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ein. Er hinterbrachte dessen Absicht dem edlen Wirthe, und bat ihn sie zu vereiteln. Man wurde einig, daß Swift gar nicht ins Haus kommen sollte. Er hatte nies mals die Pocken gehabt, und stand, wie alle feine Freunde wußten, in großer Besorgniß, daß er einmal damit angesteckt werden möchte. Als er sich dem Thore nåherte, schickte man ihm einen Bedienten entgegen, der ihm sagen music, daß die Pocken im Hause wären, wese wegen er sich nicht mit Sicherheit hinein wagen könnte, doch_stünde ihm im Garten ein Feldbett im Sommerhause zu Dienste. Dort muste sich Swift hinbegeben, und mit einem kalten Abendessen verlieb nehmen, wäh rend seine Freunde, die er hatte überlisten wollen, sich im Hause gütlich thaten. Endlich als sie glaubten, sie håtten sein zu sehnliches Verlangen nach persönlicher Béquemlichkeit genugsam bestraft, baten sie den Lord, ihn in seine Gesellschaft aufzunehmen. Swift muste vers sprechen, daß er niemals wieder, wenn er mit seinen Freunden wohin ginge, den Versuch machen wollte, sich das beste Bett zuzueignen. Swift muste sich manchen losen Streich von ihnen gefallen lassen, ertrug es aber sehr gleichgültig, weil er wohl wuste, daß, ob sie gleich über seine Sonderbarkeiten lachhten, sie dennoch seine Lugenden schätzten, seinen Witz bewunderten, und seine Weisheit verehrten.-

An folgendem hat man ein auffallendes Beyspiel, wie tief ein großer Mann durch Ehrgeiz und Habsucht sinken kann. Der Character, den Swift von ihm ents wirft, wird zu vielfach bestätiget, als daß man daran zweifeln könnte. "Der Herzog von Marlborough war gestern eine Stunde bey der Königinn. Aus seinem Betragen leuchtete die allerverworfenste Unterthänigkeit; er sey der geringste von Ihro Majestät Werkzeugen, ihr des

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müthiges Geschöpf, ein armer Wurm ze. Er ist habsüchtig wie die Hölle, und ehrgeizig wie der Fürst ders felben; gern würde er zeitlebens General geblieben seyn, und er hat alle Bemühungen um Frieden vereitelt, um feine Größe zu behaupten und Geld zu erwerben. Er sagte der Königinn, daß er weder habsüchtig noch ehrgeizig wåre. Sie sagte, wenn sie sich mit Anstand håtte umwenden können, so würde sie gelacht haben, und sie konnte sich kaum enthalten, ihm ins Gesicht zu lachen, Ich glaube und gestehe es ohne Rückhalt, daß er nicht eine gute Eigenschaft in der Welt außer der eines Feld= herrn hat; und selbst diese habe ich ihm von vielen gross sen Kriegern absprechen hören. Aber unter seinem Com mando haben wir beständiges Waffenglück gehabt, und -Meynung will im Kriege viel sagen. Dies vertrauete mir ein Lord, dem es die Königinn gesagt hatte; denn die Minister lassen sich niemals ein Wort verlauten.";

Swift mochte gern Auftritte unter dem niedrigsten Pöbel sehen, und versåumte keine Gelegenheit, die sich ihm darbot, dabey gegenwärtig zu seyn. Als er sich einst auf dem Lande befand, erhielt er Nachricht, daß eine Bettlerhochzeit in der Nachbarschaft seyn würde. Er wollte die Gelegenheit, eine so sonderbare Festlichkeit zu sehen, nicht vorbeygehen lassen. Um das Ganze desto besser zu genießen, that er dem D. Sheridan den Borschlag, daß er als blinder Geigenspieler mit einem Verbande über den Augen hing hen sollte, und er wollte ihn als sein Führer begleiten. In diesem Aufzuge erreichten sie den Schauplah, wo der blinde Fiedler mit vollem Jauchzen empfangen wurde. Es gab da zu essen und zu trinken in Menge, und man nöthigte dem Fieds ler und dessen Führer mehr ein, als ihnen angenehm war, Niemals konnte man eine fröhlichere Hochzeit ge=

sehen haben. Die Bettler sangen, tanzten, erzählten Mährchen, machten Späße 2c. mit einer reichen der von Humor, der für die beyden Gåste unterhaltender war, als es vielleicht jede andre Hochzeitgesellschaft håtte seyn können. Als der Spielmann gehen wollte, zogen sie ihren ledernen Beutel heraus und belohnten ihn reichlich.

Des folgenden Tages gingen Swift und Sheridan in ihrem gewöhnlichen Anzuge aus, und fanden ihre Gefellschafter der vorigen Nacht auf verschiedenen Theilen der Landstraße und in dem benachbarten Dorfe zerstreut. Alle bettelten sie mit herzbrechender Sprache an, und erzähl= ten jammervolle Geschichten von ihrem Elend. Unter ihnen fanden sie etliche auf Krücken, die auf der Hochzeit sehr rührig getanzt hatten; andre schienen stockblind, die beym Schmause sehr gut sehen konnten. Sheridan theilte unter ihnen das Geld aus, welches er zur Bezahlung erhalten hatte, aber Swift, der diese verstockten LandLaufer tödtlich haßte, laß ihnen weidlich die Epistel, sagte ihnen, wie er bey ihrer Hochzeit zugegen gewesen wäre und ihre Schelmerey mit angesehen håtte; endlich versicherte er ihnen, wenn sie nicht sogleich ehrlich zu arbeiten anfingen, so wollte er sie beym Kopf nehmen und sehen lassen. Hierauf erhielten die Lahmen gleich wieder ihre Beine, und die Blinden ihr Gesicht, so daß sie sich schnell davon machen konnten.

"Lady Orkney und ich, wir hatten eines Tages eine lange Unterhaltung über die Liebe. Sie sagte mir eine Bemerkung ihrer Schwester Fitzharding, die mir vorz treflich schien, daß bey Männern das Verlangen Liebe und bey den Frauen die Liebe Verlangen gebiert."

Die Verträge der Staaten find allen Schwachheiten, Thorheiten und Lastern einzelner Menschen ausgesetzt.

Der Mensch ahmt so gern nach und hat so viel von der Natur der Schaafe an sich, daß wenn einer so kühn ist, den ersten großen Sprung über die Köpfe der Umstehenden zu thun, wäre er auch der schlechteste in der Heerde, die übrigen es ihm bald nachthun.

Betrug ist ein größeres Verbrechen als Diebstahl, und sollte daher mit den Tode bestraft werden, denn Sorgfalt und Wachsamkeit nebst einem sehr alltåglichen Verstande können einem das Seinige vor den Dieben bez wahren, aber Ehrlichkeit hat keine Schuhwache gegen außerordentliche List: und da es nothwendigerweise einen beständigen Verkehr von Kaufen, Verkaufen und Creditgeben geben muß, so wird der ehrliche Handelsmann allezeit zu Grunde gerichtet, und der Schelm hat den Vortheil, wenn Betrug erlaubt ist, oder Nachsicht erhålt oder durch kein Gesetz bestraft werden kann.

Vey einem Frauenzimmer wird auch ein klein we= nig Witz hoch gepriesen, so wie es uns freut, wenn ein Papagen auch nur ein paar Worte deutlich aussprechen fann.

Ungeachtet der gemeinen Beschwerde über die Schurkerey der großen Staatsbedienten, habe ich doch nie cis nen großen Minister oder geschickten Geschäftsmann gekannt, der so schlecht gehandelt hätte als seine Unterges benen; sein Verstand und seine Einsichten verwahren ihn gegen hundert gemeine Schelmereyen, und wenn er wiz der gute Grundsätze handelt, so geschieht es gemeiniglich mehr, weil ihn seine Lage dazu zwingt, als weil er ein bösartiges Gemüth hätte. Gewiß Swift war im Stande, hierüber zu urtheilen.

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Wenn ein wahres Genie in der Welt erscheint, so kann man es an folgendem Zeichen erkennen: die Dummköpfe haben sich alle gegen ihn verschworen.

Ein weiser Mann bringt den leßten Theil seines Lebens damit zu, daß er sich von den Thorheiten, Vors urtheilen und falschen Meynungen heilt, die er in dem ersteren angenommen hatte.

Die Grille, daß man viele Dinge unter dem Nahmen Kleinigkeiten, Poffen und blos eingebildeten Gütern herabwürdiget, ist ein sehr falscher Beweiß von Großmuth oder Weisheit, und ein außerordentliches Hinderniß tugendhafter Handlungen. Zum Beyspiel, was den Ruhm betrift, finden wir, daß die meisten Leute nicht gern vergessen werden mögen. Selbst beym Pöbel bemerkt man, wie gern er eine Grabschrift hat. Es ers fordert nur wenig Einsicht um zu entdecken, daß in 'allem kein innrer Werth ist: wenn es aber dessen ungeach tet als ein Antrieb zur Zugend in unsrer Natur begrün det ist, so sollte es nicht verspottet werden.

Der alltägliche. Fluß der Rede entsteht ben vielen Mannspersonen und bey den meisten Frauenzimmern aus einer Armuth an Stoff und an Worten, denn wer der Sprache Meister ist, und einen Kopf voll Ideen hat, pflegt im Sprechen bey der Wahl von beyden schwierig zu seyn; dahingegen gemeine Sprecher nur Eine Reihe von Begriffen, und Eine Reihe von Worten, sie einzus kleiden, haben, und diese sind allezeit bey der Hand. So kommt man schneller aus der Kirche, wenn sie fast leer ist, als wenn man sich an der Thür durchdrången muß.

Swift war zuweilen sehr ungeschliffen, selbst gegen viel Vornehmere. Einmal speißte er beym Grafen von Burlington, bald nach der Vermählung dieses Herrn. Der Graf versprach sich von Swift's Sonderbarkeiten einige Lust, und unterließ wissentlich ihn seiner Gemahlinn bekannt zu machen, die unsern Swift niemals ges

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