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ren, wo Mig Wilmot wohnte. Eine schmuzige Magd öfnete die Thür. Ihre Mamsel war nicht zu Hause; ich stieg aus dem Wagen, und gieng in ihr Besuchzimmer, *) da ich hörte, sie würde bald zurükkommen. Man ließ mich allein. Ich machte die Cammerthüre auf, welche aus dem Puzzimmer gieng: ein vollstån diges weiß seidnes Kleid lag auf dem Bette. Während ich die Stube durchmusterte, machte mich ein laus tes Klopfen an der Gaßenthüre stuzig. Ich gieng wie. der in das Visitenzimmer zurück und wartete mit be klemmtem Busen auf die Ankunft der Person, deren Triumph sowohl meinen Stolz als meine Empfindlichfeit gereizt hatte.

Sie war schön, obgleich sichtlich etwas älter als ich. Ueber einen Anzug aus gedruktem irländischem Mugelin trug sie eine Saloppe aus schwarzer Gase, und dazu einen mit blaßrothem Band besezten Stroh, but; sie war eine große Figur mit sehr gefälliger Miene; fie schien betreten und verwirrt; ihre Lippen sahen bleich. Ihre Verlegenheit gieng mir nahe, ich bat fie sich zu beruhigen, und wir sezten uns bende gefaßter. „Ich kam her", sagte ich, „mich zu erkundigen, ob Sie einen Herrn Robinson kennen?" Ja, antwortete Mig Wilmot, er kommt oft zu mir. Sie zog im Res den einen Handschuh ab, und als sie die Hand über die Augenbraunen bewegte, erblikte ich an ihrem Fins ger einen Ring, welchen ich für den meines Mannes erkannte. »Ich habe nichts weiter hinzuzufü gen", erwiederte ich, als daß Sie die Güte haben mögen, mich von Hrn. Robinsons Wohnung zu unters richten, ich habe ihm etwas zu bringen." Sie lächel

*) So wohnen die feilen Mädchen in Loudon.

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te und maß mich mit den Augen. „Sie find Herrn Robinsons Frau", hub sie mit zitternder Stimme an, „Sie müßen es seyn, und vielleicht gehörte Ihnen dies fer Ring; seyn Sie so gütig, ihn zurük zu empfangen.”

Ich weigerte mich. Sic fuhr fort: „Hätte ich ge= wust, daß Er. Robinson an eine solche Frauverheu rathet ist " Ich stand auf, um zu geben. Sie sagte noch: Ich will ihn nie wieder sehen unwürdiger

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Mann niemals nehme ich ihn wieder an." Ich konnte nicht antworten, sondern gieng hinunter uud fuhr nach Haus.

Tags darauf verhörte sie ihren Mann. Er verhehlte ihr nichts; founte aber nicht herausbringen, wer ihn angegeben hatte. Er hatte eine zu hohe Meynung von Lord Lytleten, um ihn für einen Berräther zu halten. Eines Abends traf sie die berühmte Schauspielerinn Abingdon *) an einem dritten Orte; ihr fam

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*) Es ist unmöglich sich hierbey nicht an die vertrefflichen Briefe zu erinnern, die der große Lichtenberg im J. 1775 aus Londen an Boie schrieb. Es traf sich sehr seltsam daß er sich in der Galerie des Opernhauses mit Mistres Abinadon zusammenfand, welche, wie er, die Signora Gabrieli hören wollte, sich aber vermummt hatte. Er suchte sein bestes Englisch zusammen, um ein Gespräch anzutnüpfen: aber der eindringende Menschenbaufen zerschnitt es; s. dessen auserlesene Schriften, Baireuth 1800. . 148. – Ebendaselbft S. 138 nenut er die Mistref Adingdon eine in mehr als einer Rüfficht so merkwür dige Frau, daß er Boien leicht ein kleines Merk darkber schreiben finnte. Und", fezt er hinzu, „båtte ich Ihnen durch eine solche Schrift die Talente diefer ungewöhnli chenle genau entwileft, so würde ich, glauben Sie mir, folter darauf fern, als auf irgend ein approbirtes Werk in diesem Fache." Die hierauf folgende Schilde. rung hat die geheime Magie, welche Lichtenberg in alle seine Worte zu legen wußte. Vem Anzuge der Mrs A. saat er: der Echnitt ihrer Kleidung, und ihr Kopfpuz ist jederzeit im größten Geschmale; fic tritt daher selten auf das Theater, daß nicht die Mode der feinen Welt hinter ihr hertråte.

es vor, als ob sie nie eine aufgewektere und bezaubern dere Frau gesehen hätte: ihre Maniere ricßen hin, und der verzügliche Geschmak, womit sie sich trug, erregte allgemeine Bewunderung. Mrs. Robinson's Fantasie flog nun wieder auf die Bühne: ihr dunkte niemand beneidenswerther als eine beliebte Schauspielerin.

Sie sah häufig des Morgens Juden bey ihrem Manne; aber er gab vor, daß sie Amtsgeschäfte mit ihm verhandelten, denn er war nur dem Nahmen nach ein Gerichtsagent. Abends vergnügte er sich mit seinen vornehmen ausschweifenden Freunden, indeß die junge Frau zu Hause vor Kummer vergieng; sie hörte jezt daß er selbst zur Zeit der Heurath eine bezahlte Liebschaft gehabt hatte, die noch dauerte, und daß seis ne Ausschweifungen eben so bekannt wären als die Zerrüttung seiner Finanzen unvermeidlich sey. - Lord Lytleton, dem alle Pläne auf Mrs. R. Tugend fehl geschlagen waren, wußte jezt weiter keinen Rath als den schon so tief verschuldeten Robinson noch in größere Verlegenheiten zu bringen: man machte eine Lustpartie nach der andern, und wenn Robinson Bedenken trug, versprach ihm Lord L. eine einträgliche Stelle, durch seinen Einfluß bey Hofe.

Ein misrathener Versuch sie zu entführen, ihre Niederkunft in Wallis, und mehrere Umstände, die alle ein großes Intercße haben, müßen übergangen werden in der That, es ist vielleicht unmöglich ein Original, wo jedes Blatt wichtig ist, erträglich zu epitomiren. Robinson wurde endlich wegen Wechselschuld aufgehoben. Seine Frau begleitete ihn ins Gefängniß. Die vielen Versuchungen, welche sie hier ausstand, würden vielleicht alle andere Frauenzimmer zu Grunde gerichtet haben; sie aber blieb standhaft

ihrem Manne ergeben. Als dieser wieder auf freyen Fuß gestellt wurde und von seinem Vater nicht die mindeste Unterstüzung erhielt, mußte Mrs. Robinson aus sich selbst Hülfe zu schöpfen suchen. Man munterte sie wieder zum Theater auf. Hr. Sheridan hörte sie mit Wohlgefallen die Rolle Julie in Shake spears Romeo und J. hersagen. Selbst Garrick, der damals schon von der Bühne getreten war, gab ihr viele zurechtweisende Winke. Endlich trat fie auf. „Der donnernde Beyfall, welchen ich erhielt, sagt fie, überwältigte bennahe alle meine Besinnung. Ich stand fumim und gebüft vor Bangigkeit, die sich nicht eher legte, als bis ich ein paar Size aus der ersten kurzen Scene schwach ausgesprochen hatte, während welcher ich die Zuhörer nicht ein einzigesmal anzusehen wegte." Im Versammlungszimmer redete man ihr Math ein. „Die zweyte Scene in Romeo und Ju lie ist die Maskerade in der ich mich sammeln fonnte. Nie werde ich das Gefühl vergeßen, welches mir durch den Busen drang, als ich zuerst nach dem Parterre blifte; ich fab eine Menge von Köpfen vor mir, die sich aumählig erhoben; alle Augen waren auf mich gea richtet, und sie erregten ein beklemmendes Gefühl in mir; aber Garricks scharfe durchdringende Augen, die mitten aus dem Orchester blizten, unterschieden sich vor allen andern."

In diesen Memoirs find die Sitten der Londner überall mit tretenden Zügen gemahlt; das theatralis sche Leben dieser Stadt ist ebenfalls eine treue Copey. Wie bezaubernd muß Mißtreß Robinson auf der Bühne gewesen seyn! da man die Liederlichkeit ihres Mannes, der immer tiefer fant, wußte, so glaubte man gewiß bey ihr anzukommen. Der Herzog von Rutland,

ferner ein Herzog von königlichem Geblüte, ein stol zer Marquis, ein reicher Kaufmann in der Altstadt Lon don und viele Andere thaten ihre Anträge durch Puz macherinnen, Schneiderinnen u. s. w. aber ohne Er folg. Mistres Robinson machte nun als berühmte Ac trije ein Haus; sie hatte Spielparthien und Levers; ihre Moden ahmte man begierig nach und sie fand kaum Zeit ihre Rollen zu studiren. Mit jedem Abend gefiel sie dem Publico mehr.

Der Leser wird vermuthen daß nun ihr Verhält nig mit dem Prinzen von Wallis hier folgen werde; allein nicht allen geziemt alles nachzusagen; und sollte nicht die gute Frau, troz ihrer Versicherungen, beynahe unwillkührlich manches gemildert, ausgelassen und verschönert haben? Wie kann man denn richten ehne den andern Theil zu vernehmen?

Sie fiel-Der Besiz eines so schönen und in al ler Rüfsicht höchst liebenswürdigen Mannes, als der Bring damals war, erregte ihr den Neid aller Damen. Man verleumdete sie und dies entzog ihr die Gunst des Bringen; sie hatte vorher eine reichliche Verschreibung ausgeschlagen, keine große Geschenke angenommen, Schulden gemacht, ihren Ruf verscherzt und das Theas ter verlassen, gern wäre sie wieder auf die Bühne zurüfgefehrt, wenn sie nicht das Londner Publicum hätte fürchten müssen. Gewiß ihre Lage war betrübt, vornehmlich bey der geschäftigen Plapperhaftigkeit der Londner Zeitungen, welche der unglüklichen Frau grausam mitspielten. Ihre Talenke zogen zwar immer noch die berühmtesten Leute, Reynolds, Sheridan, Bur te, Henderson, Wilkes, Sir John Elliot u. a. m. in ihr Haus; aber ihr Kummer zwang sie einige Zeit nach Frankreich zu gehen. Vorher sezte ihr der Prinz durch

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