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auf denselben fortkommen kann. Eine Lage Schnee über der andern vom Frost erhärtet, bildet eine ebenere und für den Fußgänger angenehmere Oberfläche, die zuweilen mehr als eine Elle hoch über die Pflastersteine erhaben ist. Man wird nicht mehr von dem verdrießlichen Geräusch der Wagenråder betäubt; sondern an ihre Stelle tritt das Geläut der Schellen, womit sie ihre Pferde vor den Schlitten behången. Man sieht nun keine andere Råder in Stockholm, als an Karren, womit die Bez dienten der Familien Pumpwasser in Fässern hohlen. Dieser Karre mit dem Fasse fiel mir allezeit als ein sehr ungewöhnlicher Gegenstand auf; ja ich gab mir fogar die Mühe, ihm nachzufolgen, um das seltsame Gewand, worein ihn die Kälte gekleidet hatte, und besonders um die mannigfaltige und possierliche Dra perie, womit die Råder bedeckt und verziert waren, nåher zu besehen. Für einen gebohrnen Italiåner war dieses Fuhrwerk mit allem seinem Zubehör ein sehr sonderbares Schauspiel. Das Pferd war gleichsam in einen Mantel von weissem Flaum eingehüllt, der unter der Brust und dem Bauche mit Spißen und Büscheln von Eis verbråmt war. An der Nase und dem Munde hatte es Tropfzierrathen von derselben Art, deren manche einen Fuß lang waren. Der Bediente, welcher den Karren begleitete, hatte einen Ueberrock an, der mit einer gediegenen Eismasse überzogen war. An seinen Augenbraunen und seinem Haar klapperten die Eiszapfen, welche die Kålte aus seinem Athem. bildete. Manchmal war das Wasser in der Pumpe ges froren, so, daß man es durch Hineinsteckung eines glühenden Eisens wieder aufthauen mußte.“

Wenn man zu dieser Jahreszeit Waaren oder andre Sachen in der Stadt von einem Orte zum an=

dern schafft, so geschieht es in kleinen Schiffen, die man vielleicht nirgends als in Stockholm findet. Wes der Manns noch Weibspersonen tragen etwas auf ihs ren Köpfen oder Schultern, sondern nehmen diese Schlitten dazu, welche sie vor sich hinschieben. Kommen sie an eine Jähe, so stemmen sie sich mit der lins ken Hüfte und dem Schenkel auf den Schlitten, und gleiten bis auf den Boden mit einer Schnelligkeit hinab, die dem Ausländer eben so erstaunlich als gråßlich vorkömmt, während sie die Bewegung des Schlittens mit ihrem rechten Fuße regieren. Sie nehmen sich so ge= schickt dabey, daß man, ohne es gesehen zu haben, sich kaum einen Begrif davon machen kann. Nimmt man hierzu noch den Anblik so vieler und verschiedener Pelze und Wildschuren, so kann man sich einbilden, wie auffallend die Straßen von Stockholm im Winter einem Fremden, vornehmlich einem europäischen Südländer, erscheinen."

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Im Winter des Jahrs 1799 sah ich in Stockholm ein Schauspiel von sehr ausserordentlicher Art, derglei chen ich vermuthlich nie wieder sehen werde. Ein Zukkerhaus in der Vorstadt, gegen Mittag von Stockholm, gerieth in Brand. Da das Unglük alsbald durch die Abfeurung des groben Geschüßes angekündiget wurde, fo eilten die Feuerspritzen hinzu, den Besitzern beyzuste hen. Der Winter war so scharf, daß es keinen einzis gen Ort in der Nähe gab, wo das Wasser nicht eine Elle tief eingefroren gewesen wåre. Man mußte das Eis mit Aerten und Hämmern aufhauen und das Wass fer wie aus einem Brunnen heraufziehen. Sobald man die Tonnen gefüllt hatte, musten sie in aller Eile forts gefahren werden, damit das Wasser nicht wieder eins fröre, welches dennoch mit einem Drittel desselben der

Fall war, ehe man es an den Ort bringen konnte, wo es gebraucht werden sollte. Um das Gefrieren, so viel es sich thun ließ, zu verhindern, rührte man es beståns dig mit einem Stocke um; aber auch dies half nur sehr wenig. Durch die vereinigte Wirkung vieler Spritzen, die eine Menge Wasser emporwarfen, wurde das Feuer endlich gedämpft; nichts als das Dach brannte ab; das Haus selbst wurde nur wenig beschädiget. Der Vorrath von Zucker befand sich in den oberen Stockwerken des Gebäudes, ingleichem viele Tonnen Syrup, welcher an den Seiten der Wände hinablief, da die Tonnen von dem einfallenden Dache zerbrochen wurden. Das Wasser, welches die Sprißen auf das Dach schleuderten, floß natürlich an den Wänden und Treppen hinab und suchte einen Weg durch die Fenster; es wurde aber in seinem Laufe von der Gewalt des Fros stes gehemmt. Als das Feuer schon geldscht war, ara beiteten die Spritzen noch einige Zeit fort und das Wasser, welches sie hinauftrieben, war fast sobald ge= froren, als es die schon mit Eis bedekten Mauern bes rührte. So bildete sich ein Haus von dem alleraußerordentlichsten Aussehen, das man sich nur einbilden kann. Es wurde für eine solche Merkwürdigkeit ges halten, daß jeder herzu kam, um es als etwas wuns derbares anzustaunen. Das ganze Gebäude war von oben bis unten mit einer dicken Eisrinde überzogen. Thüren und Fenster waren verstopft, und um hinein zu gelangen, mußte man sich mit Håmmern und Aerz ten eine Lefnung machen; man sah sich geudthiget eis ne andere Treppe in das Eis zu hauen, um in die obers ften Stockwerke zu kommen. Alle Gemächer sammt dem Ueberreste des Dachs waren mit langen Eiszapfen von mannigfaltiger Form und von gelblicher Farbe vers

ziert, da sie aus Syrup und gefrornem Wasser bestanden. Wenn die Sonne auf dieses Gebäude schien, so glich es gewißermaaßen den diamantenen Schlößern, welche die Einbildungskraft der Dichter schafft. Es blieb über zwey Monate in diesem Zustande, und jeder, , der einige Neugierde fühlte, besuchte es. Vornehmlich machten sich die Kinder ein herrliches Vergnügen das mit, und tragen nicht wenig zur Zerstörung des Zaus berschloßes dadurch bey, daß sie den Zuckertheilchen, welche dem Eise an vielen Orten einverleibt waren, nachspürten."

,,Wenn die Kålte in diesen Himmelsgegenden groß ist, so sind es auch die Mittel, die Wirkung der= selben abzuwehren, nach Verhältniß. Unter den euro påischen Oefen sind die schwedischen die zweckmäßigsten zum Heißen einer Stube und dieselbe mit sehr wenigem Holze warm zu halten. Freylich sind sie gefähr= lich, wenn man sie Fremden überläßt, die damit nicht umzugehen wissen; denn sie können dadurch, daß sie das Luftloch zur unrechten Zeit zumachen, einen zu großen Aufwand von Lebensluft verursachen. Aber die Schweden kennen den Augenblik genau, da man das Luftloch schließen muß, und man weiß in Schweden Beynahe kein Beyspiel, daß durch den Gebrauch der Defen Unglük entstanden wäre. Sie sind meistens so eingerichtet, daß sie in ihrem Aeußeren mit dem Aufputze und der Bauart des Zimmers, in dem sie sich bez finden, harmoniren. Es gehen eine Menge Röhren vom Ofen, nicht blos um den Rauch abzuführen, sondern auch um die erhihte Luft, die damit vereint ist, durch die Stube zu verbreiten. Es ist wahr, man muß, um der Schärfe des Winters in Stockholm zu widerstehen, ein ganzes Kleidermagazin beym Ausgehen mit

fich herum tragen; jedoch hålt man dies für keine Uns bequemlichkeit, sobald sie zur Gewohnheit worden ist. Ich hatte oft meine große Lust gehabt, wenn ich einen Schweden, ehe er ins Zimmer trat, sich der Wildschur, des Ueberrocks und der Ueberschuhe entledigen und sie im Vorzimmer lassen sah. Die Winterhülle von zehn Personen kann eine große Tafel belasten. Ich kannte Jemanden, dem die Wildschuren nicht gefielen; er zog dafür zwey Ueberröcke übereinander an. Er hatte also zehn Stück in dem Vorzimmer zu lassen: zwey Obers rdce, vier Handschuhe, (denn er trug zwey Paar) eis nen Stok und einen Hut. Man muß ein gutes Gedächts niß haben, um beym Abschiednehmen keine von diesen Sachen zu vergessen. Wenn man im Winter irgendwo hin zu Fuße gehen oder aus dem Wagen steigen muß, um nur eine ganz kleine Strecke zu Fuß zurückzulegen, so trågt man große, mit Pelz oder Flanell gefütterte Courierstiefeln, und in denselben Schuhe und weiße Strümpfe; die Stiefeln zieht man im Vorzimmer aus. Mit solchen Stiefeln und einer guten Wildschuhr kann man der åußersten Kålte Troz bieten.

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Die Schweden sind nicht so sehr für theatralische Vorstellungen eingenommen, als andere Völker. Gustav III. war der erste, der ihnen einen Geschmak dar= an beyzubringen suchte. Man erzählte mir, sagt Herr Acerbi, eine Anecdote von einer berühmten Schaus spielerinn, die unter der Regierung Gustavs des III. an einem der königlichen Theater stand. Der Vorfall mahlt diesen Monarchen einigermaßen und ist zugleich eine Probe des Selbstdünkels, den das eitle Theaters völkchen durch die Herablassung des Königs aufges muntert, zu äußern wagte. Die erste Actrize beym Nationaltheater war eine Dáninn, mit Namen Wal

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