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ungefähr einen Begriff von dem jezigen Zustande dies ser Insel und deren Gouverneur, Toussaint L'ouver ture, machen kann. Das Memoir wurde durch die große Aufmerksamkeit veranlaßt, welche die französï= sche Expedition nach Westindien in England erregte. Diese Aufmerksamkeit dauert noch fort, und es werden daher folgende Auszüge einiges Interesse haben. Der Capitain Rainsford wollte nach Martinique und würde nach St. Domingo unter die Mauern von Cap François verschlagen.

„Die Böte der Brigands, sagt er, kamen bald zu uns und man empfahl mir als das einzige Mittel, die Confiscation des Schiffs zu verhindern, und meine Gefangennehmung zu vermeiden, daß ich mich für cis nen Americaner ausgeben sollte. Man erlaubte uns an der ehemals berührten Capstadt zu landen, und der erste Gegenstand, der mich unter tausend Schwarz zen und Mulatten anzog, war der achtungswerthe Toussaint, der sich mit zwey Gemeinen unterhielt. Er kam sehr höflich zu uns, fragte was es Neues gåbe, von wo wir kamen, und wohin wir wollten? Ich paste meine Antworten der Gelegenheit an, und flagte über die strenge Behandlung der Engländer, worauf er antwortete „mir scheint es, als ob die Engländer der „Mole St. Nicholas sehr überdrüßig wären.” Ich gieng von hier in das americanische Hotel, und sah dort an einer Wirthstafel zum erstenmal ein vollkom= menes Gleichheitssystem. Hier faßen Offiziere und Gemeine, der General und der Pfeifer ohne Unterschied an derselben Tafel beysammen. Ich hatte die Ehre neben einem fetten Trommelschläger zu fizen, der sich ganz ohne Umstände aus meiner Schüssel zulangte, und mich sehr oft mit den Worten begrüßte :

à votre santé bon Americain. Toussaint speiste auch hier, sezte sich aber nicht oben an, weil seiner Meynung nach keiner den Oberrang haben sollte ausser im Felde. Abends gieng ich aufs Billard, wo auch Toussaint hinfam. Man war dort sehr aufgeräumt, und seine Freundlichkeit vermehrte das Vergnügen der Gesellschaft ausserordentlich. Ich spielte mit ihm und nichts unterbrach die Unterhaltung, welche mir die Neuheit des Auftritts gewährte. Es waren mehrere Billardtafeln in demselben Zimmer, an welchem alle Anwesende eben so ungezwungen spielten, als sie mit einander gegessen hatten."

"Während ich diese einst so prächtige Stadt (Cap François oder le Cap) durchstrich, was für Zerstörung sah ich überall! Auf dem Orte, wo Eleganz und Ueppigkeit alle ihre Kräfte vereiniget h tten, den Wollüftling zu ergôzen, blieben jezt blos Trümmern übrig. Auf diesen waren einstweilen Häuser für die Americas nischen Kaufleute und kleine Låden der Eingebohrnen erbaut, aus denen die Zerstörung mit vergrößertem Schreken hervorleuchtete. In der großen Strasse standen noch die Mauern vieler prachtvoller Gebäude, die fünf bis sechs Stok hoch gewesen waren; hier und da sah man Stüfe von vergoldeten Balußraden von der köstlichsten Arbeit. Mitten unter dem Schutte zeigten sich auch zuweilen Skelette der ehemaligen Besizer von diesen Valasten."

„Ich gieng durch diese niederschlagende Scene nach einer Musterung, die über alle meine Erwartung war. Sie wurde auf der Ebene nicht weit von der Stadt gehalten. Generale und Fähndriche in Eins gerechnet, waren gegen zwey tausend Offiziere auf dem Plaze, welche insgesammt Gewehre trugen, aber sich mit

der äussersten Regelmäßigkeit und Beobachtung des Ranges betrugen; von dem Gleichheitssysteme des vorigen Tages in den Stunden der Erhöhlung war gar nichts zu sehen. Jeder General hatte eine HalbBrigade, die mit einer Fertigkeit exercirte, welche ich selten zuvor gesehen habe; sie machten auch vortreflich einige Manôvres, die zu ihrer eigenthümlichen Streits art passen. Auf den Ton eines Pfeifchens lief eine ganze Brigade drey bis vierhundert Schritt; dann trennte sie sich, warf sich flach auf die Erde, drehete sich auf den Rüfen und auf die Seiten, und unters hielt die ganze Zeit über ein starkes Feuer, bis sie zurüfcommandirt wurde, hierauf formirte sie sich wie der in ihre vorherige Ordnung. Dieses Manövre wird mit solcher Leichtigkeit und Genauigkeit ausgeführt, daß ihnen in holzigten und hüglichten Gegen, den schlechterdings keine Cavallerie ankommen fann." Ueberhaupt herrschte durchgängig eine so vollkommene Subordination, so viel Pünktlichkeit und Geschiflichkeit, daß ein Europåer, der nur einigermassen ihre vorherige Lage gekannt hätte, darüber erstaunt seyn würde."

دو

Nach der Musterung gieng ich wieder in die Stadt zurük. In einem weiten Plaze derselben sah ich mitten eine ansehnliche Erhöhung und einen Siz darauf. Es standen dort zwey Schildwachen, welche mich zwar hinauf steigen ließen, aber mich zu gleicher Zeit warnten, die dort aufgeftekte Freyheitsmüze nicht zu berühren, weil sie dem Santhonar und Polverel heilig sey. Gleich unter der Müze stand eine pemphafte französische Inschrift, die ungefähr, da ich sie nicht abzuschreiben wagte, also lautete: „Meine Freunde, wir kamen, euch „frey zumachen. Die französische Nation giebt der Welt

„Freyheit. Ihr seyd frey. Bewacht cure Freyheit. ,,Vive la liberté, vive la republique. Vive Robes,,pierre!" Der Inhalt dieser Inschrift machte, wie man mir sagt, einen Theil ihrer Rede im J. 1793 aus, als die Schwarzen und Mulatten sie im Triumphe nach dem Regierungshause trugen und nachher die Stadt an acht verschiedenen Orten anzündeten. Sie behandelten jede Weibsperson mit wilder Brutalität und stießen dann Mann, Frau und Kind mitdem Bajonet nieder. Zwey und sechszig tausend Einwohner verliegen die Stadt. Sie vertilgten die Weissen und weideten sich achtzehn Tage an ihrer Grausamkeit. Viele Americaner erinnern sich noch, daß der Anblik der brennenden Stadt, der ans gränzenden Zuferwerke 2c. der allerfürchterlichste war, den sie je gesehen haben.”

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Man hålt St. Domingo für die reichste unter allen Westindischen Inseln, so wie sie die gröste ist, wenn man Cuba ausnimmt; und die Natur scheint Vors. züge auf sie verschwendet zu haben, die sich in andern Inseln nur zum Theil finden. Sie ist ungefähr 400 englische Meilen lang und mehr als 70 Meilen breit, dennoch durchaus bevölkert. Sie ist von Natur unver gleichlich vertheidiget, denn was kann mehr bevestigen als ungeheure Felsen und weit ausreichende Sandbanke? Sie enthält Gold: allein das ist in der That vielleicht das Product, welches hier den wenigsten Werth hat. Ihren mannigfaltigen Boden bewässern die allerreizende sten Flüsse.

,,Aus diesen Ursachen wird die Arbeit des Pflanzers sehr verkürzt: jeder, was auch sein Beruf seyn mag, hat Muße vollauf. Wenn doch der Landmann anderer Gegenden nur einen Theil von der Bequemlichkeit hätte, welche der Taglöhner in St. Domingo übers flüßig genießt!"

"In dieser Insel bringt jedermann eine gewisse Beit mit Arbeit hauptsächlich mit Landarbeit zu; und alle ziehen zu Felde, weil sie es für Pflicht gegen sich selbst balten. Ihr Betragen bildet das vollständigste Ganze, und ich habe niemals gesehen, daß sie in et was eingewilliget hätten, ohne es von ganzem Herzen zu thun. Ich bin öfters bey ihren Musterungen auf den Ebenen des Caps zugegen gewesen; sechszigtaus send Mann waren zu gleicher Zeit in völliger Subor dination beysammen; ihr vereinigter Entschluß gegen einen einfallenden Feind würde Sieg oder Tod seyn. Es bedarf unter ihnen keiner Gewalt, keines Zwanges, weswegen hieroon niemals die Rede ist: die einzige Strafe besteht in einem Gefühl von Schaam, weiche mit einem unbedeutenden Arreste verbunden ist."

"Ich weiß nicht was man für Hofnung begen kann, ein Volk mit Erfolg zu befriegen, das mit Ord, nung wild ist, sich aus eigenem Antriebe disciplinirt hat, undurchdringliche Befestigungen auf einem der schönsten Länder der Erde beszt, und für jeden An grif von aussen beynahe unzugänglich ist. Wahrschein lich glaubt man mit Toussaint irgend eine gütliche Ucbereinkunft zu treffen; das könnte geschehen: aber ich bin fest überzeugt, daß man St. Domingo nic mals auf eine andre Art unterjochen wird. Wäh rend die Schwarzen und Mulatten auf die beschriebene Weise vereiniget bleiben, würden fünfzigtausend Mann in kurzer Zeit dem Versuche eines Angrifs unterliegen müssen. Und gesezt die Anzahl, welche Frankreich jest wider sie geschikt hat, könnte hinreichen eine einstweilige Eroberung zu bewirken, wie viel Menschen würde es wohl erfordern, fie in beständiger Unterwürfigkeit zu erhalten?"

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