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Jugend entfaltete sie einen Hang zur Schwärmerey. Aus der Wohnung ihrer Eltern konnte sie den Gottes dienst in der Kathedralkirche hören; diesem lauschte sie so oft fie konnte, mit unaussprechlichen Empfindungen auf einer Wendeltreppe.

Sobald sie die Buchstaben kannte, fand sie das größte Wohlgefallen an Grabschriften. Traurige Geschichten machten allezeit den meisten Eindruk auf fie. Auch lichte sie nur flagetönende Lieder. Sie erhielt ihren Unterricht von den fünf Schwestern More, unter welchen die älteste, Miss More, sich durch ihre Schrif ten einen so grossen Ruhm in England erworben hat. Die Geschäfte des Vaters gingen gut von statten, und er machte ein glänzendes Haus, bis in ihr neuntes Jahr, wo man ihm unglüklicher Weise den schimärischen ausgelaßenen Plan anter den Fuß gab, einen Walls fischfang an der Küste von Labrader anzulegen, und die Esquimaux zu civilifiren, damit sie ihm bey diesem grossen Unternehmen behülflich seyn könnten. Darby war ein gebohrner Amerikaner, dessen raftloser Kopf immer mit Entwürfen schwanger gieng, wie er sein Geburtsland, das damals noch unter englischer Bothmågigkeit stand, reicher und berühmter machen könnte. Es ist merkwürdig, daß dieser Mann, mitten im bluhendsten Wohlstande, an der Seite einer geliebten Frau, und im Kreise hofnungsvoller Kinder, feine Ruhe fand, sondern stets von diesem gefährlichen Proz jecte gemartert wurde, das er zwey Jahre lang, Tag und Nacht mit sich herumtrug. Das Abmahnen der Gattinn half nichts: er schritt zur Ausführung. Die Minister fanden den Gedanken sehr gut. Er reifte nach America: und von diesem Augenblike an sank das Glük der Familie. Frau und Kinder blieben in Eng

land; ihr Aufwand wurde aber nicht gleich vermindert; für Marien, unsre Heldin wurden wie vorher alle Klei der aus London verschrieben, und man richtete fich nach ihrer Laune; fie sang, fie spielte auf dem Kla vier, und fieng schon an zu reimen, während sich ihre Person ausbildete.

Erst schrieb der Vater fleissig, dann stofte der Briefwechsel und endlich hörte er auf. Er hatte eine Mätreße mit fich genommen. Madam Darby war untröstbar, als sie es hörte. Sie mußte aber noch mehr tragen, da sein Plan gescheitert, seine Niederlagung zerstört, und sein Vermögen geschmolzen war. Er gab sogar Auftrag, alle seine Habseeligkeiten in England zu verkaufen. Die Familie mußte nun ihre Heimath mit dem Rüfen ausehen. — Der Vater kehrte nach England zurük, sah seine Frau und Kinder, aber beschloß wieder nach Amerika zu gehen. Maria wurde in eine Erziehungsanstalt gethan. Die eingeflochtene Geschichte ihrer Lehrerinn, welche ein sehr geschiktes Frauensimmer, aber dem Trunke ergeben war, ist lehrreich und rührend. Ihr hatte Maria wirklich alle Kenntnisse zu ver Danken, so wie die Lefelust. Sie schrich hier mitunter Gedichte, wovon etliche in dem Bändchen erschienen, das kurz nach ihrer frühen Heurath herauskam. Sonn, tags trank fie gewöhnlich Thee bey ihrer Mutter; ein Scecapitán sah sie da, und wurde so von ihr eingenoms men, daß er um ihre Hand bat, indem er Marien wenigstens für sechszehn Jahr alt hielt: sie war noch nicht villig dreyzehn! - Der Vater hatte biß fest seine Berlaßenen unterhalten, aber nun wurden seine Ris meßen seltener, und da fie am Ende ganz ausblieben, legte Madam Darby selbst eine Schule an, worinn unsre Maria die Stelle einer Lehrerinn überkam. Es

schien einzuschlagen, als acht Monate nach Eröfnung der Boardingschool Hr. Darby England wieder besuchte. Obgleich verarmt, hielt er sich doch durch dies sen Schritt seiner Frau entehrt, und zwang sie das Erziehungsgeschäft aufzugeben. Doch gestand er ihr und ihren Kindern nur einen sehr unzulänglichen Ger halt zu, indeßen er bey seiner Mätreße wohnte. Ma= ria wurde abermahls in eine Venfion geschickt: hier widmete fie ihre besten Mußestunden dem Lesen der ers habenern dramatischen Dichter, und machte selbst Verse.

Der Vater war aufs neue nach Amerika gesegelt; Madam Darby nebst ihren Kindern hatte sehr wenig zu leben, und Maria bekam durch Zureden Lust die Bühne zu betreten. Hull, ein Schauspieler, der sie etliche Stellen aus dem Charakter der Jane Shore herjagen hörte, munterte fie auf, und sie wurde bald nachher dem bes rühmten Garrick vorgestellt. Sie geftel ihm ausnehmend; er selbst wollte mit ihr zugleich auf der Bühne erscheinen, und dachte ihr die Rolle Cordelia zu. Auf sein Anrathen besuchte sie die Theater so oft als móg, lich; man bemerkte se mit Wohlgefallen, sowohl wes gen ihrer aufblühenden Schönheit, als wegen des Ums standes, daß sie Garricks Lehrling war. Die kleinen Romane, wozu man ihr Fallstricke legte, denen sie aber entgieng, werden von ihr sehr bescheiden erzählt.

„Garrick, sagt sie, war entzüft über alles was ich that. Einmal tanzte er eine Minuet mit mir; ein andermal mußte ich ihm die beliebtesten Gaßenbals laden fingen; aber was ihm am meisten gefiel, war der Ton meiner Stimme, welche, wie er mir oft sagte, mit der Stimme seines Lieblings der Mißtres Cibber eine genaue Achulichkeit batte. Ich werde nie die herrli chen Einden vergeßen, die ich in Garricks Gefello

schaft zubrachte. Wie mir es schien, konnte feine Mannsperson, die mir vorgekommen ist, tiefere Ehrfurcht einfößen, und einnehmender seyn, als er. Sein Lächeln war hinreissend; aber zuweilen brachen seine Reden aus einer reizbaren Berdrüßlichkeit hervor, die ausnehmend empfindlich war; auf mich wenigstens machte sie einen Eindruk, den ich niemals vergegen werde."

Ihr gegenüber wohnte ein Gerichtsagent, deßen Schreiber und Lehrling ans Fenster kam, so oft sie sich zeigte; er verneigte sich dann entweder gegen sie, øder trat mit sichtlicher Bewegung zurük. Die Mutter war sehr unwillig darüber und ließ hinfort die unteren Fensterladen nicht aufmachen, um die zudringlichen Blike des jungen Menschen abzuhalten. Ein Familienfreund aber schlug auf einen Sonntag eine Parthie nach Greenwich vor, worein die Mutter nur ungern willigte. Marie gefiel sich niemals beser in ihren Kleidern, als an diesem Sonntage; sie freuete sich auf die Bewunderung, welche sie erregen würde, aber ihr Sieg war der Grund zu ihrem größten Unglüfe.

Als der Wagen in Greenwich am Gasthofe hielt, kam der junge Mensch, deßen wir eben erwähnt ha ben, heraus, um ihr herauszuhelfen. Marie gerieth in Verwirrung, die Mutter wollte ihrer Empfindlichfeit Raum geben, aber der gedachte Hausfreund stellte den jungen Menschen förmlich als einen Bekannten vor. Es war Herr Robinson, den ihr eine Führung zum Manne auserfobren hatte.

Robinson wurde der Mutter sehr gerühmt; er sollte von einem reichen alten Oheim viel zu erwarten haben; er hatte, wie es hieß, gute Aussichten als Ge

richtsagent, und, was man mehr als alles geltend machte, er liebte Miß Darby leidenschaftlich. Er machte nun seinen Cerimonienbesuch, und merkte bald ab, daß sie eine eifrige Leserinn von Erbauungsbüchern sey. Er ließ etliche, z. B. Hervey's meditations schön binden, und überreichte sie als geringe Beweise von seiner Bewunderung und Achtung. Durch diese kleineren einnehmenden Aufmerksamkeiten bestochen, fieng Mariens Mutter bald an, dem jungen Liebhaber das Wort zu reden. Robinson baute sich täglich durch neue Dienstleistungen in der Gunft der Madam Darby mehr an. Gerade um diese Zeit bekam ihr Sohn George, der Mutter Augapfel, die Pocken. Mariens Erscheinung auf dem Theater wurde bis auf seine Gea nesung verschoben, und Robinson unterließ nicht Tag und Nacht um den Muttersohn zu seyn. Die gute Frau ergos sich nun in Lobeserhebungen des jungen Mannes; er schien ihr der befte Mensch zu seyn, und fie äußerte oft, daß sie einen solchen Schwiegersohn anbeten würde.

Marie wurde selbst von den Pokken angeßteft. Eine neue gute Gelegenheit für Robinson! er verdoy, pelte seine Aufmerksamkeiten für die Geliebte; die Möglichkeit ihrer Entstellung schien ihm gleichgültig; fein Eifer blieb der nehmliche; und dies machte einen Eindruk von Dankbarkeit auf ihr Herz; welcher die Quelle alles ihres nachfolgenden Kummers wurde. Auch die Mutter hatte ihm versprochen, daß er, falls Marie durchkäme, derselben Hand erhalten sollte. Der Vater hatte bey seiner Abreise Mariens Ehe der Mas dam Darby mit harten Worten anempfohlen; die Mutter ließ auch diese Miene springen. Marie gab zulezt den dringenden Vorstellungen nach, und das Auf«

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