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Der zweyte Bund ist nur ein falscher, und wird vor dem Ueberziehen aufgeklebt.

Nunmehro pappt man an. Die englischen Buchbinder thun dies nicht zum besten; sie ziehen das Ansezpapier zu sehr nach der Vorderseite. Defnet man nun das Buch, so zieht die Schale das Gegenblatt nach sich. Deutsche Bände hingegen haben mehrens theils die Tugend, daß die Schale wie los herabfällt.

Die Zurichtung zum Vergolden ist von der deut. schen nicht verschieden, ausser bey Saffian- und Corduanbanden. Um diese vor dem Vergolden nicht zu besteken, während man den Grund mit Leimwasser und Eyweis macht, wird ein eigener Weg eingeschlagen. Man drukt zuerst alle Stempel, Fileten, Rollen ze. deren man benöthiget ist, falt und blind auf. Die dadurch entstandenen Krinnen oder Eindrüfe tranft man zuerst, vermittelst eines Pinsels aus Menschenhaaren, mit Leimwasser, und dann zweymal mit Eyweiß. Man ist dabey äusserst beslissen, blos die Vers tiefungen zu berühren. Sodann breitet man die Geldblåtter darüber, und drüft endlich die Filete, den Stempel ic. heiß darauf. So hångt sich das Gold blos da an, wo es soll. Bey Lederbänden, welche vergoldet werden, überfahren die englischen Buchbin der den Band nur zweymal mit Eyweiß; sie halten dafür, daß Dreymal, wie bey mehreren in Deutschland geschieht, zu viel sey, weil der Band schlüpfrig werde; das Gold halte dann nicht so gut, und die Stempel gleiten aus. Die deutsche Vergoldung der Bånde ist auch deswegen minder gut, weil die Bus cher noch zu weich sind, wenn man sie vergoldet; hin gegen in England erhärtet man sie zuvor am Feuer.

Da von der Güte der englischen Fileten schon ge.

gehandelt worden ist, so darf nur noch das Uebrige von den Titeln hinzugesezt werden. Die deutschen Buchbinder machen die Titel, wie man weiß, mit dem Schriftkasten; aber die Englischen druken jeden Buchstaben einzeln auf; eine Verfahrungsart, die erstaunliche Uebung erfodert, ehe sie zur Vollkommenheit ge= bracht wird, da man hierbey bløs vom Augenmasse geleitet werden muß, um die gerade Linie genau ju treffen. Allein nach erlangter Fertigkeit drukt man die Titel aus freyer Hand weit schneller auf als mit dem Schriftkasten, welcher bey jeder Zeile aufge schraubt werden muß; hat man mehrere Bånde eines Buches mit demselben Titel, und es trift sich, daß sie bald stärker, bald schwächer find, se muß man die Lettern im Schriftkasten bald verengern, bald durchschiessen. Kurs die englischen Buchbinder sehen den Schriftfasten für eine Eselsbrüfe an, die ihrer Kunst unwürdig sey. Ein grosser Londner Buchbinder hat es in den Titeln so weit gebracht, daß kein Buchdruker die Zeilen gerader sezt, als er die Lettern auf die Bücher drukt, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die Erstaunen verursacht.

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Zum Vergolden bedienen sich die deutschen Buchbinder mehrerer Arten von Gold; in England nimmt man zu allen Buchbinderarbeiten ohne Ausnahme nur Feingold, oder Guineengold.

Hohle Rüfen verstehen die englischen Buchbinder nicht zu machen; man zieht auch in dieser Absicht die deutschen Buchbinder in London vor. Ein Londner Buchbinder, Williams, ließ sich vor nicht langer Zeit ein Patent für hohle Rüfen und für eine Springfeder zur Aufrechthaltung des Buchrükens ertheilen. Diese Erfindung hat sehr wenig Neues; indessen brachte

fie ihm viel Geld ein, da sie für die grossen Comp. toirbücher der Kaufleute von Nuzen war. In andern Büchern ist sie nicht anwendbar, und man sagt, eis nige Bücher, die diesen Patentband erhielten, hátten wieder umgebunden werden müssen.

Es folgen nun noch einige abgerissene Bemer fungen.

Wenn die deutschen Buchbinder rothe, blaue ic. Titel machen, so nehmen sie Papier von dieser Farbe dazu. In London wird blos Saffian dazu gebraucht.

Die Gesellen in London wohnen nicht in den Haus fern der Herren, und beköstigen sich selbst. Ihr gu ter Wochenloha welcher gegenwärtig anderthalb Guineen beträgt, sezt sie in den Stand, es zu thun.

In Deutschland überstreicht man den Juften zum Einbanden mit Eyweiß, welches ihn bleicht. Aber in England nimmt man Ochsenblut dazu, wodurch die Farbe desselben erhöhet wird.

Obwohl die deutschen Buchbinder in London übers haupt alle Theile der Kunst wohl verstehen und ausüben, fo liegt doch ihre Stärke vornemlich in der feinen Arbeit oder dem Vergolden, Titelmachen u. s. w. Es gez schieht nicht selten, daß ein Englischer Buchbinder ein Buch bis auf das Vergolden fertig macht, wel ches er dann von einem Deutschen thun läßt.

Die schöne Glätte der englischen Octavbånde ents steht grossentheils durch die Hornplatten, welche eine starke Politur haben, und wovon im Durchschnitte das Stük eine halbe Guinee kostet. Diese legt man auf die fertiggemachten Bücher von Octavformat, und preßt sie dann. Man kennt den Gebrauch der Hornplatten auch an einigen Orten in Deutschland, aber nicht allgemein.

Da die Fileten und Stempel für jeden Buchbin der feil sind, so dürfte man glauben, der Eine könnte ein Buch so gut damit verzieren als der Andre. Aber die grosse Kunst liegt in der Zusammensezung der Stempel. Es gehört Geschmak dazu, um zu sehen, was für Zierrathen mit einander harmoniren. Wie viel darauf ankomme, eutdekt man nicht eher, als bis die Bände eines geschmakvollen und eines gewöhnlis chen Kopfes bersammen liegen. Selbst die Londner Buchbinder handeln hierin zuweilen wie der Mann, der Epictets Lampe kaufte. Sie kommen oft zu einem der dortigen großen Buchbinder, und sagen: leiht mir doch eure Stempel! dort sind sie, antwortet er, nehmet allein die Menge verwirrt die Unerfah ren, und sie gesellen die ungleichartigsten Stempel zusammen, bis der geschikte Künstler selbst Hand an. legt, und ihnen zeigt, daß nicht das Werkzeug, sondern ein verständiger Gebrauch desselben die vollendes te Vergoldung hervorbringt.

Der reiche Schmuf der jezigen englischen Bånde schreibt sich, wie jeder Renner in England weiß, von dem grossen deutschen Buchbinder Baumgarten her, der vor etwa zwanzig Jahren in London Harb. Sein vieliähriger Compagnon und nunmehriger Nach. folger, Kalthåber vervollkommnete den englischen Einband noch mehr. Des lezteren Ruf seht nun seit v elen Jahren unerschüttert, und seine Kunstgrösse wird auf das unwiderleglichste durch das einstimmige Zeug nis aller andern englischen Buchbinder dargethan. Er erfindet immer neue Verbesserungen und Schönheiten in der Verzierung der Bånde; von ihm erhalten die Stempelschneider Zeichnungen der Muster, die er ausgedacht hat; allein man macht ihm leider alles

gleich nach, und so erndten Andre in kurzem die Früchte, welche sie nicht gefået haben. Die russische Kayserin schikte vor zwanzig Jahren einen besondren Abgeord neren nach London, um Kalthöber zu bemegen, daß er nach Petersburg kommen möchte. Die Bedingungen waren in der That kanserlich. Ein beträchtlicher Jahrs gehalt, Bedienung, Bohuung im Hallaßte, Freyheit und die Zusage, daß er klos für die Kayserin arbeiten follte. Allein Baumgarten, der damals noch lehte, widerrieth es ihm

Für Buchbinder ist vielleicht auch folgende Anecdote von Kalthöbern interesant. Er machte einst eine Lust parthie nach Windsor, wo ihm ein Tonlünster, Zinf, in Sr. Majestät Diensten, viele Artigkeiten erzeigte. Um sich erkenntlich zu beweisen, bar er sich von ihm ein in seinem Zimmer liegendes Oratórium von Hắn, del zum Binden aus. Zalthöber arbeitete mit Lust, und der Band wurde ein Kunstwerk ohne Tafel. Zink hielt es so hoch, daß er es ohne Futteral nicht aus den Hånden geben wollte, und bat daher Kalthöbern, ihm eines zu machen. Das Futteral sah gencu wie ein Buch aus, und war übrigens eine Meisterarbeit für sich selbst. Ausser der eigentlichen Buchbinder Ges schiflichkeit, die Kalthöver bewiesen hatte, verstand Nie mand es zu öfnen; auch war nirgends die mindeste Spur einer Defnung zu sehen, bis der Meister selbst den verborgenen Schieber anzeigte. Der König bekam es zu Gesichte, fragte nach dem Verfertiger, und sagte, daß er in feiner ganzen Bibliothek nichts ähnliches aufzuweisen hätte. Der Hof und alle Groffen betrach teten die schöne Arbeit mit Wohgefallen, und Zink sab fich genöthiget, ein Futteral über das Futteral von einem andern machen zu lassen, weil Kalthöber sonst

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