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Ich soll Sie von meinem lieben Manne auf das schönste grüßen. Ich empfehle mich allen den Ihrigen : wollen Sie den Schaß meiner Freunde vermehren?

Ich bin, mein Herr,

Ihre ergebenste Dienerin,
M. Klopstock.

Anekdoten.

Ein alter Mann, dem der Hunger. aus jedem Ges fichtszuge sah, stahl zwey Brode aus einem Bäckerkorbe, der nicht weit von Chancerylane stand. Ein Dieb! ein Dieb! rief man søgleich. Viele Leute håtten den Alten aufhalten können, aber die Verzweiflung war seiner Mies ne so stark aufgedrückt, daß sich niemand entschließen konnte, den Flichenden zu ergreifen. Ob er nun gleich hierdurch einen großen Vorsprung erhielt, so hörte er doch, daß seine Verfolger sich ihm schnell nåherten. Er warf die entwendeten Brode vor eine Thüre, und sammelte seine wenigen übrigen Kräfte, um durch einen engen Gang zu entkommen; aber seine Entfernung von den Nachsetzenden betrug nur noch wenige Schritte, und er wåre unfehls bar dem Pöbel in die Hånde gefallen, wenn nicht ein Lord, dessen Nahme unbekannt geblieben ist, sich in den Weg geworfen håtte. Das Alter, die sichtbare Armuth und die Angst des Unglücklichen rührten ihn; indem er die Andrångenden stemmte, beschwor er sie mit ein paar beweglichen Worten, sich eines wirklich Nothleidenden zu erbarmen, und die Verfolgung aufzugeben. So erhielt der Alte Zeit sich zu retten.

Ein Herr Thompson in Sherborne, den man gemeis niglich Hänschen Thompson nannte, fiel in ein hißiges Fieber, und hatte zwey Wårterinnen. Ob er gleich irre redete, so hatte er doch so viele Besinnung, einen Ans

schlag zu machen, wie er sich in Freyheit setzen könnte. Als die Wärterinnen ein wenig schlummerten, stahl er sich leise aus seinem Bette, ging aus dem Hause, ohne jemand aufzuwecken, und lief über zwey hundert Schritte weit bis an einen Ziehbrunnen. Hier hob er den Deckel ab und sprang eine Tiefe von fünf und siebenzig Fuß hinab. Das Waffer stand so hoch, daß er auf den Zehen stehen mußte, damit es ihm nicht in den Mund liefe. Er blieb drey Stunden in dieser Lage, ungeachtet man ihn während der Zeit vermißt und vergebens gesucht hatte. Der Brunnen ist auf einem Bauerhofe. Gegen fünf Uhr kam der Knecht und wollte Waffer sdpfen. Er hatte den Eimer nur etliche Fuß hinab gelassen, als Hånschen schrie: "Laß den Eimer nicht herunter, sonst stößt er mir den Kopf ein!" allein der Eimer war schon im Fallen und stürzte auf Hinschens linken Arm, der davon sehr gequetscht wurde, indeß der Knecht halb von Sinnen zu seinem Herrn lief und feyerlich versierte, der Teufel wåre in dem Brunnen. Der Her warf sich in die Kleider und ging mit poche dem Herzen an den Brunnen. Wer ist dort unten ? "Ich!" tönte es dumpf. Ich? wiederholte der Bauer, bey meiner Treu! hier ists nicht geheuer, Thomas! Sprich, rief er hinunter, im Nahmen des Vaters, bist du Satan oder ein Geist? "Nein! ich bin Hänschen, euer Nachbar!” Man besann sich nun auf Nachbar Thompson, der so krank war. Jedoch konnte man ihn nicht vermögen, in den Eimer zu steigen, sondern man mußte eine Leiter hinab lassen und ihn mit Gewalt herauf ziehen. Er fiel bald in einen tiefen Schlaf, aus dem er mit völligem Bes wußtseyn und ohne Fieber erwachte. Von dem Augens blicke fing er an, seine Kråfte sehr schnell wieder zu be kommen, und jeßt ist er frisch und gesund,

Eine arme Frau ging in ein Bierhaus in der Straße Upper Shadwell und ließ sich eine Erfrischung reichen. Es waren keine andre Gåste im Hause. Indem die Wirthin abwesend war, nahete sich die arme Frau dem Kamine, fuhr mit der Hand in den siedenden Kessel und langte ein Stück Rindfleisch von fünfzehn Pfund hers aus, das sie in ihre Schürze that und fortlief. Man entdeckte es bald und setzte ihr nach. Die Frau sah wie der leibhaftige Hunger aus und schien von der Noth so sehr gedrångt zu werden, daß sie sogar das kochende Wasser nicht achtete, welches den Arm auf eine entseßs liche Art verbrühet hatte. Die Wirthin verzieh ihr gern und gab ihr noch Geld, um sich Nahrung zu kaufen und einen Wundarzt bezahlen zu können.

Ein gemeiner Mann im Strande glitt aus und brach ein Bein. Er erhob sich gleich und hüpfte in ein nahes Brandtweinhaus, als ob ihn nichts anföchte. Ein gutmüthiger Zimmermann dehnte, richtete, schiente und verband das Bein. Man trank dann insgesammt auf die Heilung des armen Mannes und er hüpfte, wie es schien, mit frohem Muthe in seine Wohnung.

Der berühmte Dichter Gray hatte von Natur eine ausserordentliche Furcht vor dem Feuer. Seine Univers fitåtsfreunde in Cambridge wußten das sowohl aus seis ner Versicherung, als weil in seiner Schlafkammer ims mer eine Strickleiter hing, damit er bey Feuersgefahr sich gleich aus dem Fenster retten könnte. Als daher eine sehr dunkle Nacht eintrat, trugen sie ein großes Faß Wasser unter sein Fenster und machten im Collegio Lårm, daß Feuer ausgekommen wäre, nachdem sie mehrere von ihrem Vorhaben unterrichtet hatten, damit Nies mand im Schlaf gestört würde. Kaum hatte Gray den ersten Schreckenslaut vernommen, als er aus dem Bette

sprang, die Strickleiter am Fenster befestigte und ohne fich anzukleiden hinab kletterte. Als er unten Kopf über ins Wasser plumpte und ein großes Geschrey erhob, traten die zahlreichen Schadenfroh von Studenten mit Fackeln und lautlachend aus ihren Verstecken hervor und versicherten ihm, daß alles in Sicherheit wåre.

Smith, ein Gårtner in Wheatley bey Gainsborough, ' hatte den ganzen Tag stark gearbeitet. Auf seinem Heims wege sprach er bey H. Justice, einem Freunde, ein und wurde dort sehr gut bewirthet. Nach schwerer Arbeit schmeckt Essen und Trinken. Man sah, daß er sich ein wenig übernommen hatte, überdies war die Nacht sehr finster: er ließ sichs daher gefallen über Nacht zu bleis ben. Nachdem er etliche Stunden im Bette gewesen war, träumt ihm, daß Feuer im Hause ausgekommen sen. Obgleich ein sehr stämmiger Mann, der dreyzehn Stein wiegt und siebzig Jahre alt ist, drångte er sich durch das Kammerfenster, das sehr enge ist, und sprang neun Fuß tief hinab. In bloßem Hemde und in der Nachtmůze lief er eine ansehnliche Strecke, bis er sich die Füße und andere Theile des Körpers so sehr vera wundete, daß er vor Schmerz aufwachte. Sein Ers staunen und das Befremden der Leute, welche er aufge= weckt hatte, läßt sich leicht denken.

Ein Mädchen von vierzehn Jahren, nicht weit von Birmingham, sagte ihrer Schwester einige freye Bemera kungen über eine Frauensperson von sehr zweydeutigem Rufe. Sie kamen der letzteren zu Ohren, und je mehr sie sich schuldig fand, desto aufgebrachter wurde sie dar über. Sie ging zu dem Mädchen, welches die Bemers kungen gemacht hatte, und machte ihr nicht allein die empfindlichsten Vorwürfe, sondern drohete auch, ihre ehs renrührigen Reden einem Friedensrichter anzuzeigen, der

fie unfehlbar ins Gefängniß setzen würde. Ihre eigenen Verwandten sahen nun die Sache für ernsthafter an, als sie war, und schalten mit dem Mädchen. Der Gedanke des Gefängnisses war ihr so schrecklich, daß er ihr den Entschluß eingab, sich in einem Graben zu ertrånken. Man suchte sie zehn Tage vergeblich, bis sie endlich ganz durch Zufall gefunden wurde. Ihre Verwandten sind untröstlich, weil sie am meisten dazu beytrugen, die grundlose Furcht des Mädchens bis zur Verzweiflung zu treiben.

Ein Herr Etienne Du Cas, ciu Verwandter des Prinzen de Bronde, erhielt einen Ausforderungsbrief, worin er eine feige Memme genannt wurde, und mit noch ans dern verächtlichen Nahmen belegt wurde. Der Brief war unterschrieben Edward Stephenson Esq. No. 50. Great Ormond street. Der Herausgeforderte hielt es als Emigrant für doppelte Pflicht, sich den Gesetzen gemäß zu betragen. Er und sein Verwandter zeigten die Sache dem Polizenrichter Ford an. Du Cas kannte den Stephenson von Ansehen und sagte, daß ein Liebeshandel diese Ausforz derung verursacht hätte. Der Friedensrichter wollte nicht gern Hr. Du Cas in Haft behalten und fragte, ob der Prinz Bürgschaft für ihn stellen könnte? Man war eben im Ber griffe, das Nöthige deshalb zu verfügen, als eben der gewaltige Held, welcher die Ausforderung geschickt hatte, hereintrat. Niemand konnte sich des Lachens enthalten, und selbst der Richter lächelte, denn es war ein Schulknas be von vierzehn Jahren, aber wie der erste Stußer gekleider; ein sehr dickes Halstuch und ein ungeheurer aufrechter Hemdekragen umgaben das kleine Köpfchen. Der Junge war etwa drey Fuß zwey Zoll Engl. hoch. Da er neben den Hr. Du Cas gestellt wurde, der siebzehn Jahre alt und gegen 5 Fuß 8 Zoll groß war, glaubte man ein

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