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wöhnt durch die Schönheit aller andern Producte des hiesigen Kunstfleißes kann man sich nicht enthalten, diese Schirme, welche gar nicht wohlfeil sind, etwas plump zu finden. Aber dafür muß man auch geste= hen, daß sie ihrem Zwecke völlig angemessen sind.

Es ist bekannt, daß in London, wie in Paris, die ges schmackvollen Schauspielerinnen eine Art von Recht haben, neue Moden aufzubringen. Sind ihre Gedanken in dieser Rücksicht glücklich, so nehmen sie selbst die vornehmsten Frauen an, weil bey einer Actrize der Neid sich nicht so einmischt, wie bey Damen von gleichem Stande. Folgende Erfindung schreibt sich auch von einer Schauspielerinn her, deren Anzug gemeiniglich sehr bewundert wird. Weil uns aber die Sache selbst noch nicht zu Gesicht ge= kommen ist, so ist es ehrlicher, die Beschreibung derselben aus einer Londner Abendzeitung, dem Courier vom 10. Febr. d. I. zu entlehnen: "Eine bedenkliche Nachricht für gute Sitten - wir halten uns verpflichtet, die Socies tåt zur Unterdrückung des Lasters und jede gesittete Person von einer beunruhigenden Sache zu unterrichten, welche so eben unter dem schönen Geschlechte, besonders unter den Frauen, die etwas völlig sind, und deren Form nicht mehr die jugendlichen Umrisse hat, eingeführt wors den ist. Man wird dies für Spott auf das schöne Ges. schlecht halten, aber es hat seine Richtigkeit, daß eine Scheidung (divorce) gegenwärtig dem Herzen einer jeden vornehmen Frau, die fünf und zwanzig Jahre zählt, › am nächsten liegt, und das Ehestandsgericht wird nun mehr als jemals zu thun bekommen. Diese Scheidung ist aus Stahl mit Federn gemacht, und so daß fie in manchen Theilen elastisch, in andern fest ist. Man trågt fie an der Mitte der Brust, und ihr Zweck ist, die Busen der Damen getrennt zu erhalten, bey denen die Natur

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dies modische Amt nicht mehr verrichten will, da eine Trennung in diesem interessanten Theile des Weibes nach den neueren Begriffen von einer schönen Frau eben so wes fentlich ist, wie rothe Ellbogen und die Abwesenheit der Röcke; daher heißt man ́ diese neue Erfindung eine Scheidung, ein Ding, worauf zårtliche Ehemänner natürlich ein wachsames Auge haben werden. Es ist die Erfindung einer Schauspielerinn.”

Wie sehr der Kunstfleiß den Werth der rohen Stoffe erhöhen könne, sieht man auffallend an den Stahlarbeiten der Engländer. Sie ziehen durch die außerordentliche Veredlung des Stahls mehr Geld ins Land, als sie durch den Bau einer reichen Silbermine gewinnen könn ten. Zu wie vielen Sachen, die ehemals aus andern Materialien bestanden, wird jeht nicht in England der Stahl genommen, und wie viele werden hier nicht mit Stahl verziert, denen im Auslande, wo englische Güter nicht im Gange sind, diese Verzierung ganz fremd ist! Wiewohl man schon lange die Schnallen von den Frauensschuhen weißlich verwiesen hat, ist dennoch an ihre Stelle immer etwas leichteres, eine Rose, eine Schleife, eine kleine seidene Quaste ú. s. w. getreten. Aber da man vor nicht langer Zeit sehr reiche und theure Stahlschnallen trug, so haben die Stahlarbeiter, seitdem die Mode ihnen diesen Erwerbszweig ganz abschnitt, auf diesen Theil des Weiberputes immer mit geheimem Neide, wie eine überwundene Macht auf verlornes Land, geschen, und durch allerley Künste dort wieder Posten zu fassen gesucht, bis einmal eine neue glückliche Revolution in der Mode die mächtigen Stahlschnallen wieder aufkommen, und die Birminghamer Fabriken ihre vorigen Rechte erhalten. Man kann hierher rechnen, daß sie sehr nied liche Rosen, Blumen, kleine Schnallen und Zierrathen

in allerley Gestalten verfertigen, welche auf die erwähnten Bandrosen, Quasten ›. befestiget werden, und bey Englånderinnen sehr beliebt sind. Für diesen Winter ist aus den Fabrikstädten eine neue Lieferung angekommen, welche den vorigen an Schönheit nicht weicht. Dieser Artikel ist zwar klein, wird aber in beträchtlicher Menge verkauft.

Schwarze Corduanschuhe werden von den Englåns derinnen aus den mittlern und höhern Stånden immers fort sehr häufig getragen. Aber ungeachtet der bekanns ten weiblichen Sorgfalt und Sauberkeit in allen Theilen des Anzuges, werden diese Schuhe weit eher ihres Glanzes und Ansehens verlustig, als ihrer Haltbarkeit. Dies kann, bey dem ohnedies großen Verbrauch der Schuhe, nicht allen Frauen gleichgültig seyn. Daher hat Godfrey, ein geschickter Schuhmacher in Neubondstreet, eine Flüßigkeit oder Glanzschwårze erfunden, welche, wie er versichert, den Corduanschuhen ihren natürlichen Glanz wieder giebt. Man fordert liquid blacking for Ladies Spanish shoes.

Vielleicht ists manchem Leser noch in frischem Andenken, daß ein Londner Wagenbauer vor einiger Zeit einen Wagenwårmer erfand. Er macht damit bis auf diese Stunde Geschäfte, die nicht verächtlich sind. Dennoch kann man nicht sagen, daß diese Erfindung sehr gemein wåre. Die meisten Damen und alte Leute, welche so etwas brauchen, suchen ihren Zweck auf kürzern Wegen zu ers reichen. Unter andern fand man in dem so eben vers floßnen Winter sehr schöne zinnerne Wårmflaschen, die ausdrücklich für Wagen eingerichtet waren (Feetwarmers for carriages) No. 30. Newbondstreet. Ihr Verdienst bestand fast ganz in der Neuheit, da unsers Wissens zinnerne Wärmflaschen, welche man im ganzen

Norden des festen Landes antrift, in England nichts gen wöhnliches sind. Unter der Schraube befindet sich ein Kork, um das Verdampfen des Wassers möglichst zu verhüten.

Bey dem Anblicke der englischen Weibermoden und der dahin gehörigen Producte des Kunstfleißes, wird. manches Frauenzimmer des festen Landes ausrufen: "Je, "ist denn das noch in England Mode? das ist in Paris, "und mithin natürlich bey uns schon lange verrufen!". In England finden die weiblichen Pariser Moden zwar auch allmählig Eingang, aber bekanntlich niemals ge= rade so wie sie ankommen. Wenn die Londner Puhmacherinnen etwas nachahmen, so thun sie es niemals sclavisch. Und gefällt irgend ein Theil des Pußzes, so trågt man ihn eine gute Zeit fort, ohne zu fragen, ob Paris noch dasselbe thue. Dies kommt zum Theil das her, daß der englische Kunstfleiß an gefallenden Artikeln durch Verbesserungen und schickliche Zusätze den Reiz der Neuheit beym Publicum zu erhalten weiß. Man kaun diese Bemerkung mit dem Beyspiele der schildpattenen Weiberkämme belegen, die von verschiedenen mechanischen Künstlern mit großer Vorliebe immer aufs neue verschönert zu Markte gebracht werden. Die Fabriken haben heuer diese Kämme mit einer besondern Art großer vergöldeter Platten ausgestattet, welche mit sehr mannigfaltigen Medaillons verziert auf den Bållen und in den Besuchzimmern gesehen werden. Die Preise richten sich nach der Güte der Medaillons, welche bey reichen Frauenzimmern aus åchten Steinen, und bey minder wohlhabenden aus Composition sind.

Die Zeiten sind lange vorbey, wo sich der englische Kunstfleiß von dem französischen Geschmacke Vorschriften geben ließ; aber immer noch hat die höhere Welt in

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England manche Kleinigkeiten gern entweder aus Paris oder nach Pariser Art. So haben fast alle Souvenirs für die vornehmeren Stände französische Motto's *) und die hiesigen Künstler, welche dergleichen verfertigen, bringen absichtlich Verzierungen an, die dem englischen Geschmacke zuwiderlaufen. An solchen Herrlichkeiten fehlt es zwar niemals auf dem englischen Markte, aber heuer in der Carnevalszeit erschienen sie besonders häufig. Collins No. 52. Strand schien dis köstlichsten zu haben. Es waren kleine Dosen von allerley Formen mit emais lirten Deckeln. Selbst die eigenthümliche Form der franz zösischen Buchstaben auf solchen Sachen war nachgeahmt. Da man nicht läugnen kann, daß die französischen Arbeiten dieser Art vortreflich sind, so würde sich's vielleicht der Mühe verlohnen, wenn Kenner diese Englischen das gegen hielten, wozu man vermuthlich auf den deutschen Messen Gelegenheit hat. Bey zwey Nationen, die eins ander fast in allen Fächern nacheifern und sich in jedem den Vorrang zuschreiben, muß man überall selbst průfen, che man ein Urtheil auf Treu und Glauben der Parthengånger fållet.

Wenn es überhaupt vergönnet ist, an solchen Ers zeugnissen des menschlichen Fleißes, als in unsern Hef= ten beschrieben werden, Gefallen zu finden, so ist es ge= wiß am verzeihlichsten, die Producte des brittischen Kunstfleißes mit Vergnügen zu betrachten. Es findet sich da bey manchen Arbeiten ein solcher Aufwand von mechanischem Genie, eine so sinnreiche Benutzung bes

*) Gerade so war es ehemals im alten Rom Mode, grie=
chische Motto's auf Galanterien zu fehen. S. Bötti-
gers Morgenbesuche oder Abhandl. über die Toilette der
alten Römerinnen im Magazin encyclopédique par Mil-
lin. No. II. An XII. p. 343.

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