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ein Vergnügen an den Bemerkungen, die`ich auf ihre ,,Veranlassung einstreuete."

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,,Als ich nun nicht über dreyzehn Jahre alt war,

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hatten drey von diesen Mädchen eine so hohe Meynung ,, von meiner Verschwiegenheit, daß sie, ohne daß eine ,, der andern etwas davon sagte, mir ihre Liebesgeheim,, nisse entdeckten. Ihr Liebhaber hatten an sie geschrieben, und ich sollte entweder die Antwort darauf absas= ,,sen, welche sie abschreiben wollten, oder sie baten mich ,,blos, ihre eigenen Antworten zu verbessern. Keine von ,, ihnen erfuhr jemals, daß ich auch der Geheimschreiber ,, der anderen war. Mir ward' aufgegeben, zu schelten ,, oder gar abzuweisen, wenn man beleidiget war, oder ,, beleidigt hatte, indeß das Herz der Scheltenden oder Abwesenden, offen vor mir lag, und vor Achtung und Liebe überfloß; nur fürchtete die schöne Zürnende, daß ,, man sie beym Worte nehmen möchte, und hieß mich ,, dieses oder jenes Wort mildern oder vertauschen. Wenn ,, eine oder die andre über die Gluth ihres Liebhabers und ,, die Angelobung ewiger Liebe entzückt war und ich frag= ,,te, was ich antworten sollte, hieß es oft: ich bin nicht ,, im Stande, es dir zu sagen; aber (ihr Herz schwebte ,, auf den Lippen) du kannst unmöglich zu verbindlich schreiben; alles, was ich besorge, ist, daß meine Innig,,keit mit Schnöde erwiedert werden möchte."

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Die menschliche Natur ist sich in jedem Stande gleich. Die Hofnung und die Furcht, die Verlegenheiten und die Kämpfe dieser gemeinen Mädchen, wahrscheinlich auf einem unbedeutenden Dorfe, gaben dem zukünftigenSchrifts steller die Ideen an die Hand, welche, durch ihre allmählige Entwickelung, die Charactere einer Clarissa und Eles mentina erzeugten; und vermuthlich fühlte er sich nicht glücklicher und froher als Mann in seiner Grotte, um=

geben von den unterrichtetsten Frauen in England, die nachher um seine Gesellschaft buhlten, als da er, vielleicht in einem kleinen Hinterstübchen, oder bey einer årmlichen Puhmacherinn, diesen Mädchen vorlas. Inzwischen rückten die Jahre heran, und da der Vater es nicht ausführen konnte, einen Gelehrten aus ihm zu machen, so mußte der Sohn zu einer niedrigeren Lebensart greifen, und ents schied sich für die Buchdruckerkunst, weil er dabey seinen Lesedurst befriedigen zu können hoffte. Er wurde 1706 bey dem Buchdrucker Johann Wilde in der Buchhändler Halle (of stationer's hall) in London als Lehrling aufgedingt. Doch hatte er mitten unter Büchern keine Zeit, seine Wißs begierde zu stillen. Er war sieben Jahre in der Lehre. Sein Herr mißgönnte ihm jede Stunde, die dem ersteren nicht zu gute kam, selbst die Mußestunden, welche ihm die ans dern Lehrpurschen abzwangen, weil der Handwerksges brauch sie erlaubte. Richardson verkürzte also seinen Schlaf und seine Erholungen, um zu lesen und einen Briefs wechsel mit einem Herrn zu führen, der auf Reisen war. Doch war Richardson so rechtschaffen, daß er das Licht, welches er dazu brauchte, selbst kaufte, um seinen Herrn, der ihn den Pfeiler seines Hauses zu nennen pflegte, auch nicht auf die mindeste Art zu bevortheilen.

Nach vollendeten Lehrjahren arbeitete er fünf bis sechs Jahre als Seher und Corrector in einer BuchdruckerOffi= cin, und einen Theil di ser Zeit war er Aufseher in dersel ben. Endlich machte er seine Ansprüche auf das Bürs gerrecht der Stadt London gültig, und setzte sich auf seine eigene Hand, erst in einem sogenannten Hofe in Fleets street, und dann, als er mehr zu thun bekam, zog er nach Salisbury-court, einer Seitengasse in derselben großen Straße.

Richardson war keiner von denen, die sich auf ihre

große Anlagen verlassen und müßig gehen. Er war als Lehrbursche fleißig und gewissenhaft gewesen, und erwieß sich nun auch als Herr thätig und edeldenkend. Außer seinen Berufsgeschäften in der Druckerey arbeitete er viel für die Buchhändler, machte für sie Register, schrieb Vorreden, und, wie er sie nannte, ehrliche Dedicationen. Diese ruhmlosen Beschäftigungen hatten den Nußen, daß er die Feder leicht führen lernte. Die Genauigkeit und Rechtschaffenheit, welche er sich in seinem Berufe vora schrieb, gewannen ihm bald Freunde; er bekam außers ordentlich viel zu drucken, unter anderm etliche Zeitungen und die Tagebücher des Hauses der Gemeinen, welche letzteren sechs und zwanzig Foliobånde betrugen. Der Sprecher des Unterhauses, Onslow, damals so berühmt, wandte ihn diese Arbeit zu, und schäßte unsern Richards, son, den er auch oft zu sich einlud. Aber es ist merks würdig, daß er seine Rechnung, die über drey tausend Pfund Sterl. betrug, ungeachtet der Aufmerksamkeit des Sprechers, kaum bezahlt erhielt.

Im J. 154. wurde er zum Obermeister oder Aeltes ften (master) der Stationer-Innung erwählt, eine Una terscheidung, die nicht nur sehr ehrenvoll war, sondern ihm auch viel eintrug. Ein Freund schreibt ihm bey dies fer Gelegenheit, daß er ohne Zweifel alle Obliegenheiten seines Postens sehr gewissenhaft erfüllen würde, nur sey, zu besorgen, daß seine Enthaltsamkeit nicht wohl im Stande wåre, bey den berüchtigten Schmåusen in der Stadt London eine gute Figur zu machen. Seine ErhoLungen waren nicht sinnlich. Er hatte, nach der löblis chen Weise der Londner Bürger, eine Landwohnung; erst in North-end bey Hammersmith, und dann in Pars son's green, wo er alle Zeit, die er seinem Berufe abbrechen konnte, zubrachte, und zwar selten ohne Besuch zu

haben. Er gewöhnte seine Gesellen zum Fleiß und zum frühen Aufstehen, und versteckte oft eine halbe Crone unter den Briefen, damit sie der, welcher des Morgens zuerst in die Offizin käme, finden möchte. Manchmal brachte er in derselben Absicht Obst aus seinem Garten.

Er heurathete zuerst die Tochter seines Lehrherren Wilde, welche 1731 starb. Seine zweyte Frau war eine gebohrne Leake aus Bath. Mit der ersten zeugte er fünf Söhne und eine Tochter; mit der zweyten fünf Töchter und einen Sohn: aber es starben ihm alle seine Söhne und zwey Töchter. Diese Todesfälle, so wie der Hintritt seines wackern Vaters, den er unaussprechlich liebte und betrauerte, und der Verlust zweyer Brüder und eines sehr theuren Freundes ereigneten sich binnen zwey Jahren. Diese häufigen Schläge des Schicksals wirkten so sehr | auf seine Nerven, daß er, nach dem vergeblichen Gez brauch vieler Arzneyen, nur durch äußerste Enthaltsamkeit sein Leben fristete, und in mehr als sieben Jahren weder Wein noch Fleisch noch Fische genoß.

Die Töchter, welche leben blieben, machten ihm große Freude. Sie hatten immer viel für ihn zu schreiz ben, besonders musten sie Abschriften von seinen Briefen machen; er brauchte hierzu vornemlich seine Tochter Martha.

Außer seinen übrigen Berufsgeschäften kaufte er sich 1760 noch die Hälfte des Patents, alle königliche Druck schriften besorgen zu dürfen, welche auf die öffentliche Gerechtigkeit Beziehung haben. Durch alle diese Mittel erwarb er sich ein artiges Vermögen zur Versorgung seis ner Töchter.

Aber Richardsons Genie war nicht bestimmt, der Welt imrner nur die Schriften andrer mitzutheilen. Auch konnten weder die köstlichen Schmẩuse noch die Ehrenstel

len in der Stadt London, noch der Druck juristischer Bücher und der Parlamentsakten, noch die Familienfors gen und die Aufsicht über so viele und weitläuftige Ges schäfte den Funken ersticken, der in ihm glühete, oder ihn hindern, die lieblichen Ideen, welche um seine Fantasie gaukelten, endlich in Worte einzukleiden, und das Publt= cum dadurch zu entzücken. Der unbekannte, ungelehrte Buchdrucker in Salisbury-court sollte eine neue Art von Schriften erschaffen; sein Nahme sollte täglich auf den Lippen der Großen, der schönen Geister, und der feinen Welt schweben, und er sollte dem übrigen Europa einen neuen Bewegungsgrund zur Erlernung der Sprache seis nes Vaterlandes geben. Es ist bereits erwähnt worden, daß Richardson schon als Knabe gern Briefe schrieb, und daß sich die Londner Buchhändler dann und wann seiner Anlage zur Autorschaft bedienten. Sie lagen ihm das mals an, eine Art von Briefsteller zu schreiben, in wels chem der Ungeübte Muster zu Briefen für allerley vors kommende Gelegenheiten fånde. Er machte sich an die Arbeit; aber ein Brief erzeugte den andern, bis er, wis der sein Erwarten, seine Geschichte der Pamela vollendet hatte. Sie bestand damals nur aus zwey Bånden, die er in drey Monaten schrieb. In der Wahl des Standes seiner Heldinn und der Einfachheit, mit der sie sich ausdrückt, leitete ihn vermuthlich sein Vorsaß, Briefe für die niedrigeren Classen zu schreiben.

Die Pamela erschien zuerst 1740. Sie wurde von allen Stånden mit unbegränztem Beyfall aufgenommen. Die Neuheit des Plans, das Natürliche und Pathetische so vieler Stellen, die Ungezwungenheit der Sprache, die. frommen und tugendhaften Aeußerungen vereinigten sich, den Beyfall des Publicums zu gewinnen. Man sagte ihm unzählige Artigkeiten darüber, so bald es belanut

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