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,,und noch drey andre Geschwister, aus neun Kindern, ,,geboren.“

Ein Tischler konnte schwerlich mit dem Herzoge von Monmouth und dem Grafen von Shaftesbury so genau umgegangen seyn, daß ihm dies håtte Verdacht zuziehen sollen. Vermuthlich also gieng er tiefer in ihre polis tischen Absichten ein, als die obige Nachricht schließen läßt. Indeß nehmen wir hier blos auf seinen Sohn Sas muel Rücksicht, welcher 1689 in Derbyshire, man weiß aber nicht an welchem Orte, geboren ward. Richardson soll, aus Ursachen, die ihm am besten bekannt waren, niemals die Stadt genannt haben, in welcher er zur Welt kam. Handelte er so aus Besorgniß, daß die Duns kelheit und Armuth seiner Jugendjahre bekannt werden. möchten; so war es falsche Schaam, da sie seiner Geiz stesüberlegenheit, die durch eine so dicke Wölke brach, desto größere Ehre machte. Aber die Ehrlichkeit und Offenheit, womit er seine Herkunft erzählt, sollten iha von diesem Vorwurfe freysprechen. Er meldet seinem Freunde ferner, sein Vater habe gewünscht, er solle ein Geistlicher werden, welches nicht nur mit seiner eigenen Neigung völlig übereinstimmte, sondern auch seiner hohen Achtung für die Religion und der Unbescholtenheit seiner Sitten besonders angemessen schien. Aber er fügt hinzu: ,,Doch weil er während meiner jüngern Jahre durch etliche ,,große Einbußen außer Stand gesetzt wurde, alle die „Kosten zu bestreiten, welche dieses Studium erforderte, ,,so blieb meine Geistesbildung blos auf den gewöhnlichen ,,Schulunterricht eingeschränkt, und er ließ mir im funfs ,,zehnten oder sechzehnten Jahre die Wahl, mich für irs ,,gend ein Handwerk zu bestimmen."

Einige von Richardsons Bewunderern haben, um seinen Ruhm noch höher zu heben, versichert, er sey mit

den alten Claßikern in der Ursprache bekannt gewesen; aber er sagt selbst häufig in seinen Briefen, daß er keine andre als seine Muttersprache und nicht einmal französ fisch verstünde. Man hat zwar erzählt, daß er und Young, der Dichter, in ihren Unterhaltungen, Stellen aus dem Horaz angeführt håtten, und die Briefe des Pez danten Brand in der Clarißa, welche voll lateinischer Brocken sind, werden als Beweise seiner Kenntnisse im Lateinischen angegeben: aber was die letzteren betrift, so wird aus seinem Briefwechsel wahrscheidlich, daß ihm fein Freund Channing ausgehelfen habe; und in Betracht der ersteren, darf man wohl annehmen, daß er sich ein Paar lateinische Sprüche und Verse gemerkt habe, die von den Gelehrten als eine Verbråmung ihres Vortrags gleichsam průchwörtlich hier und da eingeschoben werden; vielleicht hatte er auch die Anfangsgründe des Lateinischen, die er vermuthlich in der Schule lernte, nicht vergessen; doch alles dieses kann keine Kenntniß der Sprache genannt werden. Er bedauerte sehr oft, daß er hierin so weit zurück sey ; ́und es ist gewiß, daß sich seine Schreibart von dem Stile eines Gelehrten außerordents Tich entfernt; sie ist voll påbelhafter Ausdrücke und hat weder die Bestimmtheit noch den Anstrich von claßischer Geschliffenheit, welche gemeiniglich aus einer frühern Bekanntschaft mit den besten Mustern hervorgeht.

Aber obgleich die linkunde der alten Sprachen vor etlichen Jahrhunderten einen ungelehrten Engländer von den Schätzen der Litteratur ausschließen konnte, welche die Geistesfähigkeiten schärfen und den Verstand erweis tern, so hatte man doch damals und schon lange vorher in der englischen Sprache Werke genug, welche die Flam me des Genie's in einer ähnlich geschaffenen Seele anfaz chen konnten. Das Lesen ist immer eine der einfachsten

Vergnügungen, wenn man nicht sowohl nach neuen als vielmehr nach guten Büchern trachtet: jeder Knabe, der nur in einer Dorfschule lesen gelernt hat, besitzt einen Schlüssel zu den Schäßen des Shakespeare und des Milton, des Addison und des Locke. Auch fehlt es ihm gemeis niglich nicht an Zeit; die anhaltendste Arbeit hat ihre Zwis schenråume, in denen der Jüngling, weil ihn ein Durst nach Kenntnissen reizt, sich zu dem Buche flielt, das seis ne Neugierde befriedigt; und die hier entzündeten Gedans ken durchglühen ihn, wenn seine Hånde wieder die Pfries me ergreifen, das Bret hobeln, oder am Weberstuhle bes schäftiget sind. Allerdings müßen etliche ganz besonders günstige Umstände eintreten, die dem jungen Gemüthe dieses Verlangen einflößen. Zuweilen lassen sie sich angeben; aber viel häufiger bleiben sie unentdeckt. In dem regelmäßigen Unterrichte sind die verschiedenen Reize, welche diese Wirkung hervorbringen, unsrer Beobachtung unterworfen und genau bezeichnet, so wie wir die Beschaffenheit des Saamens kennen, den wir in die Gårten und in angebautes Land ausstreuen; aber von den Kös pfen, die sich selbst unterrichten, wissen wir gewöhnlich nicht mehr als von den Feldblumen. Wir wissen sehr wohl, daß sie einen Saamen hatten, aber es ist uns uns bekannt, durch welchen Zufall der Saame der Einen von den Winden auf einen günstigen Fleck geführt und unverfehrt in den Busen der Erde niedergelegt wurde, oder wie er dort keimt, und gesund und lustig emporwächst, indeß tausend andre verkümmern. Irgend eine Bemerkung ers greift den jungen Geist; ein Vers, den Jemand in seiner Gegenwart hersagte, fiel süß in das sich entfaltende Ohr; ein Ammenmåhrchen, mit eindrucksvollen Lönen und Gebehrden erzählt, bemächtigte fich der entzündbaren Einbildungskraft. So ist in der Einsamkeit und Duns

kelheit das Genie bald eines Burns, bald eines Shakes speare gebildet worden.

Was Richardson betrift, so fügt es sich nicht oft, daß wir so umständliche Auskunft erhalten, als er uns. selbst von seiner frühen Erfindung und Kraft, das Herz zu rühren, gegeben hat. Ich erinnere mich, sagt er, daß ,, ich noch sehr jung war, als man viel von meiner Ers ,,findungskunst sprach. Ich spielte nicht gern, wie ans ,,dre Knaben; meine Mitschüler hießen mich den Ernst,,haften und Gesetzten; vornehmlich suchten fünf Knaben ,, meine Gesellschaft; entweder ich muste mit ihnen spa,, zieren gehen, oder sie nahmen mich mit in ihrer Eltern ,, Haus, oder sie kamen zu mir, um mich Mährchen ers ,, zählen zu hören. Ich erzählte ihnen etliche, die ich als ,, wahre Begebenheiten gelesen hatte; andre gab ich ihnen ,, als meine eigene Erfindung zum Besten, welche sie ge= ,,rade am liebsten hatten, und wodurch sie oft gerührt ,, wurden. Ich darf wohl sagen, daß alle meine Ge,,schichten eine nützliche Lehre mit sich führten."

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Eben so erzählt man vom Abbe' Prevost, einem der hinreißendsten französischen Romanschreiber, daß, als er unter den Karthåusern gewesen, in deren Orden er anfånglich getreten war, er die guten Båter mit Geschichten, die er selbst erdacht hatte, zu unterhalten pflegte; einmal sollen sie die ganze Nacht aufgeblieben seyn und ihm zus gehört haben. Aber bey Richardson erhielt nicht nur seis ne Anlage zur Erfindung, sondern auch die Art, wie er sie anwandte, sehr früh eine bestimmte Richtung. Er fand an zwey Sachen Vergnügen, die den Knaben insgemein nicht sehr angenehm sind, nehmlich am Briefs schreiben und an der Gesellschaft des zweyten Geschlechts. Ein Vorfall, den er mit folgenden Worten erzählt, bes weist, wie frühzeitig er der Rathgeber der Frauen war, Engl. Miscellen XIV. 3.

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,,Von meiner frühen Jugend an schrieb ich gern ,,Briefe. Ich war noch nicht ganz elf Jahre alt, als ,, ich, aus freyem Antriebe, einen Brief an eine Witwe ,, von beynahe funfzig Jahren schrieb, die große Achtung für die Religion vorgab und unausgesetzt die Kirche ,, besuchte, aber unaufhörlich durch heimliche Verklei,, nerungen und durch Lästern unter allen ihren Bekann ,,ten Zank und Unfrieden stiftete. Ich sammelte aus ,, der Bibel Sprüche, welche ihr Betragen straften. Ich ,,ahmte die Schreibart und Manier eines bejahrten Man,, nes nach und gab ihr sowohl Vermahnungen als Ver,,weise zc. Aber man kannte meine Hand. Die Sache wurde mir Schuld gegeben und ich gestand meine Ver,, wegenheit; denn die Witwe beklagte sich bey meiner ,,Mutter mit thrånenden Augen darüber. Meine Mut,,ter war ungehalten, daß so ein Milchbart sich gegen ,, eine bejahrte Frau so viel herausgenommen håtte: in= », deß, da sie wußte, daß ihr Sohn nichts weniger, als ,, naseweiß oder vorlaut, sondern vielmehr schüchtern ,, und zurückhaltend war, so lobte sie meine Grundsäge, ,, ungeachtet ihr nteine Freyheit mißfiel.“

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Wiewohl ihm dieser Vorfall vielleicht den Unwillen einzelner Personen zuziehen mochte, so war er doch, wie er selbst erzählt, allgemein bey Jung und Alt beliebt.

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,,Als ein schüchterner und nicht zudringlicher Kna,, be war ich schon sehr jung ein Liebling aller Mädchen ,, von Geschmack und Belesenheit. Wenn etliche von ih ,, nen mit ihrem Nähzeuge zusammen kamen, und ein ,, angenehmes Buch hatten, von dem sie glaubten, daß ,, es mir auch gefallen würde, so ließen sie sich es bey ,, meinen Eltern ausbitten, daß ich kommen, und ihnen das Buch vorlesen möchte; zuweilen waren ihre Mût,, ter zugegen; und sowohl Mütter als Töchter fanden

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