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diejenige Geschiflichkeit, sie auszuüben, welche Erziehung und Erfahrung allein geben können.

Celebi Effendi war Kriegszahlmeister und Gencralcommissarius der Armee. Man hält ihn für einen fähigen Mann, weil er in das türkische Finanzsystem einige Neuerungen eingeführt hat, welche zwar die Einkünften des Reichs vermehrt, aber auch die Unzus friedenheit eines Volks vergrössert haben, das bereits unter dem aufreibenden Joche des Despotismus seufs zet. Passawan Oglu hat sich eben dadurch, daß er die Nationalbeschwerden über diese hinzugekommenen Auflagen unterstuzte, eine Unabhängigkeit erworben, wels che die Pforte schon einmal aus Nothwendigkeit dadurch anerkannt hat, daß sie ihm seine Widerspenstigkeit mit der Würde eines Pascha abkaufte; dann schläferte er die Regierung ein, und nun er mächtiger geworden ist, hat er seine Ansprüche noch weiter ausges dehnt, und befindet sich gegenwärtig in offener Rebels lion gegen die Pforte. Man kann nicht in Abrede seyn, daß Celebi Effendi einigen Verstand durch die Annahme eines kalten Ernstes zeigt, welcher seine Uns wissenheit nicht Preis giebt. Er versah die Armee äusserst schlecht mit dem, was sie auf ihrem Zuge durch die Wüste nöthig hatte; nie konnte eine Armee grösseren Mangel leiden. Vom Anfang bis zu Ende war sie ein Schauplaz des Unterschleifs, denn, während Pferde vor Mangel an Futter fielen, und Menschen aus Mangel an Brod verhungerten, fonnte Herr Morier Futter und Brod von den Leuten, im Gefolge der Groffen, kaufen.

Man nahm an, daß vierzigtausend Cameele in dem Zuge dieser Armee wären, und da jedes dieser Thiere fünf bis sechs Centner trägt, so wird man sehen, daß

diese Anzahl hingereicht haben würde, die Bedürfnisse für einen langsamen, siebentägigen Marsch bis nach Salhich, an der Gränze von Egypten, wo das Land wieder anfängt, fruchtbar zu werden, zu führen. Über man hielt bequeme Sofa's, Zelte, Betten, Pfeifen und alle Artikel des orientalischen Lurus für weit wichtiger; che man den Nationalbegriffen von Grösse ein Opfer bringen wollte, lief man lieber Gefahr, cine Armee umkommen zu sehen. Für Vorräthe und Pro. viaut war auf keine andre Art gesorgt, als durch die Transportschiffe, welche an den syrischen Küßten lans den sollten; weil aber eine unablásige und gewaltige Brandung, die das Landen dort sehr erschwert, auf dieser Küste bricht, so war dies nur eine mißliche Hülfsquelle. Als sich die Armee in ElArish befand, war der Mangel so drüfend, daß, wenn nicht au cinem Tage stilles Wetter eingetreten wäre, und die Lans dung einiger Lebensmittel erlaubt hätte, eine Empós rung erfolgt seyn müßte.

Die Strasse von ElArish nach Catich geht durch den unwirthbarsten Theil der Wüste, die Syrien von Egypten trennt. Der Sand, welcher sie bedeft, ist fein und so weiß, daß der blendende Schein, der durch die Zurükwerfung der Sonnenstrahlen verursacht wird, den Augen ausnehmend schadet, nicht zu gedenken, daß der Sand, welcher durch den geringsten Wind in Wolken herumgeblasen wird, ebenfalls in die Augen dringt. Aber dies sind nicht die einzigen Leiden, wel che ein Reisender in jenen Gegenden auszustehen hat. Der Durst, eine Folge der ausnehmenden Hize, wird durch die anlokende, aber getäuschte Hoffnung, ihn bald zu löschen, nur noch brennender; denn die platte Oberfläche der Wüste giebt dem Gesichtskreise eine An

ficht, welche der Fremde fälschlich für Wasser hålt, und, während er äusserst ungeduldig ist, den erwünschten Ort zu erreichen, entfernt sich dieser, und ein neuer Horizont kommt zum Vorscheine. Die optische Täuschung ist so stark, daß der Schatten eines jeden Gegenstandes am Horizonte dem Anscheine nach wie im Wasser reflektirt wied. Am ersten Rastorte, nachdem man ElArish verlassen hat, ist das Wasser genießbar; in der Folge aber kann es nur denen schmeken, welche alle Quaalen des Dursts empfinden; und viel davon zu trinken, ist gefährlich, weil es Dysenterien verursacht. Man hat bemerkt, daß die Wasserquellen überall füffer sind, wo Dattelbäume wachsen; und man findet ohne Ausnahme Wasser, wenn man fünf bis sechs Fuß in den Sand gråbt. Mehrentheils wurde ein Commando voraus gesandt, um an dem Orte, wo die Armee fich lagern sollte, Brunnen zu graben. Die Ungeduld der Truppen, ihren Durst zu löschen, erzeugte oft sehr ernsthafte Zwißte.

Die Gleichgültigkeit, welche die Türken für die jenigen bewiesen, welche schon dem Tode nahe waren, war entsezlich. Auf der Straffe lagen viele in den lezten Zügen, und erst nachdem die Armee dreyhundert in einem Tage verloren hatte, wurde der Bezier zum Mitleiden vermocht. Einigen schifte er dann Húlfe zu, und zu andern verfügte er sich selbst. Die Bes fehle des Veziers in Betreff der Bewegungen seiner Armee werden durch einen Ausrufer bekannt gemacht, und find in der That lächerlich, wenn man sie mit unfern Begriffen von einem militärischen Systeme vers gleicht. Sie lauteten zum Beyspiel so: „Morgen „habt ihr zehn Stunden bis an den Nil zu marschiren: "Wer Lust hat, kann jezt gleich aufbrechen.”

Es giebt zwen besondere Classen von Arabern, die Fellahs und die Beduinen. Der Unterschied grúns det sich auf ihre Lebensart. Die Fellahs find Dorfbe wohner und treiben Akerbau. Das niedrige Gesinde und überhaupt die ganze niedrige Classe der Einwohner in Städten und Dörfern heissen Fellahs. Der rohe Zustand von bürgerlicher Gesellschaft, worinn sie leben, macht sie nur um ein weniges besser, als die Beduinen, welche feindselig sind, ohne furchtbar zu seyn. Weil fie sich an einem bestimmten Orte aufhalten, so sind sie weniger lågig, und können leichter bestraft werden. Demungeachtet sind die Fellahs der Bezirke Demens hor und Foua, sehr feindselig gegen die Franzosen gea wesen. Die von Demenbor hatten einen fanatischen Scheif an ihrer Spize, welcher inspirirt zu seyn vorgab. Einmal ließ er achtzig Franzosen in der Nacht umbringen; zu welchem Zweke er sich zuerst der Schildwache versicherte. Weil aber die Franzosen durch ihre häufigen Rebellionen entrüftet wurden, so verwüßtete man ihre Dörfer, und die Fellahs, eines Kampfes mús, de, in welchem sie zulezt den Kürzern ziehen mußten, zwangen ihren Scheit, die Flucht zu ergreifen.

Die Beduinen *) sind die Bewohner der Wüsten; fle führen ein herumziehendes Leben, und bestehen aus grossen und kleinen Stämmen. Der schwächere verbindet sich mit dem ftårkeren, und jeder Stamm hat eine Gränze, innerhalb deren er herumziehen darf; eine Ueberschreitung dieser Gränze gilt oft für eine KriegsErklärung. Ihre Haabe besteht aus Pferden, Camee. len und Schafen; eine andre Hülfsquelle ist das Plune dern der Reisenden. Die Entschlossenern rauben in den

*) Es giebt eine zweyte Classe von Beduin - Arabern, die das Land bauen, welches an die Wüßten gränzt.

Dörfern, und wagen sich sogar bis an die Mauern von Cairo. Als Feinde betrachtet, sind sie verächtlich; als Freunde könnten sie nüzlich werden. Anfangs fahen sich die Franzosen genöthiget, blos vertheidigungsweise zu verfahren, denn die schnellen Stuten der Beduinen begünstigten ihre ungestrafte Flucht. Dies brachte die Franzosen zuerst auf den Gedanken, ein Corps zu errichten, das auf Dromedaren ritte. Der Dromedar, eine sehr kleine und gewandte Art von Ca, meelen, ist unermüdet, und braucht sehr wenig Nahrung. Wenn dieses Corps angegriffen wurde, for= mirte es sich in ein hohles Vierek; die Dromedare knies ten nieder; man warf einen Strik um eins ihrer Knie, daß sie nicht aufstehen konnten, und so wurden sie cineBrustwehr für den Soldaten. Hierdurch waren die Franzosen in den Stand gesezt, etliche benachbarte Horden in ihren Schlupfwinkeln zu überraschen. Doch ist es allemal gefährlich, fie bis in die Wüste zu verfolgen, weil die Araber, welche allein die Oerter fen nen, wo Wasser zu haben ist, den Feind vom Wege abzuloken pflegen, bis sie durch Begünstigung der Nacht entkommen, welche den Feind in der Gefahr läßt, vor Durst zu verschmachten. Die Araber fürchten sich ausnehmend vor Feuergewehr, so, daß eine kleine Anzahl Truppen eine ganze Horde angreifen kann, denn fobald einige von ihnen fallen, reissen die andern aus. Wenn man nur die geringste Furcht zeigt, so werden sie gefährlich, denn ihre langen Speere und geschwinden Stuten geben ihnen ein grosses Uebergewicht, wenn sie andern nachsezen. Der hervorstechende Zug in einem Araber ist Falschheit, und man kann es als einen all gemeinen Grundsaz annehmen, daß sehr harte Behand lung Achtung verschaft, während die geringste NachAcht das Gegentheil bewirkt.

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