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Sie gehen in ihren Gesinnungen eben so sehr von einans der ab, wie die Sitten der Menschen in großen und volkreichen europäischen Städten von den einfacheren und geraderen Sitten der Landbewohner unterschieden sind. Die Afrikaner an der Seeküste beschäftigen sich größtentheils mit dem Handel, und sind insgemein fein und listig, zuweilen übelgesinnt und treulos. Ihre lange Verbin= dung mit europäischen Sclavenhändlern hat sie in die Künste des Betrugs eingeweiht, so daß falsche Gewichte und Maaße, schadhafte Güter und alle die verschiedenen Betrügereyen, welche die Erfindsamkeit der aufgeklärteren Europåer zu erdenken bestrebt gewesen ist, jezt fast augenblicklich entdeckt werden, sobald man sie auszuüben sucht. Man hat es großentheils dieser Ursache zu zuschreiben, daß Handelsleute, welche die afrikanische Küste in der Hofnung des schnellen Reichwerdens besuchen, aus Unmuth die Eingebohrnen mit dem erthe ihrer Landeserzeugnisse besser bekannt, als sie anfånglich wähnten, und durch theuer erkaufte Erfahrung zu wohl unterrichtet zu finden, um sich so gröblich wie anfangs hintergehen zu lassen, ein so gehäßiges Gemählde, als sie nur erfinden konnten, von ihnen entworfen haben. Kurz die Afrikaner können Aesops Fabel von dem Manne und dem Löwen anführen, und ihren Verlåumdern · antworten: "Wir Löwen erzählen die Sache anders." So wie man mehr landeinwärts reift, findet man die Eingebohrnen einfacher in ihren Sitten, aufrichtiger und verdachtloser.

Dieses gehaltvolle Buch findet jeßt in England mehr Leser als gewöhnlich, da die große Frage vom Sclavenhandel, durch das Geschicke von St. Domingo, aufs neue in Anregung gekommen ist, und seit etlichen Monaten mehrere neue Schriften erzeugt hat.

Anecdoteu.

Die Bedienten in großen Städten sind sich ziemlich an Lastern und Unsittlichkeiten gleich; nur mögen die Londner den Preiß der Unverschämtheit davon tragen. In jeder Oper war es seit vielen Jahren gewöhnlich, daß die Bedienten auf ihre Herrschaften in dem Gange warteten, welcher zunächst Marketlane ist. Aber diese Ritter vom Achselbande, wie man sie in London nennt, nahmen sich nicht selten die Freyheit, die fortgehenden Zuschauer zu hohnecken und zu foppen, besonders wenn Frauen von zweydeutigem Rufe oder junge Männer vorüber gingen, die etwas ungeschickt angezogen waren. Die Directoren der Oper befahlen also, daß die Bedienten nicht mehr Erlaubniß haben sollten, in diesen Gang zu treten. Sie hielten dies für einen unerträglichen Schimpf, und beschloßen, sich dafür zu råchen. Als an der nächsten Opernacht die Herrschaften ihre Logen verließen, und ihre Bedienten nicht sahen, wollten sie dieselben entweder von einem Constable oder einem OpernAufwårter rufen lassen. Aber sobald dies geschah, erhob die ganze Schaar von Bedienten, nach genommener Abrede, ein so machtiges Geschrey, daß man den gerufenen Namen nicht hören konnte. Dies verursachte eine allgemeine Stockung. Die Soldatenwache legte sich ins Mittel; es entstand ein Handgemenge. Die Bedienten waren ungleich zahlreicher und der wachthabende Offizier, welcher die Rådelführer festnehmen wollte, wurde zweymal zu Boden geschlagen, und sonst schlimm behandelt. Endlich aber ergriff man zwey der unruhigsten, und da die Uebrigen fürchteten, daß die Soldaten sich ihrer Gewehre bedienen möchten, so achteten sie für rathsam, keinen Widerstand zu thun. Der Lohn der meisten von denen, welche man nicht verhaftet hatte, war, daß sie ihre Dienste verloren.

Vor kurzem kam ein junger wohlgekleideter Mann in die bekannte Gaffe der Staatssecretairs, Dowingstreet, und bat in dem Hause eines Herrn Gwinnel, daß man ihm die dort zu vermiethenden Zimmer, wels che gut möblirt waren, zeigen möchte. Man wieß ihm eine Reihe herrlicher Gemächer, die ihm sehr gefielen. Die Gelegenheit der Straße wåre ihm gerade recht, da er öfters im KriegsAmte mit Sr. königl. Hoheit dem Herzoge von York Geschäfte abzuthun håtte,' so oft er fich in London aufhielt. H. Gwinnel bat, wie es ge= wöhnlich ist, daß der Herr ihm Jemanden nennen möch te, dem er bekannt wäre, weil man in London nicht gern ganz fremde Leute ins Hans nåhme. Sehr gern, schreiben Sie nur an den Capitain F. auf dem Caffees. hause bey Spring Gardens, und Sie werden gleich alle mögliche Befriedigung erhalten. Der Hauswirth schrieb. Man antwortete ihm, Herr S. sey ein Mann von Vers mögen, von strenger Ehre und dem besten Rufe; jedes Haus, wo er einzdge, könnte sich glücklich schätzen, ihn zur Miethe zu haben. Gwinnel hegte keinen Arga wohn, und Herr S. bezog seine Zimmer. Als er etwa vierzehn Tage im Hause war, sagte er, er möchte gern seinen Freund, den Capitain F., der so gut von ihm gesprochen, mit einem Abendessen bewirthen und ersuche Madame Gwinnel, die Wirthin, ihm einen Schenktisch mit dem dazu gehörigen Silbergeråth zu leihen, da sein Freund ein vornehmer Wüstling sey, der alles gern auf hohen Fuß sähe. Er würde das Abendessen auf einem benachbarten Caffeehause bestellen. Die Frau vom Hause bezeigte sich willig dazu und gab ihr ganzes Silberzeug her. Dies gefiel ihm über die Maaßen: aber Capitain F. könnte den Porter nicht anders als aus einem silbers nen Kruge trinken, wenn einer zu bekomunen wäre, so

würde das ganze gekrönt seyn;* ihm selbst wäre es uns erträglich aus den garstigen zinnernen Bierhauskrügen zu trinken. Frau Gwinnel bedauerte, daß sie dem Herrn damit nicht aufwarten könnte, allein sie hätte einen Bierkrug aus chinesischem Porzellan, der ihm zu Diensten stünde. Je nun, man müße sich damit behelfen. Er wollte abermals ins Caffeehaus gehen und die Leute an= treiben, daß sie das Essen bald fertig schafften. Bald darauf hörte man ihn zum Hause hinaus gehen. Da er nicht gleich wieder zurück kam, wie man vermuthete, ging Frau G. hinauf in sein Zimmer und sah zu ihrem Erstaunen, daß ihr Miethsmann das sämmtliche Silbers zeug mitgenommen hatte. Das Fenster war offen, wors aus man schloß, daß er etliche Stücken einem Mitschuldigen zugeworfen haben müße. Man säumte nicht, der, Polizey Anzeige davon zu thun, und etliche Tage darauf wurde der ehrenwerthe Herr in einem Caffeehause in Westminster im Bette ergriffen. Vor dem Polizey= richter leugnete er alles, und betrug sich mit äußerster Unverschämtheit. Was die erwähnte Empfehlung ans betrifft, so konnte sie nicht anders als sehr schmeichelhaft seyn, weil er sie selbst auf dem Caffeehause geschrieben hatte, wo er sich Capitain F. nannte.

Ungeachtet der vielen Räubereyen und Diebstahle in London glaubt man doch ordentlicherweise wenigstens zu Wagen in den Gassen sicher zu seyn. Deswegen war folgender Versuch des Gassenraubes einer der verwegens ften. Ein vornehmer Herr kehrte gegen eilf Uhr Abends in seinem Wagen aus dem Schauspiele zurück. Als er nach Lower Brookstreet kam, ritt Jemand zum Kutscher hin, und vermaß sich, daß er ihm eine Pistole vor den Kopf schießen wollte, wenn er nicht den Angenblick still hielte. Der Mann erschrack und hielt, Der Schelm

machte dann den Kutschenschlag auf und forderte Uhe und Börse von dem Herrn. Dieser verlor die Geistesgegenwart nicht, sondern sprang zum andern Schlage hinaus, und machte Lårm. Der Räuber sah sich in Gefahr, gab seinem Pferde die Sporen und sprengte da= von. Allein man sette ihm so hart nach, daß er vom Gaule sprang, und durch eine Nebenstrasse entkam.

Unter den vielen Londnerdiebståhlen machte folgender Aufsehen. Die Beklagte war Mary Moody, die fich auch Brown genannt hatte, ungefähr in ihrem 24, Jahre, überaus schön, von angenehmen Betragen, wohla gekleidet, und überhaupt ein bezauberndes Geschöpf. Letzten Sommer im July ging fie in das Arbeitshaus des Kirchspiels St. Andreas, und erkundigte sich bey dem Vorsteher, ob er ihr nicht eine Amme verschaffen könnte? Man wieß sie an eine Maria Johnson, welche einen Säugling hatte. Sie war nicht sehr geneigt, sich als Amme zu vermiethen, aber da ihr der Vorsteher fagte, daß man ihr Kind für achtzehn Pence wöchentlich verpflegen würde, so war sie nicht unwillig, nur bedauerte sie, daß sie so kraftlos wäre.,. Die Moody antwortete, das håtte nichts auf sich, weil die Dame, welche sie miethen wollte, unter 14 Tagen bis 3 Woz chen nicht niederzukommen dåchte. Sie fügte hins zu, daß die Johnson sich einige Tage Bedenkzeit nehmen möchte. Nach Verlauf derselben erschien fie wieder, und sagte, die gedachte Dame wünschte erst das Kind der Johnson zu sehen, ehe sie dieselbe zur Ams me nåhme. Die lettere versicherte, sie wåre so schwächs lich, daß sie heute mit dem Kinde nicht ausgehen könnte. Miß Moody antwortete, sie sey gekommen, es selbst abzuholen. Die Matrone des Hauses sagte, sie wollte Jemanden mitschicken. Darüber brach Miß Moody aus:

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