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meinem Eintritte kam ein junger windiger, unübers legter Verwandter aus einer Gegend von NeuEngland ins Zimmer. Eeiner Erzählung gemäß hatte er eben einer Lustparthie beygewohnt und war drey Wochen lang so mit fortgerissen worden, daß er nicht einmal feinem verehrungswürdigen Vetter die Aufwartung gemacht hatte. Er besuchte ihn jetzt in der Absicht, um eine kleine Summe Geldes zu borgen, damit er seine Rechnungen bezahlen und wieder nach Hause reisen könnte. Er leitete sein Gesuch mit einer ausführlichen Aufzählung von Echwierigkeiten ein, in die auch) der Allervorsichtigste håtte verwickelt werden können. Er habe ein Echiff nach B — befrachtet, und da er nichts auf Credit zu nehmen pflege, so habe er im Einkaufe seinen Geldvorrath überstiegen und fände es sehr schwer sich eine Tratte auf seinen Geburtsort zu verschaffen. Auf Franklins Frage wie viel er nöthig hätte? sagte er mit einiger Zögerung, fünfzig Dollars. Der gute alte Mann ging an sein Pult und zählte ihm hundert hin. Er strich sie mit vielen Verheissungen pünktlis cher Erstattung ein, und griff schnell nach der Feder, um eine Lbligation für das Geld auszustellen. Da der Doctor in seinem Herzen über die wahre Quelle der Geldverlegenheit des Borgenden weit richtiger urz theilte, als dieser vermuthen mochte, und von der Unwahrscheinlichkeit, jemals wieder bezahlt zu wers den überzeugt war, so ging er quer über das Zimmer zu dem jungen Menschen, legte die Hand sanft auf seinen Arm und sagte,,,nicht doch, Vetter, wir wol,,len das Papier sparen; ein Viertelsbogen ist nicht,,viel werth, verdient aber doch aufgehoben zu wer ,,den." So gab er auf einmal ein reichliches Ge schenk und einen leisen Verweis über die Unaufrich=

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tigkeit und Verschwendung des jungen Mannes. Da ich von Franklin spreche, so ist der Leser vielleicht eben so wenig geneigt, ihn zu verlassen, als ich es war. Man erlaube mir daher noch eine Anecdote. Ich ers innre mich nicht mehr, wie die Rede darauf fiel, aber ein junger Mensch in der Gesellschaft war befremdet, daß der Besih grofser Neichthümer allezeit mit so viel Angst und Bekümmerniß verbunden wåre, und führte Herrn R. M. zum Beyspiel an, der, ungeachtet seis nes unbegränzten Reichthums, eben so geschäftig und weit sorgsamer wåre, als der fleissigste Diener auf seiner Schreibestube. Franklin nahm einen Apfel aus einem Obstkörbchen und gab ihn einem Kinde, das nur mit Mühe im Zimmer umher trippeln konnte. Das Kind war kaum vermögend ihn zu umspannen. Er gab ihm dann noch einen, den es in der andern Hand hielt. Hierauf wählte er einen dritten, der ausnehmend groß und schön war, und überreichte auch den. Das Kind machte viele vergebliche Versuche, alle drey zu halten, ließ endlich den letzten auf den Leppich fallen und brach in Thränen aus. Seht, fagte der Weltweise, hier ist ein kleiner Mann, der mehr Reichthum besißt, als er geniessen kann."

(Die Fortsetzung im nächsten Stücke.)

Anecdoten.

Es ist zu verwundern, daß in dem Lande, welches sich der grösten weiblichen Schönheit in Europa rühmen kann, zuweilen männliche Ungeheuer auftre ten, die sich alles Gefühls gegen dieselbe entäussert zu haben und von einer unerklärlichen Wuth angereizt, nach ihrem Blute zu dürsten scheinen. Die mehresten Leser erinnern sich vermuthlich des Williams,

welcher den Mädchen in den Londner Straffen Dolchstiche verseßte, weswegen man ihn das Monster nannte. Noch kürzlich ereigneten sich ähnliche Beyspiele in Exeter. Ein Frauenzimmer von fünfzehn Jahren ging durch eine enge Gasse. Zwey junge wohlgekleidete Månner naheten sich ihr und stiessen sie von eis nem Orte zum andern; einer gab ihr eine tiefe Wunde in den Arm. Kaum hatte sie das Haus einer Anvers wandtin erreicht, als sie wegen des beträchtlichen Blutverlusts in Unmacht fiel. Ein Wundarzt erklärs te, daß die Wunde mit einer Lanzette gemacht wäre. Ob das Mädchen mit dem Leben davon kommen wird, weiß man noch nicht. Mehrere solche Beyspiele ereigs neten sich in derselben Stadt. Der Mayor hat dem, welcher die abscheulichen Thäter entdecken kann, eine Belohnung von fünfzig Pfund versprochen.

In das lange Verzeichniß der englischen Sonders linge gehört auch Herr Archer, der vor kurzem starb. Seine Einkünfte beliefen sich jährlich auf zehntausend Pfund Sterling. Er hatte unter andern ein schönes Landhaus zu Coopersale unfern Epping in der Grafs schaft Esser. Dies Haus stand seit mehr als zwans zig Jahren ganz ledig, da er niemanden erlaubte darin zu wohnen. Als er starb, fiel es seiner Lochter, der MistreßHoublon zu, welche sogleich einen Baumeister hinschickte, um es zu besichtigen. Sein Bericht lautete sonderbar. Seit achtzehn Jahren was ren weder die äusseren Pforten des Vorhofes noch die Hausthüren geöfnet worden. Die lehteren hatte der Besitzer mit Eisenblech überzieheu lassen. Der Vorhof stand voller Disteln, BrenuNesseln und Unkraut, und die Hausflur war mit Spinnweben überzogen, Engl. Miscellen.-VIII, 20

Krähen und Elstern hatten Nester in die Rauchfänge gebaut und die Nachteule war im Besiße des vornehm, sten Saales. Etliche Zimmer hatte man seit dreyfig Jahren nicht aufgemacht. Seit fünf und zwanzig Jahren nisteten die Tauben in der Bibliothek, welche etliche tausend Bücher enthielt; ihr Zugang war durch ein Loch im Fenster. Daß sie so lange hier gehaußt haben mochten, schloß man aus den vielen Lasten Mist, die herausgeschafft wurden. Ein berühmter Naturs forscher, der bey Oefnung des Hauses gegenwärtig war, versicherte niemals so schöne und ausnehmend grosse Spinnweben gesehen zu haben, indem sie sich durch ganze Zimmer und von der Decke bis an den Boden erstreckten. Den Wein, die Biere, den Rum, von deren jedem eine grosse Menge vorräthig war, hatte man seit zwanzig Jahren nicht angegriffen. Alle diese Getränke waren wohlbehalten, vornehmlich der Portwein. Der Aufseher, der Gärtner und dessen Knechte hatten ausdrücklichen Auftrag von ihrem Herrn, kein Gräschen weder aus dem Garten noch aus dem Lustreviere zu raufen. In den Teichen hatte man seit mehreren Jahren nicht gefischt; es wurden daher nach dem Tode des Herrn Archer erstaunlich grosse und schwere Fische darin gefangen. Alle bes nachbarte Gutsbesiker eilten herbey, sich das Haus und die dazu gehörenden Ländereyen zu besehen, über deren vernachlässigten, zerrütteten Zustand man sich in der umliegenden Gegend allgemein unterhielt.

Als der verstorbene berühmte Mahler, Sir Jofua Reynolds noch ein ganz junger armer Mensch war, von dessen künftiger Grösse damals niemand ets was ahnete, reißte er dann und wann nach Plymouth, um sich ein paar Pfund zu verdienen. Die Flotte

lag damals dort und es gab immer viel für ihn zu thun, da sich die Officiere mahlen liessen, deren Bildnisse er in Lebensgrösse und allezeit Chapeau pas konterfeyte. Er arbeitete schnell und machte viele Portråts fertig; man bezahlte ihm eine Guinee für das Stück, und die obige Stellung mit dem Hute unter dem Krme war ihm ganz mechanisch geworden. Einmal traf ihn ein Schiffscapitain bey der Arbeit. Ich fehe, Herr Reynolds, sagte er, Sie geben allen Ihs ren Porträts den Hut unter den Arm; mir gefällt das nicht, mahlen Sie mich mit dem Hute auf dem Kopfe." Reynolds antwortete, das wäre ihm ganz einerley, und der wackere Seemann erschien also be hutet auf der Leiuwand. Als der Capitain fort war, vollendete Reynolds die übrigen Theile des Bildnis ses, Rock c. aber die alte Gewohnheit hing ihm se stark an, daß er ihm auch einen Hut unter den Arm mahlte. Das Portråt mit zwey Hüten wurde dem Capitain ins Quartier geschickt, wo man sich sehr darüber lustig machte. Sir Josua erzählte diesen Ums stand oft und versicherte, man habe ihn eben damals so sehr mit Arbeit überhäuft, da die Flotte im Begriff gewesen sey in See zu gehen, daß er das Versehen nicht eher gemerkt, als bis man ihm das Gemåhlde zurückgebracht habe, damit er den Hut unter dem Arme wieder ausstreichen möchte. In seinen letz ten Lebensjahren mahlte er kein Bildniß in Lebensgrösse unter zweyhundert Pfund St. und als er im I. 1792. starb, hinterließ er ein Vermögen von 100,000 Pf. St., das gröstentheils an seine Nichte, die Gråfinn von Inchiquin, kam.

Vor kurzem fand man eine sehr wohlgekleidete Frauensperson in einem Felde bey London hart an

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