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aber Niemanden besonders: die Herzoginn mochte seine ungeheuren Einkünfte anwenden wie es ihr beliebte, und ihre Zeit und Gesellschaften nach Gefallen vertheilen. Den Freuden der Tafel und der Jagd ergeben, brachte er einen grossen Theil seiner Zeit auf einem Jagdschlosse in Schottland zu, das er vorzüglich liebte, und wo er sich eine Anzahl von Freunden gewählt hatte, die in Site ten und Denkart mit ihm übereinstimmten. Bequemlichkeit war der Götze des Herzogs; die Herzoginn jagte nach Veränderung und Thätigkeit.“

,,Die Leztere hatte daher alles zu besorgen, was Haushaltung und Familie betraf. Die Equipagen der Herzoginn von Derrington, die Livreen der H. v. D., die Assembleen der H. v. D., die Tochter der Herzoginn von Derrington wurden in jeder Abendgesellschaft und in jeder Zeitung tagtäglich laut gepriesen; indeß der Herzog einer so ruhigen Verborgenheit genoß, als ob er schon in dem Grabe seiner Ahnen geschlummert hätte. Der einzige Zwek, welchen der Herzog und die Herzo= ginn mit gleichem Eifer betrieben, war die glänzende Versorgung ihrer Kinder."

,,Oceana und ihre beyden vornehmen Freundinnen, Lady Julia und Lady Amelia, fassen beym Frühstück, fchlürften ihren Thee ganz gemächlich und ruhig, und zergliederten den geheimnißvollen Character des Graz. fen von Latimore, als die Herzoginn von Derrington angesagt wurde. Den Augenblick trat Ihre Durchs laucht selbst ins Zimmer. Wie gehts, wie gehts?“ rufte sie mit einem höchst zwanglosen Wesen. Sie ers blickte Oceana. ,,Ich bitte um Vergebung; Ihre Leute sagten mir, Sie wären allein."

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,,Dies ist Miß Melville," nahm Lady Julia das Wort,,, eine sehr liebe, theure Freundin von uns. “

Herzoginn von D. Eine sehr vertraute Freundinn, Lady Julia! und die, hoff' ich, zum gee heimen Rathe gehört, denn ich komme ausdrücklich, um mit Ihnen einen Låster- und Klatschrath zu halten. Miß Melville - Melville - ich entsinne mich des Nahmens nicht. Habe ich etwa schon einmal die Ehre gehabt

Lady Amelia! O niemals, niemals - gewiß niemals; wenn mir also Ihro Durchlaucht das Vergnügen gönnen wollen, so fange ich an und gebe Ihnen eine ganze, wahre, volle und umständliche Nachs richt von ihrem Leben, Character und Betragen, Ges burt, Verwandtschaft und Erziehung *).

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Lady Julia. Bey Amelien ists noch immer da oben nicht ganz richtig, wie Sie sehen. Ihro Durchlaucht haben vielleicht vom Schiffs - Capitain Melville, einem Bruder des Sir Richard Melville in Somersetshire gehört. Meine Freundinn Oceana hier ist seine einzige Tochter. Er ist so gütig gewesen, sie uns auf die Wintermonathe zu überlassen.

Lady Amelia. Und das uneigennützige Kind ist so gütig gewesen, lieber mitten unter den Ergdts *) Es liegt eine scherzhafte Beziehung in diesen englischen Worten, die man alle Wochen, wenn gehangen wird, auf den Londner Straffen von den Bettelweibern und Gassenschreyern hört. Sie rufen oder singen dann: here is the last dying speech and confession with the whole, true, full and particular account of the life, character and behaviour, birth, parentage and education of the two unfortunate malefactors, that were executed this morning at Newgate &c. &c.

lichkeiten der Hauptstadt den Winter hinbringen zu wollen, als ihn wie eine Feldrage in einem Winkel von Südwallis zu verschlafen.

Herzoginn von D. Sehr wohl bemerkt, wahrhaftig; Miß Melville und ich müssen bald besser zusammen bekannt werden. Jezt zur Sache. Sie wers den sich wundern, meine lieben Damen. Können Sie wohl unter allem, was lächerlich ist, rathen, wer eine Gala (Maskerade) geben will? — Niemand geringes res als Mistreß Morley. Haben Sie wohl je etwas so abscheuliches gehört? die Creatur weiß schlechter= dings gar nicht zu leben. Ihr Mann muß fie in eis nem von den erschrecklichen Dertern genommen has ben, wo das gelbe Fieber die Weiber ausserordentlich felten macht; denn sie ist ungemein garstig, und von schlechter Herkunft; sie hatte auch keinen Pfennig im Vermögen; doch er ist steinreich und sie kann mit sein ner Börse schalten wie sie will. Håtte sich die gute Frau damit begnügt, ein Haus in Portlandplace *) zu kaufen, wäre es auch hart an meinem gewesen, ich würde nichts dazu gesagt haben. Aber Sie wissen noch, was sie sich vorigen Winter für ein Ansehen gab; jeden Anzug, den ich trug jeden Wagen, den ich bestellte, machte das Weib durch ihre ungeschickte Nachahmung lächerlich. Nicht zufrieden damit, une terfieng sie sich auch, ihre „Röutes" eben so wie die meinigen einzurichten. Auch das möchte noch hinges hen; aber sie hat ihren unausstehlichen Stolz diesen · Winter so weit getrieben, eine Gala den nehm lis chen Abend anzukündigen, da ich eine gebe. Den

*) Noch immer die schönste und breiteste Strasse in Lon don, bis die prächtigen Pläße und Gassen des Herzogs von Bedford fertig seyn werden.

nehmlichen Abend; würden Sie das wohl geglaubt haben ?"

Lady Amelia.,,Aber Ihro Durchlaucht fürch ten doch nicht etwa, daß Ihnen diese Mitbewerbung Nachtheil bringen werde.?"

Herzoginn von D. Hätte ich nur etwas von ihrer Bosheit gewußt, was für einen Triumph wollte ich nicht gehabt haben! Aber so konnte ich vor Aerz ger heulen.

Lady Amelia. Unmöglich kann die Herzoginn von Derrington besorgen, daß es bey ihr nicht recht voll seyn werdé, weil Mistreß "Morley eine Gala giebt.

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Herzoginn von D. Etwas weit årgeres als das, meine Liebe ; ich muß wahrhaftig die Gala gång aufschieben. Das Weib hat mir geradezu die drey Saz chen vor weggenommen, die bey einer Gala unentbehrs lich sind, den Prinzen von Wallis, die Mors genpost und die Polizeydiener aus Bow= strasse. Wenn die nicht da sind, würde da wohl éine Seele zu mir kommen wollen? Grüne Erbsen und Pfirschen würden niemanden herbeylocken, wenn sie auch noch einmal so theuer wären, als sie wirklich find. Es ist in der ganzen Stadt herum, daß der Prinz versprochen hat zu kommen; dieser einzige Ums stand wird machen, daß man sich hindrängt. Und da die Leute aus Bewstrasse gemiether sind, so denkt gleich jedermann, daß es da erschrecklich voll seyn werde; und alle Welt, wie Sie wissen, wird sich nach der Ehre sehnen, beynahe erdrückt zu werden. Aber daß sie die Morgenpost (eine Zeitung) auf den fols genden Tag für sich bestellt hatte, gab ihr vollends den Sieg. Sie hat ausdrücklich Leute bezahlt, die

es haben aussprengen müssen, und das hat volle Wire kung gethan. Denken Sie nur, was ich für eine Krankung lezthin in der Oper hatte. Lady Luise Lomley winkte mir, daß ich zu ihr hinüber in die Loge kommen möchte. Haben Sie wohl je etwas so årgerliches gehört“, sagte fie, „Ew. Durchlaucht wif; sen, ich versprach mich bey Ihnen auf den Donnerstag, und nun ist die garstige Mistreß Morley hingegangen und hat alle Spalten in den Zeitungen bez stellt, und sie sagen es werden über fünfhundert Nahmen hinein kommen was soll ich thun? Sie wiss sen, sie hat mir ein Einlaßbillet geschickt. Soll ich auf einen Augenblick hingehen und nur meinen Nahmen niederschreiben lassen?" - Hab' ich nun nicht Hiobs Geduld, alles das zu ertragen? Aber Mistreß Morley mag sich nur in Acht nehmen. Die Folge, meine lieben Kinder, ist, daß ich meine arme Maria habe zum Gefangenen machen und ausbreiten müssen, fie hätte jähling einen bösen Hals und ein Fieber ges kriegt. Sie werden wohl gesehen haben, was ich in die Zeitungen setzen lassen."

Lady Julia. Nein auf mein Wort nicht; wir haben den ganzen Mittag verplaudert.

Die Zeitung lag auf dem Pianoforte und die Hers zoginn wieß ihnen sogleich folgenden Artikel: -

,,Wegen der Unpåßlichkeit der Lady Mary Ders rington kommt die feine Welt um die Gala der Herz zoginn, die künftigen Donnerstag seyn sollte. Indessen glaubt man, daß etliche von den schönen Anzúa gen, die für diese Gelegenheit gemacht waren, bey der Mistreß Morley in Portlandplace, welche auf den selben Abend Gesellschaft eingeladen hat, zum Vorschein kommen werden. Die liebenswürdige Herzo

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