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Anecdote von dem grossen Anatomen John Hunter. Er war so eben mitten unter seinen Zuhörern und wollte eine Vorlesung über das Herz anfangen; indem sah er etwas ungewöhnliches. Meine Herren, hub er au, ich sehe ein Phänomen in diesem Herzen, zu deffen Erklärung ich nicht vorbereitet bin; ich will Ihnen in der nächsten Vorlesung meine Meynung darüber sagen. Mit diesen Worten nahm er das Herz ohne weitere Umstände, wickelte es in sein Tuch und steckte es ein. Als er durch die volfreiche Altstadt nach Hause ging, fühlte er Jemand heftig an feine Schulter stoss fen. Das weckte ihn aus seinen tiefen Gedanken: es fie: Jen ihm die vielen Londner Taschendiebe ein, er wurde um seinen Schaß besorgt, und rief dem Manne, der ihn geStoffen hatte, zu: „Hdrt, Kerl, Ihr habt doch nicht etwa ,,mein Tuch gestohlen?“ „Nein," sagte der Dieb lá „mein chelnd, der wirklich des Doctors Tasche untersucht hatte: weder Ihr Tuch, noch Ihr Abendessen. “

Man weiß aus Herrn Küttners Nachrichten über das Innere von England, daß die gemeinen Häuser hier übers aus nachlässig und ohne Widerhalt gebauet werden. Einen gräßlichen Beleg dazu lieferte folgender Vorfall. In Birs mingham stürzte die oberste Flur eines Hauses, das von einem armen Manne bewohnt wurde, schnell herab, und schlug alle die übrigen Fluren ein, welche krachend in das Kellergestoß fielen, und eine Frau mit sechs Kindern im Schutte begruben. Man grub auf der Stelle nach, und in anderthalb Stunden zog man die Frau und das jüngste Kind, beyde entseßlich zerquetscht, hervor. Aber die übrigen Kins der waren alle erschlagen, und ihre Körper gewährten einen jammervollen Anblick.

In einem schrecklichen Sturme befand sich ein Fahrzeug bey Dover in grosser Noth. Etliche wohlhabende Leute, die eben dort am Gestade spaßieren giengen, boten einigen Matrosen, welche es sahen, ein ansehnliches Geschenk, wenn fie den Unglücklichen belfen wollten. Vier von ihnen lassen fich bewegen. Sie ruderten auf zwey Bôten in die stürmis 1che See hinaus und nahmen Taue mit, um das Schif

einzubugfiren. Eins von den Böten schlug auf der Hinfahrt um, und die zwey darin befindlichen Seeleute wurden dem Ansehn nach von den Wellen verschlungen, aber sie arbeiteten sich wieder empor und schwammen nach dem andern Boote zu. Man warf dem, welcher am nächsten war, einen Strick zu, aber er stieß ihn von sich und rief: „Nein, nein, ,,werft ihn dem armen Tom zu, der ist im Versinken." Beyde wurden mit vieler Schwierigkeit gerettet und auch das Schif.

An dem einen Ende von Gracechurchstrasse in London lagen vor der Thüre eines Materialhandlers etliche groffe leere Orthofte, in welchem Zucker gewesen war. In die weiteste stieg ein Junge und schabte den anhangenden Zucker ab. Dies sah einer von den Markthelfern des Materialisten, und legte, um sich eine Lust zu machen, die Tonne auf die Seite. Dann fieng er an, sie zu rollen, ehe der Junge Zeit gewinnen konnte, zu entkommen. Ein langer Nagel, der von den Reifen durch das Faß gieng, wurde gerade in seinen Schenkel getrieben, und zerfleischte ihn während des schnellen Umwälzens der Tonne so entseßlich, daß man fürchtet, der Knabe werde das ganze Bein einbüssen.

Es ist von jeher für Fremde eine räthselhafte Erschei: nung in England gewesen, daß die Einwohner so häufig ges waltsame Hånde an sich legen, und daß geringfügige Ursachen selbst bey den jüngsten Leuten das zu bewirken im Staude sind. Diese Phänomene dauern fort, und etliche der lezt: hin vorgefallenen Selbstmorde beweisen, daß selbst Auslän der, besonders Mädchen, von dieser unerklärlichen Gleichgültigkeit der Engländer gegen das Leben angesteckt werden. Das Beyspiel des Fräuleins von Hompesch erschien neulich in den Miscellen. Die Sache aber ist zu gemein, und die näheren interessanten Umstände solcher Vorfälle sind oft für die Verwandten zu niederschlagend, als daß man alle, oder nur die Hälfte der hiesigen Selbstmorde mit der Ausführlichkeit erführe, wie sie allezeit dem Coroner oder dem obrig keitlichen Beschauer der Entleibten dargelegt werden müssen. Daher wird in diesen Anecdoten nur dann und wann ein fol

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cher Fall mitgetheilt. Ein Dienstmädchen von 19 Jahren in London hatte einen Schaden im Gesichte, den sie für ei nen Krebs hielt. Sie vertrauete sich einem Quacksalber an, dessen Arzneyen starke Wirkung auf ihr Gehirn hatten. Man bemerkte auch sonst eine große Niedergeschlagenheit an ihr. Eines Morgens sah man sie långs dem sogenannten neuen Fluffe hingehen; sie hatte Voriks empfindsame Reisen in der Hand und schien in großer Gemüthsbewegung zu seyn. Mehrere Leute argwöhnten ihre Absicht und fragten, ob sie sich ertrånken wollte? Sie leugnete dies standhaft: aber sobald sie sich ohne Zeugen glaubte, sprang sie in den Fluß. Man fand den Körper erst nach einer halben Stunde, konnte aber aller Mühe ungeachtet das geflohene Leben nicht wieder zurück rufen. Wenige Tage darauf stürzte sich eine andre Magd nicht weit von Rottenhamcourt-road in einen Teich und ertrank. Bey ihr wußte man keine andre Ursache die: ses Schritts anzugeben, als einen unbedeutenden Wortwechsel, welchen sie mit einer Magd gehabt hatte, die zus gleich mit ihr diente.

In Brigthon fuhr ein Vater seine drey Kinder in ei: nem Phaëton auf dem Spaziergange, welcher die Steine ge nannt wird. Mit einmal rißen die Strenge, die Pferde wurden schen, und liefen in vollem Sprunge nach der See zu. Der Vater nahm eins von den Kindern in seine Ara me, sprang hinten über den Wagen, und entkam glücklich. Die Pferde sezten ihren Gallop fort, und waren uur noch ein paar Schritte von dem Felsen entfernt, an dessen jähen Seiten das Meer spühlt, als eben der Baronet Sir John Lade vorüber ritt. Sobald er die augenscheinliche Gefahr sah, der die Kinder ausgesezt waren, sprengte er mit eben so viel unerschrockenheit als Besinnung herbey, und spornte fein Pferd mit aller Gewalt auf die beyden ausreißenden. Auf diese Weise wurden sie genöthiget, gleich umzukehren, und so konnte man die Kinder retten. Sir John's Pferd wurde sehr beschädiget, und der Reiter, wie jeder sieht, stellte sich der allergrößten Gefahr aus. Es verdient bemerkt zu werden, daß diese schöne Handlung von einem bes

kannten Hof- und Weltmanne herrührt. Die Höfe find wohl zu sehr verschrien.

Zwey Haarkräusler in Bath hatten einen Wortwechsel und verfügten sich auf eine nahgelegene Wiese, um die Sas che, wie hergebracht, durch die Faust auszumachen. Der eine war ein dúnner, hagrer und der andre ein ståmmiger, fetter, vollblütiger Kerl. Ein paar Sánge über blieb keiner dem andern etwas schuldig, aber nachgerade fand der dicke Friseur, daß sein Körper für lange Gefechte dieser Art nicht gebaut sey, und hatte kaum noch Athem genug, ganz leise zu sagen: ich mag nicht mehr boren. Sein Gegner hörte blos, daß er gesprochen hatte und fragte: „Was sagt er?“ Einer von den Secundanten antwortete zum Scherz: Er erz bietet sich, dir noch eine ganze Stunde Stand zu halten. Ey, der Kukuk auch! hub der andre an, da schlage ich mich nicht länger. So wurde der runde Pomadenheld wirklich zum Sieger erklärt, und von dem jauchzenden Vöbel im Triumpf nach Hause getragen.

In Schrewsbury wollte eine Magd Feuer schlagen; aber der Zunder schien nicht fangen zu wollen. Sie nahm, daher ein Flasche mit Schießpulver, und schüttete etliche Körner in das Feuerzeug. Sie sprüheten sogleich auf und entzündeten auch das Pulver in der Flasche, welche mit großem Knallen zersprang. Mehrere Stüfe Glas wurden dem Mädchen in den Leib und die Aerme getrieben, ihre Kleider fiengen Feuer und sie wurde so entfezlich verbrannt, daß eines von ihren Ohren und das Fleisch an etlichen Theilen des Körpers abfielen. Dennoch blieb sie noch einige Tage leben. Etliche Herren und Damen machten eine Lustparthie auf der Themse bey Shepperton. Ein Lachs sprang aus dem Wasser und fiel in den Kahn. Jeder suchte den Fisch zu fangen, man achtete auf den Kahn nicht und er schlug um. Indeß war derOrt gerade so seicht, daß keines von ihnen ertrank, ob sie schon alle über und über durchnäßt wurden. Ein Herr Smith sah den Vorfall, ließ die träufenden Personen gleich in sein nahes Haus gehen und ihnen trökenc Kleider bringen. Aber eine Mistreß Maintone, die von der Gesellschaft war,

und ihre Niederkunft nächstens erwartete, verfiel vor Schres ten in heftige Zukungen, und starb noch vor dem folgenden Morgen.

Es ist eine bekannte List der Diebe, Auflauf in den Straßen zu verursachen. So trieben sie auch lezthin des Abends einen Ochsen durch die Altstadt, als eben ein wohlhabender Ausländer, der im Londoner Kaffeehause wohnte, nach Hause gehen wollte. Etliche Kerl umringten ihn. Einer schlug ihn heftig über den Mund, indessen ihm die ans dern seine Uhr stahlen.

Eine Menge Herren wollten eine Lustparthie aus Mars gate nach Deal machen, um die dort liegende Flotte zu sea hen. Sie schliefen daher alle in der Fontaine, einem gros ßen Gasthofe. Die Pferde waren auf den frühesten Morgen bestellt und der Abend wurde lustig zugebracht. So bald es tagte, dachte man an das Aufbrechen. Aber welch eine Entdeckung wurde da gemacht! Entweder ein Schall oder ein Dieb hatte den Weg in die Kammer des Schuhpußers gefunden und alle Stiefeln ohne Ausnahme weggez nommen. Der Auftritt war höchst lächerlich. Der höfliche Wirth bedauerte den Zufall von Herzen, suchte die Herren zu besänftigen, und versicherte, es wäre ein ganz vortrefli» cher Stiefelmacher in Margate.

Der Londner Bartholomäusmarkt wurde voriges Jahr mehr als gewöhnlich von Taschendieben und verwegenen Bus ben beunruhiget. An dem Hauptmarkttage gieng eine be trächtliche Menge dieser Kerl durch den Marktplah (Smiths field). Sie umringten alle Frauenzimmer, die sie trafen, rißen ihnen ihre Kleider auf das gewaltsamste ab, trennten fie von ihren Freunden, und ließen viele von ihnen fast naks kend mitten unter dem Haufen stehen. Das Geschrey der angegriffenen Mädchen und die Furcht der andern brachte eine Verzweiflung hervor, welche den Absichten dieser vers zweifelten Rotte ungemein günstig war.

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Neue Patent und andere Erfindungen.

Der Glasgower Kaufmann Alexander Bryce hat eine

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