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fich ergözt. Der Krieg, politische Verhältnisse und andere zufällige Umstände bringen erzwungene Lagen hervor, welche sehr verschiedene Ansichten gewähren; aber wenn man die Menschen in ihre Wohnungen folgt, wo fich Niemand verstellt, so sieht man Re wahrscheinlich in ihrem natürlichen Zustande. Herr Strutt bat sich daher durch seine Geschichte *) der englischen Belustigungen nicht nur um seine LandsLeute, sondern um jeden Forscher und Liebhaber der Geschichte ein Verdienst erworben.

Jagen, Rennen, Springen und Schwimmen scheinen die einzigen Vergnügungen der rohen Britten gewesen zu seyn, bis die Römer ihren Lurus in die Insel einführten, und die Sitten des Volks milder und endlich weichlicher machten. Die Sachsen brach ten die starken Leibesübungen, welche unter den nors dischen Völkern gewöhnlich waren, mit nach England. Pantoppidan erzählt, daß Olaf Tryggefon, ein nor wegischer König, stårker und gewandter war als ir gend ein Mann in seinem Reiche. Er konnte auf den Fels Smalserhorn klettern, und seinen Schild auf den Gipfel desselben befestigen; er fonnte auf dem Bord eines Boots gehen, während es gerudert wurde; er fonnte mit drey Wurfspiessen spielen, welche er wechselsweise in die Luft warf, und wovon immer swen im Fliegen waren, während er den dritten in der Hand hielt; er besaß gleiche Fertigkeit in der

*) The sports and pastimes of the people of England: including the rural and domestic recreations, may - games, mummeries, pageants, processions, and pompous spectacles, from the earliest period to the present time: illu strated by engravings selected from ancient paintings; in which are represented most of the popular diversions. By Joseph Strutt, London, White, 1801. 4. Preis drey Guineen,

rechten und linken Hand, und konnte zwey Wurfspiesse auf einmal werfen; niemand übertraf ihn zu feiner Zeit im Bogenschiessen; und er schwamm beffer als alle andere. Kolson, ein anderer nordischer Held rühmte sich in neun Sachen fertig zu seyn. Ich kann, sagte er, Schach spielen; ich kann Runenschrift eingraben; ich verstehe mein Buch; ich weiß die Werk. zeuge eines Schmidts zu brauchen; ich kann mit höl jernen Schlittschuhen über den Schnee gehen; mit dem Bogen schieffe ich vortreflich; ich rudere mit Leichtigkeit; ich kann zur Harfe singen; und ich ma che Verse. Man kann hieraus abnehmen, was etwa für Erholungen die Sachsen mit nach England her, über bringen mochten. Zu der stürmischen Zeit ih rer Regierung in England waren die Kriegskünste so nothwendig, daß alles, was darauf Beziehung hatte, den vornehmsten Theil der Erziehung eines jungen Edelmanns ausmachte; Jagd, Falkenbeize, Voltigiren, Rennen, Ringen, Wurfspieß - Werfen und andre Uebungen, welche viel Körperstärke erfoderten, wurden von Jugend auf getrieben. Würfel, Schach und Trictrac waren den alten Sachsen auch bekannt.

Unter den Zeitkürzungen, die von den Normånnern in England eingeführt wurden, erregten feine so viel Aufmerksamkeit als die Turniere und Kampf. spiele. Die Cultur des englischen Adels nahm unter den Normannern zu, und erstrekte sich bis auf den Mittelstand. Blose Handhabung der Waffen reichte nun nicht mehr hin; ein vollkommener Ritter mußte Schönheit, Stärke und Gewandtheit befizen; er muß te Musik versichen, angenehm tanzen, schnell laufen, gut ringen, wohl reiten, wohlgesittet seyn, strenge Wahrheit lieben, und einen unüberwindlichen Muth

haben. Die Jagd und Reigerbeize lehrte man, sobald die Edelknaben stark genug dazu waren. In eis nem alten Romane The Death of Arthur werden alle diese Tugenden dem Ritter Sir Triftram beygelegt. Als der Rittergeist verflogen war, änderten sich die Sitten des Adels ausserordentlich. Die heftigen Anstrengungen des Körpers kamen aus der Mode, und die Vernachlässigung militärischer Uebungen wurde so gemèin, daß sich die Gesezgebung ins Mittel schla= gen mußte, um einen allgemein schädlichen Einfluß zu verhindern. Heinrich VIII. liebte noch die alten ritterli chen Ergözlichkeiten, aber in dem darauf folgenden Jahrhunderte finden wir schon Studiren, Gårten, Karten, Erholungsbücher und Angeln unter den Vergnügungen des Adels. Was man zur Zeit Jacobs I. für die beste Erziehung des Adels hielt, läßt sich aus dem Ba dwpov, welches dieser König für seinen ältesten Sohn, Heinrich, Prinz von Wallis schrieb, ersehen. In diesem, aus mehreren Rüksichten merkwürdigen Buche empfiehlt der König dem Prinzen alle Uebungen, die den Körper abhärten, ohne ihn den Gefahren der Verlezung Preis zu geben, z. B. Laufen, Ringen, Springen, Fechten, Tanzen, Ballspiel, Bogenschief= fen 2c. ferner Reiten, Ringrennen und Jagen; auch sagt er, senen Würfel und Karten bey schlimmem Wetter nicht zu verwerfen.

Die Aussezung der körperlichen Uebungen ver schafte zur Geistesbildung verhältnißmåßige Musse, s0, daß sich die englischen Sitten nach und nach sänftigten. Die Gelehrsamkeit, welche so lange vernachläßiget worden war, wurde dann Mode, und machte ein unerläßliches Zeichen der guten Erzichung aus. Leute von Stande schämten sich nun vieler Zeitkürzungen

als niedriger Beschäftigungen, ob sie schon während des Mittelalters in hohen Ehren ftanden. Peacham in seis nem Complete Gentleman, welcher 1622 erschien, sagt: meines Bedünkens schiken sich Hammerwerfen und Ringen nicht sowohl für den Adel als für die Soldaten im Felde und für die Wache des Fürsten. Aus Bur ton's Anatomie der Melancholey, welche 1660 her auskam, läßt sich schliessen, daß die Erzözungen aller Stände im 17. Jahrhunderte sehr zahlreich waren. Er macht die verständige Anmerkung: last das Volk ungehindert schmausen, singen, tanzen, Puppenspiele sehen, allerley Musik, Comödien, Masten, Spåge, Lustigmacher, Taschenspieler u. s. w. haben, damit es nicht etwas schlimmeres thun möge. Ein Lands edelmann des siebzehnten Jahrhunderts würde ohne Falkenbeizen, Jagdhunde, Streithähne und Zubehör nicht gewußt haben, was er mit seiner Zeit machen follte.

Fm 16. und 17. Jahrhundert sahen die Eng länder besonders auf Prunk und Geräusch in ihren öffentlichen Vergnügungen. Den Mangel an Ges schmak und Schiklichkeit, welcher darin so sehr in die Augen fållt, suchte man durch Flitterglanz zu ers sezen. Die Vordertheile der Häuser, an welchen die öffentlichen Proceßionen vorüber giengen, waren mit Tapeten und reichen Goldstoffen behangen; die Mas gistratspersonen und die wohlhabendsten Bürger von London kamen gewöhnlich in köstlichen Kleidern zu

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ferde und schlossen sich an die Proceßionen an, wäh rend das Lauten der Thurmglofen, die Musik von verschiedenen Orten her, und das Geschrey des Volfs die Ohren der Zuschauer beynahe betäubte. In gewissen Entfernungen waren Schaugerüste errich Engl. Miscellen V. 2.

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tet, welche Schlösser, Paläste, Gärten, Felsen, oder Wälder vorstellten, worin Nymphen, Rehe, Satyren, Götter, Göttinnen, Engel und Teufel in Gesellschaft mit Riesen, Wilden, Drachen, Heiligen, Rittern, Hofnarren, Zwergen und Sängern erschienen; die alte Fabellehre, die Legenden der Ritterzeit und die christliche Theologie waren lächerlich und ohne Sinn

Schaustellungen einander vermengt; und diese

endigten sich gemeiniglich mit geschmatlosen pedantischen Reden, die überaus langweiLig und voll der gröbsten Schmeicheleyen waren. Einige schwache Spuren von diesen Umgången waren noch vor zwanzig bis dreyßig Jahren in London beym Antritte des Lord Mayors, the Lordmayor's shew, übrig; aber die Schaugerüste und die Orationen fallen jezt ganz weg, so wie überhaupt diese Feyerlichkeit jezt sehr beschnitten ist,

Die Geschichtschreiber der damaligen Zeit Hall, Grafton und Holingshed schildern solche Ge= prånge mit ausnehmender Weitläufigkeit. Ale Königin Maria von England am Tage vor ihrer Krönung in Procesion durch die Stadt London gieng, hatten die Florentincr eine Ehrenpforte am obern Ende von Gracechurchstraße errichtet. Sie war sehr hoch oben standen vier Gemählde, und in der Mitte ein langer grüner Engel, der eine Trompete in der Hand hatte; sobald ein in der Pforte verborgener Mann in die Trompete stieß, hielt auch der Engel die Trom pete an den Mund, als ob er geblasen hätte. Holingshed hält es der Mühe werth, dies umständlich zu ers zählen. Bey solchen Gelegenheiten waren die neun » Worthics," die vermuthlich aus Holz oder Vappe gemacht waren, sehr beliebte Charaktere. In einem

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