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Weber den Handel zwischen England und Rußland;

(aus dem Schreiben eines englischen Kaufmanns in Petersburg vom 20ßten September 1801. *)

Die Vorfälle im baltischen Meere zu Anfange die ses Jahres haben den Engländern sowohl in Petersburg als in ganz Rußland Achtung, und die Mässts gung unsres Cabinets beym Friedensschlußse hat ihnen Liebe verschaft. Doch darf man nicht vergessen, daß die französische Revolution eine Colonie von Emigranten aus Frankreich nach Nußland geschikt hat, welche den Saamen einer neuen Anhänglichkeit für französische Ges bräuche, Literatur, Kunst und Sitten ausgestreuet haben, der am Ende unvermeidlich einen beträchtlichen Einfluß erzeugen, und den Franzosen sowohl in politischer als gewerblicher Hinsicht fortdauernd gún, ftig seyn wird.

Die Russen erhalten aus den englischen Häfen westindische Colonialwaaren, brittische Manufacturen und selbst verschiedene oftindische Producte. Grosbrie tannien hat auch schon seit langer Zeit einen grossen Theil des Commissionshandels zwischen Rußland und den südlichen Häfen von Europa besessen. Hanf, Flachs, grobe Leinwand, grobe wollene Zeuge, Häute, Leder, Talk, Bauholz, Pelzwerk, Eisen, Potasche, Waizen, Roggen, Schweinsborsten, Federn für Betten, Federspulen, Werg u. s. w. bilden die Hauptausfuhr aus Rußland nach England. Da die Güter, welche England aus Rußland zieht, entweder rohe Materialien oder grobe Fabricate sind, so entsteht daraus ein Handel, welcher weniger schwankend und ungewiß ist,

*) Dieses Schreiben steht in Commercial Magazine for Ootober 1801.

als der, welcher mit englischen Manufacturen nach Rußland geführt wird. Die Einfuhr grober wolle ner Zeuge aus Rußland nach Grosbritannien ist für den Flor der englischen Wollenmanufacturen ausneh, mend gefährlich. Die schottischen Linnenmanufactu ren sind allezeit durch die Mitbewerbung der groben russischen Leinwand niedergedrüft worden. Da Hanf und Flachs diejenigen rohen Materialien sind, wor. auf der Pfeiler Grosbritanniens, Marine und Hans delsschiffe, zum Theil ruhet, so sollte man im englis schen Akerbau nothwendig darauf Rüksicht nehmen: allein dies geschicht wegen des englischen Verkehrs mit Rußland nicht. Ju Absich der Manufactur des Les ders erhebt sich England allerdings schon über Russ land. Allein es ist eben so schimpflich als bedauernswürdig, daß der Landbau und die Holzpflanzungen in Grosbritannien und Irland nicht mit gleichem Fleiße betrieben werden; geschjähe dies, so würden die drey unirten Reiche in Hinsicht zweyer Artikel, worauf das politische Daseyn der Nation fast ganz beruhet, nicht von andern Ländern abhängig seyn dürfen. Wenn das Capital, welches England nothwendigerweise vor freken muß, damit der Akerbau und die Manufacturen in Rußland nicht ins Stoken gerathen, auf den Hanf bau, die Holzanpflanzung und die Manufactur gro ber wollener Zeuge in England gewandt würde, so fönnte das brittische Handelsglük bald auf einen viel festeren Fuß, als jezt, gestellt werden. Mittlerweile müssen wir Kaußcute, die im Verkehr mit Rußland begriffen sind, demselben seinen Lauf lassen, went wir etwas dabey gewinnen wollen.

Diejenigen, welche besorgen, daß selbst vermits telft des englischen Handels etliche der vorzüglichsten

Zweige der brittischen Industrie von Grosbritannien nach Rußland übergetragen werden dürften, können sich allerdings damit beruhigen, daß dies nicht so bald geschehen kann. Die russischen Bauern find immer noch servi adscripti glebae. Rußland wird mehr durch. Gewalt und durch das Schwerdt des willkührlichen Despotismus, als durch Geseze regiert. Es ist eine ungeheure Wildniß, die nicht vertheilt, elend be wohnt, und nur hier und da angebaut ist. Es kann nicht cher ein grosses Manufactur- und Handelsiand werden, als bis seine innere Colonisation vollständiger wird. Es fehlt hier an Landßtrassen, Brüfen, Wirthshäus jern und Canalen, an der Vertheilung der Markt- und Voststädte in bequeme Entfernungen. In allen diesen Dingen muß sich Rusland erst ausnehmend bessern, ehe es in Betref der Mufacturen Grosbritannien einen merflichen Abbruch thun kann. Aber die Brits ten hängen bereits zu sehr von Rußland in den Artis feta ab, die für ihren Wohlstand und ihre Sicher heit von der äussersten Erheblichkeit find; mit ihren Producten und Manufacturen bringen sie die Russi schen empor; fie nehmen von Rußland nicht nur, was sie auch fernerhin mit Vortheil von dort ziehen köns nen, sondern auch solche Producte, die sie selbst bauen follten. Das russische Reich wird jezt hauptsächlich auf Kosten der brittischen Nation civilifirt und ange baut: ich vermuthete dies schon vordem; jezt aber kann ich Ihnen aufrichtig versichern, daß mich alle meine Erfahrungen und Bemerkungeu, seitdem ich in Petersburg etablirt bin, in dieser Meynung bestärken.

Der Ein und Ausfuhr Handel ist hier gegens wärtig ungemein lebhaft. Während der Friedensunterhandlung fehlte es in England außerordentlich an verschiedenen russischen Gütern. Andrerseits, da wes der die russischen noch deutschen Häuser Capitalien genug befassen, um die russischen Manufacturen während der Unterbrechung des Handels mit Grosbritans nien aufrecht zu erhalten; so konnte man die Sachen, welche Rugland zu liefern pflegte, nicht bekommen, bis die Communication wieder geöfnet wurde, und englisches Geld aufs neue ins Land kam. Dies verurs

fachte in allen westlichen und südwestlichen Provinzen von Rußland, wie auch in der Gegend von Archangel eine unglaubliche Thätigkeit unter denen, welche der Gewerbsleis beschäftiget, und ungeheure Unkosten von Seiten der englischen Kaufleute, welche sich Schifss frachten von russischen Gütern, die sie brauchten, zu verschaffen suchten, sie mochten kosten, was sie wolls ten. Zur Zeit des Friedens gebrach es den Russen ebenfalls sehr an der gewöhnlichen Zufuhr brittischer Güter. Wenige russische Kaufleute waren im Stande, sich auf den lezten deutschen Messen einzufinden; denn der russische Kaiser Paul hatte den Handelsverkehr seiner Unterthanen mit ihren Nachbarn auf alle mög liche Weise erschwert. In den Waarenhäusern und Låden fehlte es an baumwollenen Zeugen und an al lem übrigen. Deswegen giengen englische Güfer allerdings rasch ab, und wurden mit Vortheil abgesezt; aber man mug hier ausdrüklich langen Credit geben, und die Russen fordern für ihre Producte dennoch, was he wollen.

Meine unmittelbare Beobachtung schränkt sich blos auf Petersburg ein. Was würden Sie wohl in London denken, wenn Sie keine andre Brüfen über die Themse hätten, als solche, auf denen die Veters burger über die Neva gehen? Dies sind bloße Schife brüfen, die hier und da Zichbrüfen haben, damit Böre durch fönnen. Diese Brüfen werden alle Jahre abges brochen, sobald die Neva gefriert. Binnen zwey Stun den kann eine jede Brüfe dieser Art getrennt werden, und im Sommer erfordert es nicht mehr als vier bis fünf Tage, sie wieder herzustellen.

Im Petersburger Hafen kommen jährlich unges fähr tausend Schiffe an, wovon beynahe die Hälfte englische sind.

Der Handelsstand genießt hier ansehnliche Freys heiten. Man theilt ihn in drey Classen: 1) rußische Kaufleute in Petersburg; 2) rußische Kaußeute, die zu andern Theilen des Reichs gehören; 3) fremde Kaufleute. Unter den fremden Kaufleuten geniessen bes sönders wir Englischen das Privilegium einer Factorey und andre Rechte.

Die Geschäfte der rußischen mit den fremden Kaufleuten werden auf folgende Art betrieben. Die rußischen kommen aus allen Theilen des Reichs hierber, und bringen Proben von den Manufacturen mit, die sie zu verkaufen haben; die Proben theilen sie den englischen und andern fremden Kaufleuten mit; sobald man Handels cins ist, wird der Contract von einem Notarius publicus unterschrieben; die Proben werden mit den Betschaften des Käufers und Verkäufers versiegelt und sorgfältig aufbewahrt; dann bezahlt der Käufer entweder den ganzen oder den halben Preis zum Voraus. Das folgende Frühjahr werden die bes handelten Güter auf Kähnen die grossen Flüsse hinah nach Betersburg gebracht. Nun untersuchen Deputas tionen von geschwornen Kaufleuten, ob die zum Ausliefern gebrachten Güter in Qualität den Proben gleich sind, nach welchen sie behandelt wurden. Haben die Güter die Billigung der Geschwornen erhalten, so werden sie angenommen, gepakt und zur Versendung auf Schiffe gebracht. Diese Güter kommen bauptsäch lich auf der Wolga und auf den mit ihr verbundenen kleineren Flüssen aus dem Inneren des Landes.

Fremde Waaren, die in Petersburg eingeführt werden, bezahlen erstlich den gewöhnlichen Zoll; dann werden sie im Zollhause niedergelegt, bis sie entweder verkauft oder in die Waarenlager des Einführers oder feines Commisionårs geschaft werden können. Fremde Güter werden niemals verkauft, ohne ein ganzes Jahr Credit zu geben. Daher haben die fremden Kaufleute die rußische ordentlicherweise auf zwey Jahre voraus bezahlt, weil sie nicht nur das Geld für die rußischen Güter vorstreken, sondern auch mit der Befriedigung für die ihrigen ein ganzes Johr warten müssen. Viele englische und andre fremde Kaufleute, welche hier ans säßig sind, finden es vortheilhaft, sich auf Lebenszeit oder auch nur auf zehn Jahre das Bürgerrecht von Petersburg ertheilen zu lassen. Sie erhalten dadurch kassen. alle Privilegien der rußischen Kaufleute, ohne derer verlustig zu werden, die ihnen als ausländische Han delsleute gehören.

Ich füge hier ein Verzeichniß der Artikel bey, wels

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