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hierin übertroffen haben. Er stand allezeit sehr früh auf, oft um vier oder fünf Uhr des Morgens, bejon ders im Winter, weil er dann gewiß war, daß ihm nic mand seine Zeit rauben würde. Auf diese Art fonnte er dann und wann die Gesellschaften sowohl in Salisbury als der umliegenden Gegend besuchen, ohne seinen Hauptzwek, das Studium der alten Litteratur zu sehr aufzuopfern.

Erst viele Jahre, nachdem er aus London gezogen war, begann er den Aristoteles mit dessen Auslegern zu lesen und die tiefen Untersuchungen der griechischen Philosophie anzustellen, welche ihn in der Folge so bes rühmt machten. Er hatte ein Vorurtheil eingefogen, welches damals felbk unter Gelehrten sehr gemein war, das Ariftoteles ein dunkler Schriftsteller sey, aus dem man wenig lernen könnte und dessen Philosophie der Lokischen mit Recht Plaz gemacht hätte. Harris bat selbst mit eben soviel Deutlichkeit als Ansehn durch seine Schriften dazu beygetragen, diese vorgefaßte Meynung zu widerlegen.

Mitten unter seinen gelehrten Arbeiten verlor cr jedoch niemals das öffentliche Beste aus dem Gesicht, sondern verwaltete ein Obrigkeitliches Amt für die Grafschaft Wilts mit großer Regelmäßigkeit und Treue. In diesem Posten erhielt er viele Anlaße, einen månn, lichen Muth und wohlverstandene Festigkeit zu zeigen, ohne welche die blos förmliche Ausübung der Magistrats, pflichten oft unnůz und unwirksam ist.

Die erste Frucht so vieler Jahre, die er in der Erwerbung gelehrter Kenntnisse und in der tiefsten Be schaulichkeit zugebracht hatte, war ein Band von drey Abhandlungen, die im J. 1744. erschienen. Die erste handelt von der Kunst; die zweyte von der Musik, Mah

leren und Dichtkunst; die dritte von der Glükseligkeit. Wie man diese aufnahm, beurkunden mehrere Ausgaben derselben: auch haben wir zwey deutsche Ueberfezungen davon, Danzig 1756 und Halle 1780, wie Herr Hofrath Adelung in der Fortsezung von Jöchers augem. gelehrten Lerico sagt. Diese Abhandlungen find unabhängig von ihrem Verdienst, als Originalschriften mit einer Menge gelehrter Anmerkungen und Beobachtungen bereichert, wodurch viele schwere Stellen der alten Autoren erklärt worden, deren Lesung und Prüfung Harris ernstlich zu befördern und zu er leichtern wünschte. Lord Monboddo sagt von dem Dialog über die Kunst, er enthielte unter allen nenes ren Schriften, die ihm bekannt wären, das beste Beyspiel von Eintheilung oder von der diåretischen Manier, wie sie die Alten nannten.

Im July 1745 heurathete Harris Miß Elifabeth Clarke, die Tochter und Erbin des John Clarke Esq. aus Sandford bey Bridgewater in der Grafschaft Somerset. Sie schenkte ihm fünf Kinder, wovon zwey stars ben. Lord Malmesbury und zwey Töchter überlebten den Vater.

Diese Veränderung zog seine Aufmerksamkeit keis nesweges von den Studien ab, woran er so großes Vergnügen fand, und die er mit so vielem Vortheile und Ruhme anbauete. Im J. 1751 gab er den Hermes *) oder eine Untersuchung über die allgemeine

*) Wir verdanken eine treffliche Uebersetzung dieses berühm, ten Buches dem gelehrten Herrn Prof. Ewerbeck in Danzig: Hermes, oder philosophische Untersuchung über die allgemeine Grammatik von Jacob Harris. Uibersezt von Ewerbeck, nebst Anmerkungen und Abhandlungen von F.A.Wolf und dem Uibersezer. Halle 1788. Herr Prof. Vater in Halle scheint diesen Gegenstand in seinem Ver

Grammatik heraus. Lowth, der berühmte Gettesgelehrte und ehemalige Bischof von London, sagt von diesem Werke in der Vorrede zu seiner englischen Grammatif: Wer in die allgemeine Grammatik tief ein,,dringen will, findet den Gegenstand ausführlich, ge „nau, mit dem größten Scharfsinn der Untersuchung, ,,mit Deutlichkeit und Geschmat in einer Schrift, genannt Hermes, von Jacob Harris behandelt: seit den Tagen des Aristoteles ist dieses das schönste Beyspick von Analysis."

Was ihn zuerst auf eine so tiefe und genaue Erforschung der Grundsäße der allgemeinen Grammatik brachte, war ein Buch, das er sehr hoch schäzte, und welches er oft in seinem Hermes angeführt hat, die Minerva des Sanctius. Er gestand, von diesem Schriftsteller ausnehmend viel Wichtiges gelernt zu haben. Man sicht, daß er es wohl zu benußen, und, mit Hülfe einer vielseitigen und ausgebreiteten Gelehrsamkeit, feine Untersuchungen über die Grammatik noch weiter zu führen wuste.

Bon seiner Heurath bis ins Jahr 1761 hielt er fich beständig in Salisbury auf, ausgenommen im Eommer, da er zuweilen auf sein Landhaus in Durnford unweit dieser Stadt zog. Dort sah er sich am wenigsten durch Gesellschaft und Geschäfte gestört und crhielt Muße, den größten Theil der Werke niederzuschreiben, welche die Frucht seiner mühsamen Studien waren. Er vertheilte seine Zeit in die Sorge fire feine Familie, die sein größtes Glück ausmachte, so=

suche einer allgemeinen Sprachlehre, Halle 1801. 8. noch gründlicher behandelt, und alles, was ver ihm darüber gesagt worden, benujt zu haben.

dann in seine gelehrten Beschäftigungen, und in die Gesellschaft seiner Freunde und Nachbarn, mit denen er beständig auf dem freundschaftlichsten Fuße lebte. Sein Geschmak in der Tonkunst war eben so ausge zeichnet als seine Geschiflichkeit in derselben, und er hörte Musik mit enthusiastischem Beyfall; dies trieb ihn an, sich für den Fortgang dieser Kunst in seiner Ges burtsstadt mit vieler Mühe zu verwenden, welche den glücklichsten Erfolg hatte. Unter seiner Aufsicht wurde alljährlich in Salisbury ein musikalisches Fest begangen, das besser gedich, als die meisten Stiftungen dieser Art; selbst die gewöhnlichen Unterzeichnungs- Conzerte in Salisbury erhielten durch seine Anordnung und unmittelbare Theilnahme einen Glanz und einen Beyfall, deren man sich in England, außer der Hauptñadt, selten zu erinnern weiß. Für diese Feste und Conzerte wählte er mit Geschmak das Beste aus den Werken der italienischen und deutschen Tonseßer, und paste ihnen Texte an, die er entweder aus der Schrift, oder aus Miltons verlornem Paradiese nahm, wenn er sie nicht selbst dazu gedichtet hatte. Viele von diesen vortreflis chen musikalischen Blumenlesen haben die Gelegenheis ten, für welche sie gemacht wurden, überlebt, und stehen unter den Engländern noch jezt in großem Ansehen. Herr Corse, Organist an der Cathedralkirche in Salisbury, hat zwey Bånde davon herausgegeben; die übrigen befinden sich noch handschriftlich in Lord Malmesbury's Familie. Auch in seinem Hause kamen sehr häufig Freunde zusammen und ergözten sich mit der Tonkunft. Es ist eingestanden, und die Stadt Salisbury rühmt es mit einstimmigem Danke, daß Harris sowohl durch seine eigene Unterhaltung, als durch die erlesene Gesellschaft, die er aus allen Gegen

den der Insel um sich versammelte, dazu beytrug, den Geschmat und die Sitten seiner Vaterstadt zu verfeinern und zu veredeln.

Auf das Verwenden eines nahen Freundes wurde er im J. 1761. zum Parlamentsgliede für den Burgfleken Christ Church gewählt, und er behielt diese Ehrenstelle bis an seinen Tod. Das Jahr darauf wurde ihm der Posten eines Lords der Admiralität übertra= gen, und 1763 machte ihn der König zu einem Lord der Schazkammer. Diese Würde bekleidete er, bis das Ministerium, mit welchem er in Verbindung stand, im I. 1765 abdankte. Er blieb dann einige Zeit ohne öffentliches Amt bis 1774, da er Secretair und Controleur der Königin wurde. Auf diese Stelle leg= te er allezeit einen grossen Werth nicht nur wegen der schmeichelhaften Art, womit sie ihm die Königin übertrug, sondern auch wegen der häufigen Veranlassungen, die er dadurch erhielt, die Güte und Herablassung der Königin zu erfahren, welche er ohne Unterbrechung bis an sein Ende genoß, denn er starb in ihrem Dienste.

Ob er gleich seine Pflicht im Parlamente fleissig erfüllte, und verschiedentlich an den Debatten Theil nahm, so ausserte er doch niemals einen heftigen Partheygeist, den er ohne Unterschied verabscheuere; auch ließ er sich von öffentlichen Geschäften niemals abhalten, die noch interessanteren Studien zu verfolgen, welche er in seinen frühern Jahren mit so vieler Liebe getrieben hatte. Litten sie ja einige Unterbrechung wäh rend der Sizung des Parlaments, so erneuerte er sie mit desto größerem Eifer und Vergnügen, wenn er wieder aufs Land zurükkehrte. In London besuchte er mit größtem Genuße zahlreiche und fröliche Gesellschaften,

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