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Englischer Kunst fleiß.

Ein hoher Grad von persönlicher Reinlichkeit wird unter allen Völkern geschätzt: in England ist er unerläßlich. Manche hierher gehörige Dinge, die auf dem festen Lande selbst unter den gebildeten Stånden nicht auffals len, erregen hier Eckel. So findet man in England unsaubre Wäsche, unreine Zähne und einen Bart, der über vier und zwanzig Stunden alt ist, kaum an der Person eines rechtlicheu Bürgers, geschweige in den aufsteigens den Classen. Ein Vater erlaubt sich selten vor seiner Familie zum Frühstück zu erscheinen, ehe er diese drey Stücke pünktlich besorgt hat. Ueberhaupt kann ein Engländer aus den besseren Stånden sein Frühstück gar nicht mit Behagen geniessen, noch weniger eine Mahlzeit zu sich nehmen, er habe sich denn rasirt, frisches Weißzeug angelegt u. f. w., es ist ihm sonst, als ob ihm etwas fehlte, he does not feel comfortable. Diese Gewöh nung an persönliche Reinlichkeit leidet so wenig Ausnah me, daß man unter den Passagieren und Officieren auf großen englischen Schiffen, wo die verschiedenen Came= radschaften auch gemeinschaftlich essen, frühstücken 20. mitten im stürmischen Wetter die Bårte fast niemals über vier und zwanzig Stunden stehen läßt. Freylich ist da jeder sein eigner Barbier, wie denn fast jedermann in England, bis auf die höchsten Personen, und selbst der jezige König, fich den Bart eigenhåndig nimmt.

Es folgt hieraus, daß man alles, was zum Nas siren gehört, in England ungleich sorgfältiger verfertiget, als auf dem festen Lande, wo man gemeiniglich die ganze Bartpußeren dem Barbier, dem Kammerdiener, dem Bes Engl. Miscellen XV. 2:

dienten überläßt, welche nicht sehr wählerisch in den Erfordernissen find. Hier aber, wo fast ein jeder diese Mühe selbst übernimmt, erstreckt sich über den sämmtlichen Bars bierbedarf ein sehr beträchtlicher Lurus. Die Sache ist von so allgemeinem Interesse, daß Nicholson im verfloss senen Jahre nicht besorgen durfte, den ernsten Lesern seis nes philosophischen Journals durch eine Abhandlung und mehrere Bemerkungen über diesen Gegenstand Aergerniß zu geben. Auch der berühmte Statistiker Sinclair bes rührt ihn in der Sammlung seiner kleinen Schriften: - und wie viel englische Flugschriften find nicht darüber erschienen *)! Der Kunstfleiß, welcher hierbey natürlich eine Hauptrolle spielt, ist unerschöpflich an neuen Erfin= bungen zur Erleichterung dieses ersten Tagegeschäftes, das jedem Engländer, der nicht zum Pöbel gerechnet seyn will, so nothwendig wird. Es läßt sich seit Menschengedenken kein Jahr anführen, wo man nicht ein neues Scheermesser, ein Streichleder, eine Seife, ein Seifenpulver u. s. w. angekündigt håtte. Denn obschon das Selbstbarbieren in England so allgemein ist, so fållt es doch manchem Milchbarte schwer, das Kinn ohne Wunde glatt zu machen. Der Jüngling sucht daher ges wöhnlich alles aufzutreiben, was die Messerschmide und Parfümiers zur Erleichterung des Barbierens ausbieten, besonders da man nach ihren Ankündigungen schliessen follte, daß jeder Neuling, vermittelst ihrer Erfindung, sich gleich im Finstern, ohne Spiegel, rasiren könnte, welche nützliche Fertigkeit man doch erst durch wiederholte Versuche, besonders durch den Drang der Nothwendigs keit zur See, erwirbt.

Aber alle bisher bekannt gewordenen Erleichterungss *) Man hat sie zum Theil schon ins Deutsche überseßt, 3. B. die von Kingsbury.

mittel des Rasirens sind nichts gegen den Tonsor oder die Imperialcomposition, wofür ein Herr Hymans vos rigen Janner ein Patent erhalten hat. Dieser letztere Um» ftand leistet ziemlich Gewähr, daß hier kein Betrug zum Grunde liegen kann, da die Kosten eines' ausschlieffen den Privilegiums nicht unbeträchtlich sind. Um jedoch den Leser nicht auf eine falsche Spur zu führen, wollen wir uns Wort für Wort an die Bekanntmachung des Patentinhabers halten. Der Tonsor, sagt er, nimmt den Bart auf die angenehmste, reinlichste und bequemste Welse; man braucht dazu weder Scheermesser, Seife, Wasser noch Spiegel: es ist daher nicht mehr nöthig, das Gesicht, wie bisher, mit Seife zu beschmieren, und sich der Gefahr auszusehen, daß man mit einem Scheers messer in zitternder oder ungeschickter Hand geschnitten werde. Man hat weiter nichts zu thun, als sanft zu reiben, und es geht damit eben so geschwind, als bey dem gewöhnlichen Barbieren. Man kann diese Reibung auf der Reise, im Bette, oder im Finstern und wo man will, vornehmen. Es ist eine glückliche Erfindung für die, welche nicht gelernt haben, sich selbst zu rasiren, und das Gesicht andern Hånden nicht anvertrauen mös gen. Der Seefahrer, bekannt mit der Gefahr, sich ben rauhem Wetter zu barbieren, wird diese Erfindung sehr gern mit zu Schiffe nehmen. Rauhe und harte Bårte werden dadurch weich und die Haut sanft gemacht. Die Composition hat keine schädlichen Bestandtheile. Man erspart sich dabey sowohl die Ausgabe für Barbiermess ser, und die Unannehmlichkeit, sie in Ordnung zu hals ten, als auch das ganze lange Register von andern Bes dürfnissen zum Rasiren. Der Erfinder hat sich damit schon seit zwanzig Jahren den Bart genommen (die boshafte Welt wird ihm das nicht glauben) wiewohl die

die Sache erst jetzt öffentlich bekannt gemacht wird. Man kann die Composition in Massen oder Stücken haben, bey dem Parfümier Golding, No. 42. Cornhill, Lons don. Preiß eine Guinee. Will man sich dieser Compos sition bedienen, so zieht man die Haut mit der einen Hand straff an, während man mit der andern die Composition auf das Kinn 2c. reibt. Wenn diese Composis tion unrein oder rauh wird, darf man sie nur ein oder etlichemal auf dem dazu gehörigen Stahl reiben. Uebrigens bewahre man sie vor Feuchtigkeit. Der Erfinder möchte das Publikum nicht gern hintergehen, und ers klårt daher, daß er seine Composition keinesweges für vorzüglicher als Scheermeffer hålt; er behauptet eben so wenig, daß man den Bart schneller damit abnehmen könne, oder daß es keine Ungelegenheit verursache: sondern er will blos, wie gesagt, solchen, die das Rasirmesfer selbst nicht handhaben können, und fremde Hånde auf ihrem Gesichte ungern leiden, einen Stellvertreter empfehlen. Wohl zu merken: man reibe den Bart wider den Strich.

Die neuesten englischen Mannsschuhe sind zwar, wie im letzten Stücke erinnert worden, der Gestalt des Fusses besser angemessen, als die, welche man bisher trug: aber es wird sich doch immer treffen, daß der Mos deschuster, indem er bemühet ist, das Plumpe und Uebers weite zu vermeiden, dann und wann die Schuhe ein wes nig zu enge mache. In diesem Falle hilft man sich überall damit, daß man sie über den Leisten schlagen läßt. Allein auf Reisen, auf dem Lande, oder spåt am Abend vor einem Balle, kann man das nicht immer haben; oder es ist unangenehm, ein Paar niedlich gemachte und völlig reine Schuhe einem Schuster zu überlassen: kurz man möchte den engen Schuh lieber selbst weiten oder

unter seinen Augen weiten laffen. Dafür hat nun der englische Kunstfleiß einen eigenen Schuhdehner (shoestretcher) erfunden, welcher der Absicht völlig entspricht. Er hat ungefähr die Form eines Leisten, über welchem eine Schraube und Griff angebracht sind, vermöge des ren man die beyden Theile des Dehners ganz allmählig auseinander schrauben kann, bis man die beliebige Weite erhålt. Dies erfordert keine Anstrengung, und da das Werkzeug aus Messing und Eisen besteht, so nimmt es wenig oder gar keinen Schmuß an. Preiß zwey Guineen, bey dem Schuster Humby in Pallmall. So ist nun zu den Bedürfnissen der Toilette eines englischen Stußers wieder ein neues hinzugekommen.

Es ist bekannt, daß man die Camingesimse in den vornehmsten englischen Häusern auf allerley Weise aufpuht. Pfeileruhren, prächtige Vasen aus Porzellan und Alabaster, vergoldete Blumentöpfe und mancherley Figuren aus Spath, Wedgwood und Porzellan sind die gewöhnlichsten. Seit Kurzem ist eine Decoration hinzu gekommen, die einfach und niedlich ist. Es sind kleine långlichrunde Büchsen, ungefähr wie verlängerte Chocoladetassen, mit einem etwas breiten Fuße. Man macht sie aus dem feinsten himmelblauen Wedgwood, aus Spath von Derbyshire, und am gewöhnlichsten aus Porzellan. Die aus dem zuleßt genannten Material sind prächtig bemahlt und vergoldet. Ihr Nahme ist noch schwankend: in mehreren Gewölben nennt man sie paper boxes, Papierbüchsen, und sagt, sie wären bestimmt, Papierschnitzel hinein zu thun, mit denen man ein Licht anzünden will. Sie werden zwischen die Vasen oder Blus mentöpfe gestellt.

Die schwarzen Wedgwood Theekannen, welche immer noch am allgemeinsten im Gebrauche sind, wurden

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