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sowohl in London als auf dem Lande: hier zog er aus NorthEnd nach Parson's Green, wo er sich ein Haus einrichtete. In London kaufte er acht alte Häuser, auf deren Stelle er eine Reihe großer und bequemer Niederla= gen und Druckereyen anlegte. Zwey Jahre darauf vers heurathete er seine Tochter Marie an H. Ditcher, einen Wundarzt in Bath.

Er gönnete sich nun einige Erholung von seinen Ges schaften, und kam nur von Zeit zu Zeit nach London in seine Druckereyen. Oft bedauerte er, daß er nur noch Töchter habe, denen er seine Geschäfte übertragen könne. Er nahm daher einen Neffen zu sich, der die lästigere Aufsicht besorgte und endlich sein Nachfolger wurde. Jezt hatte er Muße, aber es fehlte ihm an Gesundheit, um feines Ruhms, seiner gemächlichen Umstånde, seiner Kinder und seiner Freunde froh zu werden. Ach! Muße, die man durch augestrengten Fleiß erkauft hat, kommt oft so spåt, daß man sie nicht mehr genießen kann. ,,Wenn wir den Schlüssel zum Leben finden, dfnet er ,,uns das Grab *)."

Seine Nervenkrankheiten vermehrten sich, und sein wohl hingebrachtes Leben wurde den 4. July 1761 im zwey und siebzigsten Jahre durch einen Schlagfluß ges endigt.

Richardsons moralischer Character war vortreflich, und seiner Geisteskräfte werth. Er war enthaltsam und måßig, ordentlich und fleißig in seinem Berufe, von strenger Rechtschaffenheit und von unbezweifelter EhrLiebe. Es ist kein geringes Lob, daß er in seiner unbes freundeten Jugend und mitten unter den vermischten Bea kanntschaften, die ein Mann, der mit vielen Leuten ums When we find The key of life, it opens to the grave,

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gehen muß, unfehlbar macht, z. B. mit so leichtsinnis gen liederlichen Menschen, wie Cibber und Wharton, die Entschlossenheit haben konnte, den Versuchungen einer lasterhaften Hauptstadt zu widerstehen. Der holländische Prediger Stinstra, mit dem er in Briefwechsel stand, gab ihm zu verstehen, daß er nothwendig einmal in seis nem Leben locker gelebt haben müsse, weil er sonst nicht den Lovelace so hätte mahlen können. Er antwortete ihm hierauf: Ich bin niemals in einem liederlichen ,,Hause, und meines Wissens, nie in meinem Leben mit ,,einem unzüchtigen Frauenzimmer in Gesellschaft gewe,,sen.“ Doch müssen seine Bewunderer eingestehen, daß seine Einbildungskraft nicht völlig so rein war, wie sein Wandel. Er war ein aufmerksamer, liebevoller Vater und ein guter Gatte; aber der Ton zwischen ihm und seis nen Töchtern hatte etwas Steifes, wiewohl dies von einer Augenzeugin auf die Rechnung seiner Frau gesetzt wurde. Junge Kinder liebte er sehr, und wurde von ihnen geliebt; er hatte gewöhnlich Zuckerwerk in der Lasche, um ihre Gunst zu gewinnen. Er war außerordentlich frengebig, uneigennützig und wohlthätig. Dem Aron Hill lieh er Geld, und für den berühmten Johnson, der Schulden wegen verhaftet war, stellte er Sicherheit. Der Gedanke zur Stiftung eines Magdalenenhospitals in Lons don stammte entweder von ihm her, oder wurde von ihm angelegentlich befördert. Kurz, feine Börse stand jedent offen, dessen Ansprüche von den Umstånden unterstüßt wurden. Er hatte auch größtentheils die Familie eines seiner verstorbenen Brüder zu ernähren. Sein Rath und fein Gutachten wurden von allen seinen gelehrten sowohl als andern Freunden sehr hoch geschäßt, und seine Mühe als Buchdrucker wuchs dadurch, daß sie von ihm kritis

fche Bemerkungen über die Schriften verlangten, die man Ihm zum Druck anvertrauete.

In Leutseligkeit und Gastfreyheit übertraf ihn Niemand. Die kommenden Gåste mochten krank oder gesund feyn, sie mochten ihn mit ihrer Lebhaftigkeit unterhalten können, oder von ihm und seiner Familie tröstende Aufmerksamkeiten erwarten, sie waren ihm immer willkoms men. Zwey seiner Freunde wurden in ihrer letzten Krankheit In seinem Hause verpflegt. In dem Austausche der Gesellschaftsdienste war er immer lieber der verbindende Theil, besonders wenn seine Freunde reicher und vornehmer was ren, als er selbst. Chne Zweifel lag darin etwas von einer eifersüchtigen Besorgniß, daß sie ihn nicht wie ihres gleichen behandeln möchten, und ein gewisses peinliches Bewußtseyn von Niedrigkeit in der Eesellschaft, woraus diese Besorgniß entsprang; denn er besaß die Würde eines unabhängigen Geistes.

Der Verfasser der Clarissa war allezeit gern mit Frauenzimmern in Gesellschaft. Er lebte in einer Art von Blumengarten, der aus Frauenspersonen bestand. Sie munterten ihn auf, sie waren seine Kunstrichterinnen, sie lobten ihn. Berufsverbindungen ausgenommen, wechs felte er hauptsäc lich Briefe mit ihnen. Er hatte gewöhns lich eine Anzahl junger Frauenzimmer im Hause, die er über einen Gegenstand der Empfindung in eine Unterhals tung verflucht, und sie veranlaßte, ihre Verstandesschätze zu entfalten. Beym Frühstück las er ihnen seine Geschichte vor, so weit er darin fortgerückt war. Hierauf wurde gekunstrichtert; Eine sprach für Henriette Byron, die Andre für Clementinen; jede Wendung, jeder Auftritt wurde scharf gemustert, und der Verfasser genoß den Vortheil, schon vorher zu wissen, wie seine Situas tionen wirken würden. Ihre eignen kleinen Partheylich

feiten kamen auch ans Licht, und bald wurde ihnen ern licher Rath ertheilt, bald scherzte man darüber.

Man wirft ihm vor, daß er eitel gewesen sey, und -Johnson sagte von ihm, er habe sich vorsäßlich die Frauen zu Gesellschafterinnen gewählt, weil sie alles, was er gesagt, mit unbedingter Hochachtung angehört, und seis nen Urtheilen nicht zu widersprechen gewagt håtten. Es läßt sich darauf antworten, daß die Frauenzimmer, die mit ihm umgiengen, mit den erforderlichen Eigenschaften zur Würdigung seiner Schriften ausgerüstet waren, Sie richteten seine Werke und dienten ihm zum Muster. Aus ihrer aufgeweckten Unterhaltung und aus den Erörteruns gen über Liebe und Gefühl sammelte er mehr Zweckdiens liches, als ihm ernsthaftere Gespräche gewährt haben würden. Er schrieb kein Wörterbuch, wie Johnson, und keine Geschichte wie Gibbon. Er war ein Romanschreiber er hatte es nicht nur mit dem menschlichen Herzen, sons, dern mit dem weiblichen Herzen zu thun. Niemand wünschte ernstlicher, sich über seine schriftstellerischen Fehls tritte zu unterrichten, als er; er machte sogar etliche zu` Richtern, die wenig dazu geschickt waren. Er irrte darin, daß er sich zu viel mit sich selbst beschäftigte, nicht darin, daß er eine zu hohe Meynung von sich selbst gehabt hätte. Es leidet indessen keinen Zweifel, daß er sich gern lohen ließ, und alles, was man über diesen Punkt sagen kann, ist, daß wenn Jemand menschenfreundlich, wohlwol Tend, mäßig und fromm ist, man ihm auch einen kleis nen Anstrich von Eitelkeit, wodurch er der menschlichen Schwachheit zollt, zu gute halten kann.

Lady Wortles ontagu sagt verächtlich von Ris chardson,,,daß ihm die Thüren der Großen niemals ges ,,dfnet worden wären." Wenn sich die Thüren der Gross fen nicht vor einem vortreflichen Kopfe aufthaten, auf

den jeder Engländer hätte stolz seyn sollen, wenn sie entweder an seinem Verdienst keinen Geschmack finden konn ten, oder wenn sie es auf eine so selbstsüchtige Art würs digten, daß sie sich zwar gern in ihrem Cabinete durch seine Schriften unterhalten und unterrichten ließen, aber dem Manne selbst die Aufmerksamkeit und Achtung entzogen, welche die angemessene und verdiente Belohnung ausgezeichneter Talente sind; so möge der Schimpf auf fie fallen, nicht auf Richardsor. Und (fährt Mistreß Barbauld fort) ich glaube mit Grund behaupten zu dür fen, daß Kopf und Gelehrsamkeit in England weniger persönliche Unterscheidung erhalten, als in den meisten andern Ländern von Europa, und daß man den Mens schen hier mehr nach der Gleichheit ihres Vermögens als nach andern Umständen ihren Rang anweiset. Dennoch erregen sie Aufmerksamkeit, und in dem jest bekannt gen machten Briefwechsel wird man aus dem Verzeichnisse von Richardsons Freunden und Correspondenten sehen, daß die Behauptung der Lady Wortley eben so unwahr als ungroßmüthig ist. Es ist sonderbar, daß sie, deren Nahme nicht durch ihren Rang, sondern durch ihre Las lente, auf die Nachwelt gekommen ist, kein herzlicheres Mitgefühl gegen Talente hatte: aber das Publicum wird richten, wer von beyden die meiste Achtung verdiente, Sie, deren Aufführung *) sie von denen verbannte, mit welchen sie durch ihre Geburt berechtigt war umzuges

*) Lady Mary hatte einen Liebeshandel, welcher sie nöthigte, England zu verlassen, um das Aufsehen einer Chescheis dung zu vermeiden. Dennoch wechselte sie dann und wanp einen Brief mit ihrem Manne. Als neulich ihr Briefwechsel aus ihren eigenen Papieren herausgegeben wurde, wunderte sich die Familie nicht wenig, Briefe von ihrem Manne und an ihn zu finden.

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