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dan ohne Perücke und in bloßem Kopfe gestellt. Swift selbst besteigt den Gerichtsstuhl mit verkehrt aufgesetzter Perücke, welche sorgfältig gekräuselt und zu einer gewaltigen Wolkenperücke der englischen Richter vergrößert ist; ein rother Mantel von einer Magd im Hause umgiebt seine Schultern, um den Richtertalar vorzustellen, und sein Predigerkragen muß den ähnlichen eines Oberrichters vertreten. Die große Jury wird beeidiget und die -Bill gefunden (d. i. der Proceß instruirt); dann nimmt man die kleine Jury in Pflicht und die Verhandlung bes ginnt. Der Rufer gebietet Stillschweigen: die Rechtsgelehrten nehmen Plaß. Aeußerster Ernst und Anstand ́herrschen; man erlaubt sich kein Lächeln, ausgenommen über den drolligen Umstand, daß ein Herr Stopford, der von Seiten der Crone seine Gebühren als Klåger erhalten hatte, erklärte, er könne seine Pflicht als wahrer Sachwalter nicht erfüllen, dafern er nicht von beyden Partheyen Gebühren bekäme. Man zahlt ihm also in öffentlichem Gerichtshofe ebenfalls Gebühren für den Beklagten, so daß er von beyden Partheyen achtzehn Schillinge erhält. Während der ganzen Verhandlung benimmt er sich mit außerordentlichem Humor und Anstand. Die meisten Gäste haben ihre Rolle. Das Ges sinde wird verhört und das Nachtgeschirr sorgfältig untersucht. Die Magd, welche die Betten machte, wird auf das schärfste vernommen: dennoch kann man nicht recht auf den Grund kommen. Die züchtige schöne Frau vom Hause wird weinend und vor Schaam vergehend in den Gerichtshof gezogen; weder Thrånen noch Bitten helfen; sie soll becidiget werden. Aber gerade als ihr das Comödienbuch, worauf die anderen Zeugen verpflichtet worden waren, hingehalten wurde, ruft der Richter: "Halt, man beeidige sie auf das Geschirr, es ist ein

Sinnbild ihrer Reinheit," und die arme Madam Ludlow wird unter Schluchsen und Erröthen genöthiget, den unflåthigen Spiegel ihrer Reinheit zu küssen. Ihre Aussage beschließt den Auftritt. Swift geht nun die Zeugnisse förmlich durch, und überantwortet den gan= zen Vorfall voll Ernst der Jury zur Ueberlegung. Ihr Ausspruch, wie zu erwarten, lautet schuldig; und Swift spricht nun mit aller Feyerlichkeit eines Richters das Todesurtheil über den zitternden Sheridan aus, und schließt pathetisch mit den Worten: der Herr habe Erbarmen mit deiner Seele! Man bringt einen Strick, Sheridan sieht, daß er pro forma gehangen werden foll. Er springt ans seinem Stande die Treppe hinauf. Hinter ihm her laufen alle, die im Gerichte sind, mit vollem Geschrey. Da aber die Furcht seine Füße beflü gelte, so gewann er Zeit, seine Kammerthür zu verries geln, die er dann mit allen Stubengeråthen, so gut als es möglich war, verrammelte. Hier blieb er zwey Stuns den belagert: endlich kapitulirte er auf die feyerliche Versicherung, daß man ihn nicht hången wolle.

Etliche Tage nachher treffen die Nichter ein. Sie hören, wie verächtlich Swift ihre Würde behandelt habe, und schicken einen Erpreßen deßhalb an den Lord Statt halter von Irland. Dieser war weise genug, über den, Scherz zu lachen. Da sie sahen, daß die erwartete Rüge ausbleibt, bringen sie ihre Beschwerde förmlich bey den Bischöffen an, welche nahe dabey waren, den Handel ernsthaft zu untersuchen; allein Einer unter ihnen, etwas kluger als die andern, empfahl ihnen, die ganze Cache zu vertuschen.

Es ist klar, daß Swifts Absicht bey diesem Vorgange war, erfilich über die bestehenden Gesehe, welche er von Herzen verabscheuete, zu spotten, und dann die Engl. Miscellen XIV. 2.

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unschickliche Art, womit man in den englischen Gerichtshöfen Eide ablegen läßt, lächerlich zu machen.

Mit

der verkehrten Perücke (denn er that nichts ohne Zweck) mochte er auf die Verkehrung der Gerechtigkeit deuten, so wie der scharlachne Mantel vermuthlich die Umgestals tung eines Richters in eine alte Frau anzeigen sollte. Wie man es aber auch nehmen mag, es leidet wenig Zweifel, daß es mit dieser Kurzweil auf die Rechtsgelehrten abgesehen war, denn der oben erwähnte Herr Theophilus Swift besitzt einen durchschossenen Gulliver, in welchem Swift bey jeder Stelle, wo von der öffentli chen Gerechtigkeit, oder ihren Beflißenen und Ausübern die Rede ist, fast den ganzen Tert ausgestrichen und ges gen über die heftigsten und bittersten Aenderungen ges schrieben hat.

Sheridan war für Swift eben das, was die Harfe für Saul war, ein Instrument, das seinen Unmuth heilte; er konnte mit ihm beginnen was er wollte: dens noch schätzte ihn Swift im Grunde. Er fand an Sheridan einen Gegenstand, an dem er bequem alle seine Laus nen auslassen konnte, und ein Mann, wie Swift, muste begreiflich an Leuten, bey denen er den Neigungen seiner Natur nachhängen durfte, Gefallen finden. Hieraus erklärt sich sein vertrauter Umgang mit dem fügsamen Sheridan: sein Mitleiden mit diesem leichtsinnigen Manne wurde allmählig Anhänglichkeit. In diesen Anwändlungen des Mitleids (denn von Natur war Swift leut selig, ungeachtet er sich stellte, das Unglück andrer mit můrrischem Gleichmuthe zu betrachten) dfnete sich seine Börse allezeit dem dürftigen Sheridan.

Mistreß Pilkington's Memoires von Swifts Leben find bekannt. Aber ihre Glaubwürdigkeit wird in dem angeführten Briefe des Hrn. Theoph. Swift ungemein

wankend gemacht. Sie war niemals persönlich mit Swift vertraut und sammelte aus dem Hörensagen Anec doten, die, wie Jeder aus seiner Erfahrung weiß, der Ruf allezeit äußerst entstellt und oft ganz erfindet.

Swift verlebte muthmaßlich die glücklichsten Tage auf seiner Landpfarre zu Laracor in Irland, wo ein drolliger Schulmeister, Roger Cor, nicht wenig zu seis ner Unterhaltung beytrug. Dies ist zum Verständniß der folgenden Anecdote nothwendig, die oft erzählt wird, um zu beweisen, daß Swift, ungeachtet sein Herz voll Frömmigkeit war, der Versuchung, seine wunderlichen Launen zu befriedigen, nicht widerstehen konnte, so oft sich eine Veranlassung zeigte, obschon Zeit und Ort ganz und gar nicht dazu paßten. Bald nachdem er in Las racor aufgezogen war, machte er von der Kanzel bekannt, daß er alle Mittwoche und Freytage Betstunden halten würde. Den ersten Mitwoch darnach, als er die Kanzel bestiegen hatte, und eine ziemliche Zeit saß, ohne daß sich weiter Jemand eingefunden hatte, als sein Küster Roger, erhob er sich mit einer Fassung und einem Ernste, die bey dieser Gelegenheit unwiderstehlich lächerlich was ren, und fieng an: Herzlichgeliebter Roger, die Schrift befiehlt dir und mir an verschiedenen Stellen ic, und so laß er alles bis zu Ende. Die Geschichte ist nicht ganz vollständig. In der That, man kann sichs nicht erklåren, wie Swift in einer Gemeine von nicht mehr als sechs bis sieben Familien, die an Wochentagen alle ihre nothwendigen Verufsgeschäften hatten, so bersüchtig war, dafern er nicht etwan aus der Menge der Zuhörer des Sonntags schloß, sein Einfluß wåre so groß, daß ein bloßer Wink hinreiche, allen weltlichen Angelegenheiten Einhalt zu thun, und alle Geschäfte zu unterbrechen. Eigentlich war es so, Als er in die Kirche trat, fand

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er Rogern ganz allein, und rief mit sichtlichem Befrems den: Ey, ey, Roger, ist Niemand weiter hier als Er? O ja, Ihro Ehrwürden, antwortete Roger trocken, ins dem er die vorzulesenden Gebete aufblåtterte, Sie sind sicher auch hier.

Ehe Swift in Irland versorgt wurde, vereinigten fich Pope, Arbuthnot, Gay, Parnell, Jervas und Swift in eine Gesellschaft, welche sie den Scriblerus Club nannten. Sie schrieben vieles vereint, und nach Goldsmiths Versicherung brachte es Gay gemeiniglich zu Papier. Die Freundschaft dieser guten Köpfe diente dazu, den Ruhm und das Beste ihrer aller zu beför - dern. Jeder gab seine Auffäße den gemeinschaftlichen Freunden zur Durchsicht und nahm keinen Anstand, die Aenderung zu machen, welche Geschmack und Scharffinn ohne Beymischung von Neid oder anderen unedlen Bewegungsgründen anriethen.

Wenn die Mitglieder des Scriblerclubs in London waren, brachten sie ihre Zeit gemeiniglich beysammen zu, und machten oft kleine Reisen aufs Land. Mehrentheils mochten sie nicht fahren, sondern giengen lieber zu Fuß. Einmal beschloßen sie, den Lord Burlington zu besuchen, der etwa zwölf englische Meilen von London wohnte. Wenn Swift wohin reiste oder zum Besuche gieng, bemühete er sich allezeit, das beste Bett zu bez kommen. Um sich dessen auch jetzt zu versichern, that Swift, der ein treflicher Fußgånger war, den Vorschlag, als sie London verließen: daß jeder so geschwind fortge= hen sollte, als er nur könnte, Parnell merkte gleich, wo Swift hinaus wollte, und stellte sich, als ob er es zufrieden ware: aber so bald sein Freund nicht mehr zu sehen war, miethete er ein Pferd, und traf bey Lord Burlington auf einem andern Wege lange vor Swift

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