem allges meinen Character einer Stadt ausmacht, ist, daß sie ihrer Lage nach zur Gesundheit und Wohlfahrt der Eins wohner beytrage. Hierin ist London besonders glücklich. Es erstreckt sich an der Themse hin, welche sich hier so windet, daß ihr Waffer zumHandel, zur Verschönerung und zur heilsamen Lüftung der Stadt so viel als mögs lich beyträgt. Dieser Fluß ist zwar bey weitem nicht der gröfte, soll aber zum Handel bequemer seyn als die meisten andern. Er ist zu allen Jahrszeiten mit Flotten angefüllt, die von allen nahen und fernen Weltgegenden unaufhörlich zurück kommen, oder dorthin abreisen. Obgleich London sechzig Englische Meilen von der See liegt, so genießt es doch vermittelst dieses schdnen Flußes alle Vortheile der Seeschiffahrt ohne die Gefahr zu laufen, daß fremde Flotten es überraschen,

und ohne dem Nachtheile der feuchten Seeausdünstungen blos gestellt zu seyn. Es erhebt sich regelmäßig vom Flußufer und dehnt sich von Often nach Westen am nördlichen Ufer in einer Art von Amphitheater aus; es schliessen sich dann an dasselbe in jeder Richtung fast zwanzig Englische Meilen im Umkreise lauter volkreiche drfer, Landsitze der reichen Kaufleute und Laden= håndler und die prächtigen Schlößer des Adels.

London ist von Hyde park corner bis nach Poplar über heben Englische Meilen lang, außer den Häusern, welche an jeder Seite die Hauptstraßen etliche Meilen weit in jeder Richtung einfassen, so daß Fremde oft glauben, fie seven schon in London, wenn sie noch viele Meilen zu reifen haben. Die Breite der Stadt ist unregelmäßig, indem sie da, wo sie am engsten ist, sich wenig mehr als eine halbe Meile ausdehnt, und am breitesten Theile fast vier Englische Meilen. Der Erdboden besteht vornehmlich aus Kies, der an einigen Plätzen mit Thon vermischt ist. Luft und Clima find einem schnellen Wechsel unterworfen, der übrigens so gemåßiget ist, wie nur irgendwo. Aus diesen und manchen andern Umstånden kann wan sich es erklären, daß London vermuthlich die gesundeste Hauptstadt in Europa ist.

Die Fluth geht funfzehn Meilen über London hinauf, aber das Wasser der Themse ist in keinem Theile der Stadt salzig und der natürliche Strom des Flußes ist süß und rein. Der Fluß wird durch Uferdåmme ins nerhalb seines Bettes gehalten; man schätzt im Durchschnitte seine Breite während der Ebbe auf eine ViertelMeile; feine Tiefe an seichten Stellen auf vier Klafter und an andern bis auf zwanzig: während der Fluth

und noch mehr zu Springzeiten, wächst das Wasser höher an.

Die Hauptstraßen sind weit und haben einen freyen Durchzug der Luft. An Bequemlichkeit für den Hans del und für Fußgånger besitzen sie Vortheile über alle ans dere Städte in Europa. In der Mitte sind sie für das Fuhrwerk sehr fest gepflastert und erheben sich conver, damit das Wasser zu beyden Seiten in zwey Canålen abfliessen kann für die Fußgånger sind Fußbänke aus breiten Quadersteinen gemacht und ein wenig über die mittlere Straße erhaben. Unter dem Pflaster befinden sich große gewölbte Abzüge oder Cloaken, welche mit jes dem Hause durch kleinere Abzüge und mit jeder Straße durch bequeme Defnungen und Roste zusammenhängen, damit auf diese Weise aller Unrath in den Fluß abges führt werde. Außerdem werden Gassenkehrer bezahlt. Die mehresten großen Straßen, in welchen sich Läden befinden, haben ein sehr reiches und glänzendes Ansehen. Man hat berechnet, daß London etwa 8000 Stras ßen, Gåßchen und Höfe, 60 offene Plåße und 160,000 Häuser, Niederlagen und andre Gebäude enthält. Lons don hat eine Menge Märkte für Lebensmittel. Es ist unnöthig hinzu zu setzen, daß man hier fast alles Käuf liche für Geld haben kann.

Viele Häuser in London find nach Einem Plane gebaut und bestehen aus drey bis vier Stockwerken über der Erde und einem Kellergeschoße. In jedem Stock werke ist vorn ein großes Zimmer, hinten ein kleineres und die Treppe. Dies gilt blos von dem grösten Theile der Häuser. Die Wohnungen des Adels und der Reichen find zwar von außen insgemein einfach und schlicht, has ben aber geräumige und schöne Zimmer. Das Wasser wird vermittelst bleyerner Röhren dreymal die Woche

fast in jedes Haus geleitet, wo es in Cisternen oder ans dern Behältern immer so häufig vorhanden ist, daß es den Einwohnern niemals daran fehlt. Nichts geht über die Bequemlichkeit und Reinlichkeit in dem Innern der Privathauser; eben das kann man mit wenigen Ausnahmen von den Hotels, Lavernen und Kaffeehaus sern sagen. Die Hauptstraßen folgen der Richtung des Flußes und laufen von Abend nach Morgen; die mehresten Quergaßen von Norden nach Süden.

Große Städte haben immer mit einander gewetts eifert, welche die meisten Einwohner besite. Große Bevölkerung ist zwar an sich kein Uebel, weil hauptsächs lich aus dieser Quelle alles, was groß und gut unter den Menschen ist, fließt. Aber sie wird ein Uebel, welches kaum alle ihre Vortheile aufwiegen können, wenn eine große Volksmenge in einen ungeziemend engen Ums fang beschränkt wird. Die Stadt, welche mit einer andern von gleicher Ausdehnung um größere Volksmenge streitet, streitet um ein Unglück.

London ist, nach seinem Umfange, weniger als viele andre große Städte bevölkert. Die Straßen sind weiter und die Einwohner aus allen Stånden, ausgenommen die vornehmsten, haben mehr Raum für sich und ihre Familien, als denselben Classen gewöhnlich in fremden Ländern zu Theil wird. Nicht allein der große Kaufmann, der reiche Großhåndler, und Leute, die zu den ans geseheneren Stånden gehören, bewohnen alle ein ganzes Haus, sondern auch die meisten Ladenhåndler der mitts leri Classe und sogar einige der niedrigsten haben Haus ser für sich selbst, obschon viele einen Theil derselben vermiethen. Diejenigen großen Städte ausgenommen, deren Schranken durch Gärten ausgedehnt werden, ges

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