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Unmöglich konnte ich es der aufgeweckten, einneh menden Frau vom Hause abschlagen, von ihrem ponche zu kosten, und um mir als einem Englånder eine Ehre anzuthun, schenkte sie mir wenigstens dreymal so viel als gewöhnlich ein.. Da ich mir eben nicht sehr viel aus dem Punsche mache, so hätte ich mir gern die Ehre, ihre Gesundheit in einem so reichlich gefüllten Glase zu trinken, verbeten, weil ich besorgte, der Punsch möchte so schlecht wie in den Pariser Caffeehäusern seyn. Aber das Getränk meiner Gastgeberinn war aus den besten Bestandtheilen und nach dem wahren Maasstabe ge= macht; mit einem Worte, es war, åchter Frauenzime merpunsch, das ist heiß, süß, sauer und stark. Er war in Theekannen von schönem Porzelan vertheilt, die ihn nicht nur länger warm hielten, sondern auch ungemein gut dazu eingerichtet waren, ihn auszugiessen, ohne etwas davon zu verschütten. So endigte die Bewirthung. Um halb drey Uhr schied man auseinander, und ich ging mit aufrichtigem Bedauern über die veränderte Lebensart der Pariser nach Hause.

Vor der Revolution war die modische Stunde des Mittagsessens drey oder spätestens vier: die öffentlichen Vergnügungen begannen früh; der Vorhang in der grosen französischen Oper wurde ein Viertel auf sechs Uhr aufgezogen. Jezt speißt der Tagelöhner um zwey Uhr, der Ladenhändler um drey, der Officiant um vier, der reiche Emporkömmling, der Geldmackler, der Stockspieler, der Lieferant um fünf Uhr; der Banquier, der Gesezgeber, der StaatsRath um sechs; und die Minis fter, im Ganzen genommen, um sieben, ja nicht selten um acht. Ehemals, da die Oper und die andern Schaus spiele um neun oder ein Viertel auf zehn Uhr aus waren, sezten sich vornehme Leute um zehn oder halb eilf Uhr

zur Abendtafel nieder, und wer oft ausgieng und gute Gesellschaften besuchte, konnte sich ungestört um Mitternacht zur Ruhe begeben. In drey Vierteln der Pa= riser Häuser weiß man jezt nichts von einem Abendessen, außer wenn Ball gegeben wird, und dann geht es ges meiniglich rips raps. Dies ist vermuthlich eine von den Ursachen, warum ein nahrhaftes Frühstück so sehr Mode ist.

Déjeuners froids et chauds ist eine Aufschrift, die jest insgemein an jedem Pariser Caffeehause steht,. außer den Thé à l'Anglaise, Café à la crême, Limonade etc. Feste Speisen find hier der Zeitgeschmack. Zwey Tamen, die sich eines Morgens sehr artig zum Frühstück in meiner Miethwohnung einluden, wollten das oberste zu unterst kehren, als sie sahen, daß ich ih= nen nichts weiter als Thee, Caffee und Chocolade vor= sette. Ich mußte auf der Stelle nach kaltem Huhn, Schinken, Austern, weißen Wein c. schicken. Mich wunderts gar nicht, daß diese französischen Damen so stark und kraftvoll sind. Im Appetit würden sie es mit einem englischen Pflüger aufnehmen, der so eben mit leerem Magen einen Morgen gesundes Erdreich aufgeackert hat.

Ob nun gleich ein Thé für den Stellvertreter eines Abendessens gelten kann, so läßt er sich doch, was das Angenehme betrift, mit einem petit souper nicht vers gleichen. Wenn man einmal zu Abend essen muß, was man meines Erachtens nicht unausgesett thun sollte, so waren diese Abendessen nach meinem Geschmack. Eine erlesene Anzahl zusammenpassender Personen vers sammelten sich um zehn Uhr, nachdem die Oper vor= über war, und verbrachten ein paar Stunden auf eine vernünftige Art. Zuweilen bestand ein Petit Souper

aus einem bloßen Tête-à-tête, manchmal aus vieren oder mehrern. Es herrschte aber dabey gewöhnlich nicht nur viel Aufgewecktheit, sondern auch eine gewiße Her= zensergießung, welche die Unterhaltung so belebte, daß eine solche Parthie das Vollkommenste war, was der ges sellschaftliche Verkehr kennt, the feast of reason and the flow of soul, wie unser Dichter fügt.

Zur Zeit der Monarchie hatte Niemand eine öffentliche Bedienung vom Staatsminister bis zum Schreiz ber, der sich nicht von der Ermüdung des Tages durch ein solches kleines Abendessen erholte, obschon diese Abendmahlzeiten spåterhin bis auf eine ungemeine Höhe üppiger Ausschweifung getrieben wurden. Was aber den verfeinerten, obgleich ein wenig mit Liederlichkeit verbundenen, Lurus anlangt, so verdunkelte ein Enga lånder in Paris (Beckford) alle französische Lebemånner in der Sonderbarkeit des Einfalls. Da er ein überreichlis ches Vermögen besaß und es nach seinem Sinne genies= fen wollte, kaufte er in Paris ein prächtiges jedoch nur nach einem kleinern Maasstabe gebauetes Haus, wo alles, was der verfeinertste Lurus eingeben konnte, vers sammelt war. Folgende Nachricht ist von einem seis ner Freunde, der ein Augenzeuge seiner Lebensart war.

Herr Beckford hatte sichs zum Geseße gemacht, seinen fünf Sinnen den höchsten Genuß zu verschaffen, dessen sie fähig waren. Eine ausgesuchte Tafel, duftens de Zimmer, die Zauber der Musik und Mahlerey, mit einem Wort das allerzauberndste, was nur die Natur, von der Kunst unterstüzt, hervorbringen konnte, schmeis chelte nach der Reihe seine Augen, seinen Geschmack, seinen Geruch, sein Ohr und sein Gefühl,

In einem prächtigen Saale, wohin er mich führte, fagt dieser Erzähler, waren sechs junge, auf eine außers

ordentliche Art angezogene Schönheiten, deven Personen beym ersten Anblicke mir nicht unbekarnt schienen, ich hatte, wie mich dünkte, ihre Gesichter mehr als einmal gesehen, und war daher im Begriffe, sie anzureden, als Herr Beckford über meinen Irrthum lächelte, und mir die Ursache davon erklärte. Ich habe, sagte er, in meis nen Liebschaften einen besondern Geschmack. Die erles fenfte Schönheit aus Circaßien würde in meinen Augen keinen Neiz haben, wenn sie nicht dem Bildniße einer Frau gliche, die in der Vorzeit berühmt war. Wie man großen Werth auf ein Miniaturgemählde legt, welches die Züge einer Geliebten treu darstellt, so sch&z= ze ich die meinigen bloß in dem Maße, als sie alten Bildnißen ähneln.

Diesem Gedanken zufolge, fuhr Hr. Beckford fort, habe ich den Besorger meiner Vergnügungen mit erlesenen Bildnißen oder Kupferstichen, die von Originalea kopirt waren, ganz Europa durchreisen lassen. Er ist in seinen Nachforschungen glüklich gewesen, wie Sie sez hen, da Sie selbst diese Frauenzimmer zu kennen glaub ten, ungeachtet sie dieselben niemals gesehen haben: und doch zweifle ich nicht, daß Ihnen ähnliche Porträts der= selben vorgekommen sind. Der Anzug dieser Frauenzimmer muß Sie in Ihrem Frthume noch bestärkt haben: fie tragen alle die, Kleidung der Personen, welche sie vorstellen, denn ich wünsche, daß ihre ganze Person mahlerisch seyn möge. Auf diese Weise bin ich etliche Jahrhunderte zurück gereist und besitze Schönheiten, welche die Zeit weit von mir entfernt hatte.

Man trug das Abendessen auf. Herr Beckford setzte sich zwischen Maria Königinn von Schottland und Anna Bullein. Ich, sagte der Erzähler schlüßlich, kam ihm gegenüber zu sitzen und hatte neben mir die

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Ninon de l'Enclos und die Gabrielle d'Estrées: auch die schöne Rosamond und Eleonora Gwynn leisteten uns Gesellschaft; aber oben an der Tafel stand ein lediger Armstuhl unter einem Thronhimmel: hier sollte Cleopatre sitzen, die aus Egypten verschrieben war, und auf deren Ankunft Herr Beckford stündlich wartete.

(I. 288.) der General Andreossy hatte mich zur Tafel geladen. Bey ihm fand ich unter andern den General Mourard und Desgenettes den obersten Arzt der orientalischen Armee, der erst seit kurzem aus Egypten zurükgekommen war, wo seine Geschicklichkeit und sein Pflichteifer ihm allgemeine Bewunderung zuzog. In so / angenehmer Gesellschaft ging die Zeit angenehm vorüber, bis General Berthier ankam. Es war spåt, das ist ungefähr 7 Uhr, obgleich die Einladung pünktlich auf fünf Uhr lautete. Aber wenn in Paris ein Minister abgehalten wird, so ist man allezeit der Meynung, daß Amtsgeschäfte Schuld daran sind, und daß diese jeder andern Rücksicht vorgehen sollten. Als ich dem General Bers thier vorgestellt war, leitete er gleich die Unterhaltung auf Lord Cornwallis, den er im americanischen Kriege gekannt hatte, wo er bey der Belagerung von Yorktown in Rochambeau's Stabe diente. Schon damals unterschied sich Berthier durch seine Geschicklichkeit in der Kriegswissenschaft. Man konnte unmöglich diese ausgezeichneten Offiziere betrachten, ohne sich zu erinnern, wie viel ihr Vaterland der Anstrengung ihrer Naturanlagen bey mehrern wichtigen Gelegenheiten zu verdanken hatte. Diese Erinnerungen bewogen mich, die Weisheit zu bewundern, welche sie auf Posten gestellt hatte, wozu sie sich so vorzüglich geschikt bewiesen. In England sucht man gemeiniglich Plätze für Leute; in Frankreich sucht man Leute für Plätze,

Engl. Miscellen XIV. I.

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