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fchöpfen. Die Vorzüge der lezteren Methode waren ihm so einleuchtend, daß er sie sich zum Muster zu nehmen beschloß. Der rastlose Fleiß, womit er die alten Versionen in der Polyglotte last, bestätigte ihn in seiner Meynung, daß man durch strenge Wörtlichkeit weder den Sinn der biblischen Schriftsteller gut geben noch ihre Schönheiten gehörig verpflanzen könnte, da selbst diejenigen Uebersezer, welche die Ursprache blos in verschiedene Dialecte derselben übertrugen, keine Verbalversion gemacht hätten, und da die Ueberseßungen, welche am wenigsten wörtlich wären, den Tert am kräftigsten und verständlichsten ausdrükten. Die neueren Ueberseßungen befestigten ihn in seiner Ueberzeugung. Er besaß ihrer damals sieben: vier lateinische, die von Mün-fter, Castalio, Junius und Pagninus; und die französische, italienische und holländische. „Unter diesen sieben, fagt „Geddes, war gerade die, welche ich mit einer vorgefaß= ,,ten Meynung öfnete, von der Art, daß ich sie mit dem grösten Vergnügen durchlas. Man hatte mir eingebildet, ,,Castalio's Ueberseßung sey eine profane Burleske der heis

ligen Schrift. Wie groß war mein Erstaunen, als ich ,,fand, daß er ganz in den Geist des Originals eingedrun= ,,gen war und es in zierliches Latein übertragen hatte. Ich ,,fah allerdings mit Bedauern, daß in der ausserordentli= ,,chen Verfeinerung ein Theil der Simplicität seines Oris *,,ginals verflogen war, und daß seine Version in so fern ,,der Vulgate nachsteht: aber dennoch hat er den Geist der „Urschrift gefaßt, da hingegen Pagninus, der den ent ,,gegengesezten Weg einschlägt, einem entseelten Körper „gleicht, welcher seine Glieder ungeschikt und plump nach: ,,schleppt; dennoch ist dieser Pagninus das allgemeine Muster der Versionen in lebenden Sprachen gewesen."

Diese Bemerkung wird um so wichtiger scheinen, da fie von einem Gottesgelehrten der katholischen Kirche her rührt, welche den Laven den Gebrauch der heiligen Schrift in ihrer Muttersprache durchaus verbietet.

Man kann leicht denken, daß Geddes besonders unter feinen eigenen Glaubensgenossen ein ganzes Heer von GegEngl. Miscellen. VII. 2.

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nern fand. Aber nichts konnte ihn abhalten, seiner Ueberzeugung zu folgen und sie laut zu vertheidigen. So sagt er in der Vorrede seines Briefs an die englischen Katholiken: „Auf jeden Fall thue ich, was ich für Pflicht halte, ,,und zwar thue ich es ehrlich und offen. Sie werden in ,,den folgenden Blättern weder Beschönigung noch Verstel,,lung finden. Ich giesse meine Gesinnung mit derselben ,,Aufrichtigkeit aus, als ob ich vor dem Richterstuhle dess ,,sen stünde, der die Lebendigen und Todten richten wird. „Ich kann mich irren, aber niemals will ich zweyerley Rede ,,führen“. Ein so furchtloses gerades Betragen zeichnete ihn beständig aus, ob es ihm gleich keine reichen Gönner verschaffte.

Seine biblischen Studien, denen er den besten Theil seines kostbaren Lebens gewidmet hatte, litten eine lange Unterbrechung, und vielleicht würde er nie im Stande gewesen seyn, zu ihnen zurükzukehren, wenn ihn nicht von nun an der verstorbene katholische Pair, Lord Petre, unterstüzt hätte. Dieser wirklich edle Lord war nicht nur während feines Lebens ein wohlthätiger Gönner des D. Geddes, sondern seßte ihm auch in seinem Testamente die bisher gereichte Summe aus. So erschien im J. 1792. der erste Theil von Geddes Ueberseßung, welcher die ersten sechs Bücher des alten Testaments begreift. Der berühmte D. Kennicott bot ihm von selbst seine Dienste an, sobald Geddes den Prospectus seiner Ueberseßung bekannt gemacht hatte. Kennicott empfahl ihn auch an Lowth und Barrington.

Ein gefährliches Fieber hatte die Erscheinung des Wer kes ein ganzes Jahr verspätet. Er ertrug dies mit mehr Geduld als die Verläumdungen seiner Glaubensgenossen. ,,Unwissenheit, Misgunst und Bosheit, sagt er, sind zehn „Jahre über in den verschiedenen Gestalten von Mönchen, ́,,Closterbrüdern und Wißlingen bemüht gewesen, meine Ar,,beiten herabzuwürdigen und meinen Ruf zu morden." (f. address to the Public by Dr. Geddes. 1793.)

Kaum war der erste Band seiner Ueberseßung erschle:

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nen, als drey apostolische Vicarien, welche sich die Bischöffe von Rama, Acanthos und Centuria nanuten, einen Hirs tenbrief an ihre respectiven Heerden ergehen liessen, und fie vor der Uebersehung des D. Geddes warnten. Diese bischöfliche Ermächtigung, wofür Geddes sie erklärte, gab Gelegenheit zu einem Briefwechsel zwischen ihm und dem Bischoff von Centuriä, welcher lestere erklärte, daß er ihn gänzlich von allen priesterlichen Functionen suspendirte, wenn er sich nicht binnen etlichen Tagen einem Befehle fügte, der in dem Hirtenbriefe enthalten war. Der Bischoff kannte aber die Denkungsart des D. Geddes sehr wenig, wenn er glaubte, daß sich dieser durch Drohungen Furdt eintreiben liesse. Er antwortete ihm sehr frevmüthig, wie fol gende Stelle aus seinem Briefe an ihn zeigt:

,,Vielleicht, Mylord, sagt er, möchten Sie gern noch eine Gelegenheit haben, ihr bifchöfliches Ansehen zu zeiz gen und mit Verweisen zu spielen, wie Kinder mit einem' neuen Balle thun. Ich wünsche Ihnen viel Freude an ,,dem Spielwerke, aber hüten Eie sich, Mylord, zu oft das ,,mit zu spielen. Lesen Sie den heil. Chrysostomus über

kirchliche Verweise, und lernen von ihm mehr Mässigung; ,,erlauben Sie einem alten Priester Ihnen zu sagen, „daß sie einem jungen Bischoffe sehr zur Zierde ges reicht. Was mich anlangt, Mylord, ich fürchte mich für "Ihre Drohungen nicht und werde über Ihre Verweise so „lange lachen, als ich mir bewußt bin sie nicht zu verdie ,,nen. Ich werde mich niemals Ihrem Befehle unterwers fen, weil ich ihn für übereilt, lächerlich und formwidrig halte. Wenn Sie dies für eine hinreichende Ursache anes „sehen, zu erklären, daß Sie mich von der Ausübung mei-! ,,nes Amts im Londner Districte suspendiren; so möge Jh „nen diese Erklärung wohl bekommen. Aber, in Wahrheit, ich verwalte, in Ihrem Sprengel gar keine Pastoralgeschäf te; feit vielen Jahren habe ich weder Unterricht gegeben, noch geprediget, noch ein Sacrament administrirt; und es ist wenigstens sechs Jahre her, daß ich in einer öffentlic „chen Capelle Messe gelesen habe u. s. w.“

Kurz darauf gab er noch ein weit längeres Sendschrei ben an den Bischoff von Centuriå heraus, wo vorn eine Anrede an die englischen Katholiken stand; er sagt darin! Ich hoffe, ihr werdet mirs für keine Aumassung auslegen, „daß ich mit Bischöffen anbinde; wahrlich ich würde es keď „mit Päpsten aufnehmen, wenn Päpste es wagten, mich ,,anzufechten. Unsre katholischen Vorfahren banden häufig

mit ihnen an und trugen zuweilen den Sieg davon. Fin „Papst und also auch ein Bischoff kann fehlen, und wenn ,,er fehlt, so darf es ihm auch ein Untergebener sagen."

Der zweyte Band der Bibelueberfeßung erschien nicht eher als im I. 1797. In der Vorrede dazu sagt er sich ansdrüklich von der gemein angenommenen Lehre los, daß die heilige Schrift unbedingt und ganz inspirirt sey; la er bestreitet diese Meynung kühn; ihm zufolge hatten die he bräischen Geschichtschreiber wie alle andre Historiker, menscha liche Urkunden vor sich, so wie sie dieselben bekommen fonna ten, und waren daher auch in dem Falle, sich zu irrenz auch besassen sie nicht mehr Einsicht und Beurtheilungskraft, und waren zum allerwenigsten eben so leichtgläubig. In Absicht auf Schönheit des Vortrags, Correctheit und lichtvolle Ordnung giebt er den griechischen und römischen Schriftstellern den Vorzug, und glaubt, daß man in den hebräischen Schriftstellern poctische Geschichte fände, wie sie im Homer und Herodot vorkdmmt.' Dies war die Theorie des D. Geddes über die heiligen Schriften der Juden, und er hielt dafür, es würde mancherley Vortheile haben, wenn man sie allgemein annahme: so würden z. B. die Feinde der Religion ihre furchtbarsten Waffen verlieren, der Schwall von Erklärern, die eher verwirren als aufhellen, würde unnüß werden; die biblische Critik sich auf Einen Zweck, nehm, lich die Bestimmung des wahren grammatischen Sinns, den ein achter ert giebt, einschränken, und die hebräischen Schriften unter allen Ständen mehr Leser finden.

Man begreift, daß ihm solche, unter den englischen Gottesgelehrten nicht sehr gewöhnlichen, Grundsäße häufig die Nahmen eines Ungläubigen, eines Kezers 2. zuziehew

mußten. Ob er sie verdiente, mag der Uneingenommene aus folgender Aeußerung beurtheilen, die in der Vorrede zu feinen Critical Remarks vorkommt: „Das Evangelium Je,,su Christi ist mein Religiousgeseß; seine Lehren sind mei: „ne höchste Woune; sein Joch ist mir sanft, und feine Last leicht; aber ich würde mir sein Joch nicht auflegen, ich tonne te diese Lehren nicht lieben und dieses Evangelium nicht zu meinem Geseze machen, wenn Vernunft, reine Ver,,nunft mir es nicht geböthen und riethen. Ich bekenne

gern, daß ich ein aufrichtiger, obgleich unwürdiger Schü ,,ler Christi bin; mein Nahme ist Christ und mein Zunah

me Katholik. Ich wollte lieber mein Blut vergiessen, che ,,ich diesem glorreichen Nahmen entsagte; aber keinen ein: sigen Tropfen wollte ich um dessentwillen, was weder Katholisch noch Christlich ist, vergiessen. Katholisches Christenthum verehre ich, wo ich es finde, und in welcher Secte es nur immer einheimisch ist: aber ich kann nicht die La„sten von Heu und Stoppeln verehren, die mit den köstlis chen Juwelen desselben vermengt worden sind, und die im „mer noch in jeder Secte, die mir bekannt ist, den Glanz dies fer Kleinodien mehr oder weniger trüben oder verdunkeln."

Wenn aber einige schwache und übelwollende Menschen den D. Geddes verunglimpften, so hatte er dagegen sehr viele Verehrer und Freunde unter den edelsten und verståndigsten feiner Landsleute. Wie war es anders möglich, da er mit so gründlicher Gelehrsamkeit einen so schuldlosen, echt christlichen Wandel verband! Seine BibelUebersezung, und seine Critical Notes bleiben ehrenvolle Urkunden seiner groffen Kenntniße in den Hauptfächern der Theologie. Was andre Felder anbetrift, so hat ein gelehrter Italiener ge standen, daß er außer dem Kirchenstaate nie einen Catholiken angetroffen, der in der Kirchengeschichte, im Canonischen Rechte, der KirchenLiturgie und der Diplomatik des römischen Hofs besser bewandert gewesen sey, als D. Geddes.

Was die Eigenschaften seines Herzens anlangt, so beweis men noch viele in ihm ihren Wohlthäter und Freund.

Er war ein höchst aufgeweckter, wißiger Gesellschafter.

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