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Ueber die Frauenzimmer der höheren und mittleren Stände in London."

,,Viele vornehme Frauenzimmer in London bleibert bis zwey und drey Uhr auf, und oft besonders im Früh jahr bis Morgens vier oder fünf Uhr. Sie machent sich keine Bewegung und gehen ohne Nothwendigkeit nicht an die Luft; aus warmen Zimmern steigen sie in die eingeschränkte Wagenluft. Welch einen gröffent Einfluß dieß auf sie hat, bemerken selbst unachtsaz me Leute. Reisen sie aufs Land, so ist ihre Lebenss art zwar verschieden, aber dies besteht darinn, daß fie nicht ganz so schlimm ist. Immer noch fehlt es zu sehr an Thätigkeit. Derselbe Fehler steigt durch viele Abstufungen der Wohlhabenheit hinab. Selbst in den niedrigsten der Classen, die vornehme Sitten nachäffen, sizen die Frauenzimmer zu viel; sie vers wirren ihre Köpfe und zermartern ihre Empfindsams keit durch schnelles Romanenlesen. Ausserdem thun sie als les, was den bewegenden Theil des Körpers schwächt, und den fühlenden sowohl für die ordentlichen als die ausserordentlichen Lebenszustände untüchtig macht. Die unbeträchtlicheren Folgen davon sind: unàufhörlich-unbehagliche Gefühle, Krankheiten, welche sie aus feiner Empfindung nicht gestehen mögen, Unlust in der Ehe, die Kränkung der Fehlgeburten, und Uns fähigkeit, das erste Geschäft der Mutter zu verrichten, oder Auszehrung, wenn sie es unternehmen. Die ernsteren Folgen findet man in den Todtenregis ftern."

,,Das Uebel hat sich weit verbreitet und dehnt fich wahrscheinlich mit jedem Tage mehr aus. Mitte lerweile achten die, welche die Reihe nun auch trifft, den Fortgang desselben nicht, genau so, als wenn Engl. Milscellen. VII. z.

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die Pest einige Zeit in einer grossen Stadt gewüthet hat. Vorlesungen über die Körper von zehn jungen Leuten, die durch die Verfertigung von Lurusartikeln ermordet worden sind, und über die Leichen zehn andrer, deren Ermordung dem Gebrauche dieser Dinge beyzulegen ist, würde dem gegenwärtigen Zeitalter von grösserm Nußen seyn, als alle Anfangsa gründe der Sittenlehre, die je geschrieben worden sind.

Edinburg.

Aus dem monatlichen Magazin.

Edinburg hat ungefähr erst seit dem Frieden 1763 angefangen, sein jetziges Ansehen zu gewinnen: es dehute sich dann gegen Norden und Süden aus, und erhielt einen zweymal so grossen Umfang, als der Raum hatte, den es zuvor so unregelmäßig bedeckte. Man bauete hier mit viel Unternehmungsgeist bis zum Anfange des Amerikanischen Krieges; aber während der unglücklichen Begebenheiten dieses Krieges gerieth der Bau ins Stocken, bis ihm der wiederkeh rende Frieden neues Leben gab. Von diesem Zeitpunkte an bis zum abermaligen Kriege wurden die öffentlis chen und PrivatGebäude von Edinburg nebst dessen Strassen und Brücken weit schneller erweitert und vers schönert als je zuvor. Selbst in den lezten zehn Jahs ren ist das Elend, welches der Krieg über das ganze Land verbreitet hat, nicht im Stande gewesen, die Ausə dehnung dieser Stadt, besonders nach Norden zu, einzus schränken. Jegt, da der Friede wieder hergestellt ist, kann man erwarten, daß keine Stadt des brittischen Reichs ausgezeichnetere Vortheile von diesem so wüns schenswerthen Ereignisse einerndten werde.

Edinburg liegt in 2° 55′ westlicher Länge von

Greenwich und in 55° 52′ N. Breite. Es mag etwa sechs Englische Meilen im Umkreise haben und es breiz tet sich über drey längliche Hügel oder erhabene Bergrie ken aus. Gegen N. O. und S. O. sieht es in den Frith of Forth und in das deutsche Meer. Gegen Norden und Nordwesten dfnet sich eine weite Aussicht über den Forth, wo er am ausgedehntesten ist, und über den Abschnitt eines ungeheuren Amphitheaters, bis wo der Sehkreis von den Grampischen Hügeln begränzt wird. Gleich nach Westen undSüdwesten erhebt sich die umliegendeGegend zu Hügeln, die ziemlich obgleich nicht ausserordentlich) hoch sind, und das Herumschweifen des Auges in enge Grenzen beschränken. Südwärts breitet sich eine schöne Landschaft aus, die aus einer regellofen, aber reichen und angebaueten Oberfläche besteht, und gegen die Ufer des Esk, die Ruinen von Roslin, die Stadt Dalkeith und das schöne an der See gelegene Dorf Inveresk bald steigt, bald fällt. Arthur's Sitz, Salisbury Craggs und Caltonhill schützen die Stadt, nach Morgen zu, gegen die kältenden Winde von der See, denen sie ihrer Lage nach ungemein blosgestellt ist, und bilden durch ihre fåulenförmige Lagen, ihre vulcanische Ansicht, ihre isolirte Höhe und ihre Dede einen auffallenden Coutrast mit der Verfeinerung, Kunst und Cultur, die man rings um fie in einem hohen. Grade erblickt. Der Burghügel und verschiedene andere angrenzende Höhen haben ein ähnliches Ansehen. Die Oberfläche der ganzen Gegend ist so mannigfaltig und uneben, wie man sie selten in andern Theilen der Insel findet. Der Himmelsstrich würde in Verhältniß seiner Breite mild und zuträglich seyn, wären die Winde von Osten und Nordosten nicht, die im Frühjahr und Som» mer unablässig den Gewächsen schaden und der mensche lichen Gesundheit unbegreiflich viel Nachtheil zufügen.

Eben diese Bldße nach Osten zu macht, daß Edinburg und dessen Nachbarschaft, jählinge und ungemein schars fe Stürme im Winter auszustehen hat. Es wird in allen Jahrszeiten durch die inneren Hügel des Landes zu sehr von den milden und erwärmenden Westwinden ausges schlossen. Jedoch machen die Nähe des Meeres, die abschüssigen Ungleichheiten der Oberfläche, die Leichtig keit des Bodens auf einem Grunde von Kalkstein, Gras nat und Trapp oder Basalt, daß die Stadt nebst der ums liegenden Gegend im Sommer oft eine ungemeine Hiße aussteht, welche hinreichend ist, unter freyem Himmel die Früchte viel mehr südlich gelegener Breiten zu zeitis gen, und welche den Edinburgern nicht leidlich seyn würs de, wenn sie nicht in kühlen und etwas düstern Bruche steingebäuden wohnten. Alle Reisende, die sich auf Schönheit und Majestät der Landschaft verstehen, sind darin einstimmig, daß kaum ein andrer Ort von Euros pa in einem gleichen Raume so verschiedene Aussich ten darbietet, die zu gleicher Zeit wegen ihres Erhabnen, Mahlerischen und Schönen Bewunderung verdienten.

In Betreff der Straßen und Gebäude kaun Edins burg mit den mehresten großen Städten in Europa wetteifern. Es besteht aus drey Theilen: in der neuew Stadt, welches dessen nördlichste Abtheilung ist, der Alten Stadt und der südlichen Vorstådte. Die Neue Stadt ist in Hinsicht der einförmigen Schönheit der Gebäude, der Breite der Gassen und Plåße, der Einheit ihres Plans, der Sauberkeit, freyen Luft und Versorgung mit Wasser, besonders aber wegen des hinreissenden rus in urbe, das man in Queen'sstraße, Yerkplay, St. Andreas und Charlottensquare genießt, gewiß die schönste Vereinigung von Straßen und Ges bäuden, die man nur finden kann. Indeß wird sie

von James'ssquare nur an einem Theile gegen den Oftwind geschüzt; sie ist daher wegen ihrer Blöße, Breite, und der Regelmäßigkeit ihrer Straßen den heftigs ften Ost- NordOst- und Nordwinden Preiß gegeben, so daß sie zu allen Jahreszeiten für kränkliche Leute nicht nur ein unangenehmer, sondern auch ein gefähr licher Aufenthalt wird. Der größere Theil der Haus ser in der neuen Stadt ist wie in Deutschland ver theilt; nehmlich verschiedene Familien wohnen in Einem Hause, und jede hat ein besonderes Stockwerk ins ne, welches in London nicht sehr üblich ist. Highstraße erstrekt sich vom Schloßberge Eis an die Abtey, ist ungefähr eine englische Meile lang, und macht den vornehmsten Theil der Alten Stadt aus. Die Weite dieser Straße und die Höhe der Häuser zu beyden Seiz ten geben ihr ein Ansehen von Würde und alter Pracht, ' wovon man in Grosbritannien weiter kein Beyspiel findet. Die Häuser sind aus Bruchstein gebaut, und die Dächer mit Schiefer gedekt. Die Mauren zeichnen fich durch ungemeine Stärke aus, und jedes Haus gleicht einem alten Burgverließ. Vorn haben diese Häuser fast alle fünf bis sechs Stockwerke. Da aber der Vorgrund der Gipfel des Bergrückens ist, und der Hintergrund aus den jähen Abschüssen desselben besteht, so haben etliche dieser Gebäude, die von vorn nur fünf bis sechs Gestock hoch scheinen, auf der entgegengesez= ten Seite nicht weniger als neun, zehn oder eilf Etagen.

Von der Highstrasse gehen Wynds oder enge Gäßchen bis an das sogenannte Kuhthor, welche ausnehmend unbequem sind. Die Häuser in ihnen sind hoch und öfters morsch; es wohnen hier besonders die Armen und die Elendesten von ihnen entweder ganz unten oder ganz oben. Die königliche Börse ist ein kleiner viereckig=

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