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Belten, welche allerley Farben und Gestalten hatter, waren über eine Gegend von verschiedenen Meilen unregelmässig zerstreut, und wegen des weissen Bodens der Landschaft, konnte man alles, was sich bewegte, deutlich sehen. Das Ganze glich einem grossen Jahre markte eine Menge Soldaten, die ohne Sold dienen, treiben einen kleinen Handel, wovon sie sich nähren z ausserdem giebt es Handwerler aller Art, welche dem Lager folgen: etliche halten Caffeehäuser, die man an einer rothen Flagge kennt; andre sind Roßtäuscher; und man bört unablässig eine Menge Leute schreyen, welche entweder ausrufen, was Jemand verloren hat, oder welche allerley Dinge verauctioniren. Es ist leichter, sich einen so verwirrten Auftritt einzubilden als ihn zu schildern; er wurde sehr finnreich von einem Tür, ken beschrieben, den man fragte, wie sich sein Volk zu Lagern pflegte? "So" fagte er, indem er eine Handvoll kleines Silbergeld aus der Tasche zog und es ohne Ordnung auf den Tisch fallen ließ.

Mit diesem Zustande von Unordnung verbinden fie die Dummheit, sich für sicher zu halten, wodurch zu jeder Zeit eine sehr grosse Macht von einer schwås chern aufgerieben werden kann. In der türkischen Armee denkt man an keine der behutsamen Maasregeln, wels che in grösseren Heeren zur Verhinderung eines unvers mutheten Ueberfalls für nöthig erachtet werden. Als Herr Morier landete, stellte sich ihm ein überaus merk würdiges Beyspiel von diesem Zustande von Unsicher, heit dar. Es war tiefe Nacht; er gieng mitten durch das Lager, ohne daß man ihm nur einmal zugerufen hatte; er begegnete nicht Einem Menschen; die ein sigen Zeichen, welche einen menschlichen Auffenthalt vermuthen liessen, waren die Zelten, nebst denen darum

und über ihrem Futter stehenden Pferden, Cameclen und Eseln. Diese Stille erinnerte ihn vielmehr an das wandernde harmlose Leben der Vorwelt, als an des Heer eines Despoten, das der Eroberung entgegen rüfte. Wäre er ein Spion oder ein Mordbrenner gewesen, so hätte er ungestraft entkommen können.

Es wäre lächerlich, wenn man glauben wollte, daß Niemand unter den Türken diese Mångel einfähe. Viele gestehen sie ein, zu gleicher Zeit aber sollten sie eingestehen, daß sie keine Reform machen können; denn diese kann lediglich durch eine Aenderung der Relis gion bewirkt werden. Sie glauben an ein unverán, derliches Gefchik und unterlassen alle Sicherheitsmaas regeln, weil diesem Glauben zufolge das Geschik der Armee vorherbestimmt ist; eben deswegen unters Lassen sie für die Gesundheit der Truppen zu sorgen. Wenn die Armee nicht täglich fortmaschirt, so verle, gen sie ihre Lager niemals, ob diese gleich vielleicht mehrere Monate lang auf demselben Boden geftanden haben. Mithin wird die Luft bald angesteft, nicht nur aus natürlichen Ursachen, sondern auch durch die Fäulnis der gefallenen Pferde, Cameele u. f. w. die in einem solchen Lager häufig vorhanden sind. Die Lehre von der Seelenwanderung würde hier wahre scheinlich von Nuzen seyn, da sie vielleicht einem Körper, den eine menschliche Seele belebt hat, Begräbniß verschaffen fonnte. Die schädlichen Ausdünstungen, welche von einer solchen Anhäufung von Unfath aufReigen, verursachen nothwendiacrweise höchst bösartige Fieber in den türkischen Armeen, und entseglich! je der Unglütliche, den die Krankheit befällt, kann die Wiedergenesung blos von einer festen Natur hoffen, da ich Niemand, um ihn befindet, der. Etwas von der

Heilkunde verstånde. Manchmal hat ein Pascha zufälligerweise einen Arzt in feinem Gefolge; aber dies ser muß entweder blos seinen Herrn besorgen, oder er versteht so wenig von seiner Kunst, daß er bey gefähr= lichen Fällen von keinem Nuzen ist.

Eine türkische Armee erscheint nie in einem nachs theiligerem Lichte, als auf dem Marsche, weil dann ihre Schwäche auf alle Weise sichtbar wird. Den Abend zuvor macht ein Ausrufer die Stunde bekannt, zu welcher des nächsten Morgens ausmarschirt werden soll. Das Gepák, die Rüstwagen u. s. w. rüfen zuerst ohne die mindeste Bedefung aus; jeder mar. schirt so langsam oder so geschwind als er will. Fuß, volk, Reuterey, Geschüz, alles bricht auf, und ver mengt sich; solchergestalt wird ein unermeßlicher Haufe gebildet, der einer auswandernden Colonie gleicht; und die grosse Anzahl von Vereinzelten, welche die Seiten der Heerstraffen des Plünderns wegen anfechten, macht es sehr gefährlich, den Haufen zu ver laffen.

Zwey Umstände erschweren es, mit Genauigkeit die wahre Zahl einer türkischen Armee zu bestimmen: erstlich die unglaubliche Menge derer, welche ihr aus hundert Ursachen, nur nicht des Streitens wegen, folgen, und doch nicht leicht von dem Soldaten un terschieden werden können; zweytens die unter den Be fehlshabern sehr häufige Gewohnheit mehr Leute einzuberichten, als sie wirklich ins Feld bringen, um dieDeputate und Rationen derselben selbst zu ziehen. Dies Armee, bey welcher sich Herr Morier befand, sollte 80,000 Mann stark seyn; allein eine gute Hälfte da von waren Müssiggånger aller Art. Blos das Lager des Grosveziers, das aus seinen Begleitern und aus

den Staatsministern bestand, belief sich auf 10,000 Mann. Ein blosser Officiant oder Copist in einem Collegio hat seine zwey Zelte; denn er braucht einen Bedienten, einen Waffenträger, einen Pferdeknecht, einen Koch und einen Mann, der seine Zelte aufschlägt und abbricht, nebst einer Anzahl von Pferden und Cas meelen.

Die verschiedenen Staatsminister folgen dem Gross vezier in den Krieg, und ihre Departements in Conftantinopel werden mittlerzeit durch Stellvertreter ver waltet. Diese Minister sind einem Heere nicht nur das durch hinderlich, daß sie eine Menge unnüzer Leute und viel Gepåk mit sich bringen, sondern auch durch die Langsamkeit der Entschlüsse. Denn, obschon der Grosvezier den Sultan vorstellt, und die oberste Ge walt hat, so werden doch die Minister oft über einen militärischen Gegenstand zu Rathe gezogen.

Jussuf Pascha, der jezige Grosvezier, ist aus Geor. gien gebürtig und war ursprünglich ein Selave; dana erhielt er bey dem lezten Pascha von Erzroum das Amt eines Tutungi - Baschi; und durch die Reichthümer seis nes Banquiers, eines Armeniers, wurde er erstlich zum Musselim oder Civilgouverneur von Erzroum und nach dem Absterben seines gewesenen Herrn zum Pascha von Erzroum ernannt. Auf den guten Rath feines Banquiers ließ er die Gold- und Silberbergwerke, welche fich dort befinden, bearbeiten, und erwarb sich durch die Milde seiner Regierung sowohl die Liebe seiner Uns terthanen, als das Wohlwollen des Sultans, der ihn zum Pascha von zwey Rosschweifen oder vom zweyten Range machte. Bald nachher wurde er mit der Würde eines Pascha von drey Schweifen bekleidet, und nach dem Anfange des Krieges zwischen Frankreich und

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der Türken wurde er Grosvezier. Als Pascha feste er einen Tag für Oscherrid *) aus, und erlaubte seis nem Gefolge, mit Ståben nach ihm zu werfen. Un glüflicherweise warf ihm einer davon sein rechtes Auge aus. Tags darauf wurde er geholt, um eine Summe Geldes zu erhalten, wobey ihm bedeutet wurde, den Bezirk seines Herrn zu verlassen, damit dessen Zorn nicht etwa Rache nach sich ziehen möchte. Man ers zählt diese Anecdote von Jusuf als einen Beweis seis ner Sanftmuth. Er ist jezt über sechszig Jahre alt, und ein Mann von feinen, einnehmenden Sitten. Die Türken halten ihn für einen gelehrten Mann, weil er sich vermöge einer mittelmäßigen Kenntniß des Arabis schen und Persischen gut auszudrüfen weiß. Er ist von sanftem Charakter, aber daben schwach und unentschloss fen. Die Vorurtheile, welche bey den meisten Türfen so tiefe Wurzel gefaßt haben, daß man sich vergeblich bemüher, fie auszurotten, find nicht weniger stark bey ihm. Rath nimmt er indessen geduldig und selbst dankbar an. Da er zur Regierung des Staats und zum Befehle einer Armee gerufen wurde, ohne je Staats. mann oder General gewesen zu seyn, so muß seine poLitische und militärische Kenntniß sehr enge Gränzen haben. Allein es ist einer von den eigenthümlichen Zu gen des türkischen Regierungssystems, daß man dafür hält, ungebildete Männer empfiengen durch die Erbes bung zu den wichtigsten Pflichten im Staate zugleich

*) Dies ist eine militairische Nebung, welche darinn besteht, daß man in vollem Sprunge hinter seinem Gegner her. reitet, und einen Stab, der etwa vier Fuß lang ist, und zwey Zoll im Umfange bat, auf ihn zùwirft. Der Gegner sucht ihu entweder mit seinem eigenen Stabe øder dadurch zu variren, daß er sich auf den Naken seines Pferbes butt.

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