Page images
PDF
EPUB

Wirkung der Hererey zu verhüten. Obi. Vergiftkunst. Sogenanntes Blasen. Anhang. 1. Beschreibung der Colonie Sierra Leone. 2. Wetterbericht von ditto. 3. Von den großen Ameisen. 4. Wörterbuch der Sprache der Bulloms Timmanihs. 5. ditto von der Sprache der Suhsuhs.

[ocr errors]

(1. 128) In allen Fållen, wo man Einem ein Verbrechen Schuld giebt, muß er, dafern er es ableugnet, feine Unschuld dadurch beweisen, daß er sich einer gewissen Ordalie oder einem Gottesurtheil unterzieht, welches nach Maasgabe der Beschuldigung verschieden ist. Es wird entweder ein glühendes Eisen an die Haut des Beklagten gehalten; oder er muß seinen Arm in ein Gefäß voll kochendes Palmdhl stecken, und einen Schlangenkopf, einen Ring, oder sonst etwas ausdrücklich hineins gelegtes herauslangen. Wenn er in einem dieser Fille gebrannt wird, ist es ein genugsamer' Beweiß seiner Schuld. Zuweilen fåhrt der Priester dem Angeklagten dreymal mit einem glühenden kupfernen Armringe über die Zunge: hat dies keine Folgen, so beweißt es seine Unschuld. Bosman sah diese Probe anstellen, aber unglücklicherweise verurtheilten sie den Beklagten. Auf der Coldküste besteht die Ordalie im Kauen der Rinde von einem Baume, wobey ein Gebet hergesagt wird, daß es ihm den Tod verursachen möge, wenn er nicht unschuldig ist. Im Umkreise von Sierra Leone besteht die allergewöhn= lichste Prüfung in dem Trinken des sogenannten rothen Wassers, so wie man bey den Juden bittres Wasser trank. Wer des Diebstahls oder der Hererey angeklagt ist, sucht die Beschuldigung, wenn er sich rein dünkt, dadurch zu entkräften, daß er rothes Wasser trinkt. Erst halten die alten Leute der Stadt eine Unterredung und bey ihnen bringt die Eine Parthey die Beschwerde an,

während die andre bey ihnen ihre Unschuld bekräftiget.. Kommen sie zum Schluffe, daß der Handel durch eine öffentliche Probe aufs Reine gebracht werden soll, so wählt der Beschuldigte irgend eine benachbarte Stadt, verfügt sich dorthin und benachrichtiget das Oberhaupt, daß er dort rothes Wasser zu trinken wünsche. Hier uns terredet man sich wiederum, um einen Entschluß zu fass fen, ob sein Gesuch gestattet werden soll; im Weiges rungsfalle muß er eine andre Stadt wählen. Willigt aber das Oberhaupt ein, so bleibt der Beschuldigte in der Stadt vor Fremden verborgen, bis der Probetag angesetzt ist, welches zuweilen zwey bis drey Monate dauert. Sodann wird der Anklåger drey Tage zuvor benachriche tiget, damit er sich mit so vielen von seinen Freunden, als ihm gut důnkt, einstellen kann.

Das rothe Wasser wird dadurch zubereitet, daß man' auf die Rinde eines Baums, den die Bulloms Kwon, die Timmanihs Okwon und die Suhsuhs Millih nennen, Wasser gießt, welchem es eine starke emetische und zuweilen eine Purgierkraft mittheilt. In manchen Fållen hat es unmittelbar die Auflösung nach sich gezogen, welches den Verdacht erregt, daß zuweilen etwas andres hinzugefügt werden muß, besonders da es sich nicht zeigt, daß die zarten Naturen dieser heftigen Wirkung mehr unterworfen sind als die starken. Um aber allem Verdachte zu begegnen, als ob man ungebührlich dabey verfahren wåre, wird das rothe Waffer allezeit auf die öffentlichste Art unter freyem Himmel und mitten unter einem großen Zulaufe des Volks eingegeben, welches bey diesen feyerlichen Gelegenheiten niemals sich aus allen Gegenden zu versammeln unterläßt, besonders die Frauenzimmer, denen es eine eben so gute Gelegenheit giebt, ihren Staat und ihren Geschmack im Anzuge zu zeigen,

Der

als ein Jahrmarkt den Landleuten in Europa. ́Angeklagte wird auf ein Art von Schåmel gestellt, der etwa drey Fuß hoch ist; eine Hand wird aufwärts geż halten, die andre auf seinen Schenkel gelegt; und unter den Siz streut man eine Menge frischer Pisangblåtter. Ein Kreis von ungefähr sieben bis acht Fuß im Durch messer wird um den Beschuldigten gemacht, und Niemand als der, welcher das rothe Wasser zubereitet, darf hinein. Die Rinde wird öffentlich hingelegt, um zu zeis 'gen, daß sie åcht sey. Der Zubereitende wäscht sich erst die Hände, und dann die Rinde sowohl als den Mdrser und Stößel, womit sie gepulvert werden soll, damit man sehe, daß nichts ungehöriges darin verborgen sey. Nach dem Zerstoßen wird ein Kürbis voll davon unter eine große meßingene Pfanne Wasser gemischt, und mit 'einer Art von Ruthe geschwind umgerührt, bis es mit einem Schaume wie von Seife bedeckt ist. Zu gleicher Zeit werden allerley Ceremonien, Gebete u. s. w. verrich 'tet, und man ermahnt den Angeklagten wiederholt und feyerlich, das ihm schuld gegebene Verbrechen zu gestes hen. Kurz bevor er anfångt, den Aufguß zu trinken, muß er seinen Mund ausspůlen und das Wasser auswerfen, um zu zeigen, daß er nichts darin verborgen har. Dann giebt man ihm ein wenig Räiß oder ein Stück Kola zu essen: dies ist das einzige Nahrhafte, 'was man ihn zwölf Stunden vor der Probe zu sich nehmen läßt; und damit er nichts anders erhalte, wird er während dieser Zeit von einer Anzahl Leuten, die für sein Benehmen verantwortlich sind, genau bewacht. Nachdem er ein ihm vorgefagtes Gebet wiederholt hat, welches eine Verfluchung seiner selbst enthält, falls er schuldig seyn sollte, wird ihm das rothe Wasser in einem Kürbiße gereicht, worein etwan ein halbes Nößel geht, wel

chen er acht, ́zehn oder ein Dußendmal nach einander ausleert, so geschwind als er gefüllt werden kann. Vermuthlich fångt es jest an, ihn zum Erbrechen zu reiz jen, aber er muß dessen ungeachtet forttrinken, bis der Reis oder Kola heraufkommt, welches man auf den unten ausgebreiteten Pisangblåttern leicht sehen kann. Solls te kein Erbrechen folgen, sondern die Arzney purgiren, so wird er auf der Stelle verurtheilt; oder wenn ein Verz dacht entsteht, daß er nicht alles Genossene von sich) ge= geben habe, so entläßt man ihn, jedoch mit dem Vorbehalten, daß, wenn die Arzney vor derselben Stunde des folgenden Tages keine Wirkung auf seine Eingeweide åußert, er dann, und nicht eher, für unschuldig erklärt sey; im Gegenfall aber schuldig. Wirkt das rothe Was ser auf den ersten Wegen, so nennt man es das rothe Wasser verderben. Die größte Quantitåt, welche vers schluckt werden darf, ist sechszehn Kürbiße voll, wenn diese nicht die gehörige Wirkung haben, so erlaubt man ihm nicht, mehr zu sich zu nehmen. Erfolgt weder Ers brechen, noch Purgiren, so verursacht das rothe Waffer schneidende Schmerzen im Unterleibe, die man für Zeichen des Vergehens ansieht: in diesen Fällen suchen sie ihm dadurch Linderung zu verschaffen, daß sie seinen Magen zum Brechen anreizen; und um die Schärfe des rothen Waffers hindern, lassen sie ihn rohe Eyer hinunterschlucken. In manchen Fällen ist die Person gestorben, nachdem sie den vierten Kürbis getrunken hatte. Währet es lange, bis der Reis oder Kola herauskommt, so pflegen die Freunde des Beschuldigten nahe zu treten, und ihm mit großer Heftigkeit einen geringen Fehler vor zuwerfen; denn sie glauben, wenn etwas, das seinem, Rufe nachtheilig ist, verschwiegen würde, daß es die günstige Wirkung des rothen Waffers verhindre. Wird

die Probe der Hererey oder eines andern Verbrechens wegen und nicht des Ehebruchs halber angestellt, so haben Weiber eine vortrefliche Gelegenheit, ihre Keuschheit vor der Welt dadurch zu beweisen, daß sie dffentlich erklås ren, sie wåren ihrem Gatten treu geblieben und wünschten, man möchte sie bestrafen, wenn sie unwahr geres det håtten: man hålt dies für einen höchst unwiderlegs! lichen Beweis von Treue. Sobald der Beschuldigte Erlaubniß bekommt, den Dreyfuß zu verlassen, auf welchem er gesessen hat, gebietet man ihm, seine Aerme und Füsse zu bewegen, um zu zeigen, daß er den Gebrauch derselben nicht verloren habe: alsbald läuft er nach der Stadt zurück, und alle Weiber und Jungen folgen ihm jauchzend und frohlockend. Leute, welche diese Prüfung bestanden haben, und davon gekommen sind, erwerben sich durch diesen Umstand einen Zuwachs von Wichtig= keit und Achtung. Wenn sie losgesprochen sind, legen fie, besonders die Frauen, ihre besten Kleider an, und besuchen alle ihre Freunde und Bekannte, welche sie mit vielen Zeichen von Zuneigung und Schäßung empfangen. Stirbt der Beschuldigte auf der Stelle, welches oft ge= schicht; oder wird das rothe Wasser verdorben, und der Mensch ist zum Verkaufen zu alt: so wird einer von der Familie aufgenommen und verkauft, wenn er sich nicht durch einen Sclaven lösen kann. Zuweilen bleibt ein solcher Handel, aus Mangel an guter Gelegenheit, viele Jahre hindurch unberichtiget, und mir ist sogar ein Fall vorgekommen, daß ein junger Mensch zum Sclaven verkauft wurde, weil seine Großmutter, viele Jahre vor seiner Geburt, rothes Wasser verdorben hatte.

(1. 206) Man kann die Afrikaner in zwey Classen eintheilen: in die, welche im Juneren von der See entfernt, und in die, welche an der Meeresküste wohnen.

« PreviousContinue »