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1 unsrer Tweed oder Severn Ehre gemacht haben würde, mitten auf der Haupttafel. Noch keine fünf Minuten, nachdem man sich gesetzt hatte, drehete ich mich um und sah den Fisch nicht mehr. War er vielleicht verdorben? fragte ich. Nein! sondern man hat ihn ganz verschlungen, antwortete mir ein junger Mensch, indem er mir die Gråten wieß und mir eine Birne nebst einem Stücke Brod anbot, das, wie er klüglich anmerkte, alles war, was ich vielleicht zur Erhohlung meiner Kråfte bey dies sem Mahle bekommen dürfte. Ich ließ mir das nicht zweymal sagen, trank ein Glas gemeinen Wein dazu und machte so auf einmal mein Abendbrod.

In einer halben Stunde wurden die Tische wegge tragen, der Ball fieng wieder an, und, wie es schien, mit erneuertem Muthe. Das Spielzimmer hatte man gar nicht verlassen, die Frau des Hauses gehörte zu denen, die jede Gelegenheit zum Gewinn benußen. Mit Hülfe einer Art von Croupier hatte sie den Vorsitz an der Bouillotte, und zwar mit der bewundernswürdigen Kalt= blütigkeit, die man verschiedentlich an etlichen der Londner Damen von gleichem Gewerbe bemerkt: und håtte sie mir nicht das Geheimniß anvertraut, so würde mir es nimmer beygekommen seyn, zu vermuthen, daß sie troß ihrem Gleichmuthe, eben so wie diese Damen ihres Vortheils halber außerordentlich wünschen mußte, das Kartenspiel möchte bis an den Morgen dauern. Als eine alte Bekannte sagte sie zu mir, sobald es sich schicken wollte, mit funkelnden Augen: le jeu va bien, bes dauerte aber zu gleicher Zeit, daß es bey dem Abendess sen so unordentlich zugegangen wåre. Indem wir uns unterhielten, erkundigte ich mich nach dem Nahmen und Rufe der hervorstechendsten Frauen im Saale, und erfuhr, daß zwar etliche von ihnen für wohlhabend und

unbescholten gelten konnten, daß aber der weibliche Theil der Gesellschaft größtentheils aus Frauen bestand, die, wie sie selbst, in der Revolution gelitten hatten; etliche derselben waren von ihren Männern geschieden worden. Da aber Unvereinbarkeit in den Gesinnungen die allge= meine Entschuldigung für eine solche Trennung war, so konnte dies allein für keinen Flecken ihres Rufes angesehen werden.

Wenn ein Ausländer von dem Aeußeren dieser Fraus enzimmer auf ihre politischen Gesinnungen schließen wollte, so würde er sich, zehnmahl für eins, erstaunlich irren. Er würde natürlich schliessen, daß sie einer repus blikanischen Verfassung den Vorzug gåben, weil sie sich insgemein die athenische Kleidungsart zum Muster genommen haben, ob man gleich nicht das geringste von den Sitten dieses Volks an ihnen findet. Ihre Arme find fast bis an die Schulter hinauf nackend; ihr Bus sen ist größtentheils unbedeckt; ihre Kndchel sind, um die Riemen der Sandalen nachzuahmen, mit schmalen Bändern umwickelt, und ihr Haar, welches man hins ten flach aufschlägt, läuft oben in eine große Wulst zus sammen, wie man sie an den alten Büsten der griechi= schen Schönheiten sieht..

Ihr übriger Anzug ist mehr eingerichtet, die Umriffe ihrer Person zu zeigen, als sie zu verschleyern. Ich erhielt darüber folgende Erläuterung von meiner Freun= dinn, hiebevor der Comtesse, die mir zu gleicher Zeit versicherte, daß junge Französinnen in diesem luftigen Anzuge aller Strenge des Winters Troß bieten. Ein schlichtes Stück Leinwand, vorr leicht zugeschnürt, sagte fie, thut dem Körper keinen Zwang an, und dient zugleich statt eines Schnürleibes. Wenn sie eine Robe an= Legen, die vorn nicht offen ist, so entschlagen sie sich der

welche unten mit Spitzen besetzt ist, den Schein eines Rockes hat. Wenn sie sich für den Ball ankleiden und tanzen wollen, legen sie gemeiniglich eine Tunica an, zu welcher sie genöthiget sind, einen Rock zu tragen, so ungern sie es auch thun mögen. Da man Taschen für beschwerlich hält, so werden sie weggelassen; das Geld, welches sie zu sich stecken, befindet sich in einem kleinen Marroquinbeutel; dieser ist mitten im Busen verborgen, dessen Gestalt bey unsern wohlgebauten Frauen jener der mediceischen Venus gleicht, weswegen das Behältniß gez legentlich für eine goldne Uhr oder eine andre Kostbakeit dient, welche man an einem hårnen, auf mancherley Art verzierten Halsbande befestiget. Wenn sie tanzen, wird der Fächer in die Scharpe oder den Gurt gesteckt und das sogenannte Taschentuch wird einem aufmerksamen Schäfer anvertraut, an welchen sich die Gebieterinn wens det, wenn sie es braucht. Etliche ältere Frauen, so wie ich, fügte sie hinzu, tragen diese Bedürfnisse in einer Art von Arbeitsbeutel, der eine Ridicule heißt. Vor nicht langer Zeit war dies die allgemeine Mode, welcher man sich anstatt der Taschen bediente, aber jetzt ist sie von den jüngeren Claffen ganz bey Seite gelegt.

Da die meisten jungen Franzosen entweder vor etlis chen Jahren unter der Requisition, oder noch späterhin bey der Conscription Kriegsdienste gethan haben, so ist ihnen ein soldatisches Ansehen zu eigen worden, welches, troß ihrem habit bourgeois, leicht unterscheidbar ist. Der braune Rock kann den Soldaten nicht verschleyern. Ich habe in Paris verschiedene junge Leute aus den besten Kaufmannshäusern angetroffen, die theils zwen, theils vier Jahre als gemeine Soldaten gedient und beständig jede Art von Beförderung ausgeschlagen hatten. Da sie

nicht im Dienste bleiben, und das Kaufmannsleben, dem sie sich gewidmet hatten, nicht aufgeben wollten, so erregte dieser Stand keine Unzufriedenheit bey ihnen, und sie stritten, wie wackre Krieger, für ihr Vaterland.

Seit meiner Anwesenheit in Paris bin ich mit einem sehr achtungswürdigen Manne bekannt geworden, der keine öffentliche Bedienung hat. Er wohnte den meisten Hinrichtungen während der Revolution bey: ans der Neugierde wurde Gewohnheit und aus dieser ein Ges schäft. Er sah nach der Reihe sterben Charlotte Corday, Madame Roland, Ludwig XVI, Marie Antoinette, Madame Elisabeth, Philippe Egalité, Madame dů Barry, Danton, Robespierre, Couthon, St. Just, Henriot, Fouquier- Linville und noch viele andre. Unter andern sagte er mir, daß Ludwig XVI. sich sehr wand, daher schnitt das tödtliche Beil durch sein Hins terhaupt und trennte seinen Kinnbacken. Die Königinn war gefaßter, und bat sogar Samson den obersten Nach= richter auf dem Blutgerüste um Verzeihung, daß sie ihm zufälligerweise auf die Zehe getreten håtte. Madame Roland begegnete ihrem Geschicke mit dem ruhigen Heldenmuthe einer Römerinn. Charlotte Corday starb mit einer heiteren und erhabenen Miene. Einer von den Henkern ergriff ihren Kopf als er fiel, und versetzte ihm etliche Schläge, aber diese niedertråchtige feige Handlung erregte ein allgemeines Murren unter dem Volk.

Was Robespierre anlangt, so hatte er kaum das Schaffot unter dem schallenden Geschrey der erfreuten Menge bestiegen, als der Henker den schmutzigen Verband abriß, worin sein verwundeter Kopf gewickelt war und welcher zum Theil sein blaffes und wildes Gesicht berbarg. Darüber brüllte der Elende wie ein wüthendes Thier. Sein Unterkinnbacken fiel dann vom Oberen und

Blutströme brachen aus der Wunde, so daß er das gråßlichste Ansehen bekam, welches man sich nur einbilden kann. Als das Nationalscheermesser, wie die Guils lotine von seinen Parthengångern genannt wurde, Robespierre's Kopf vom Körper trennte, und der Nachrichter ihn beym Schopf faßte um ihn den Zuschauern zu zeigen, dauerte das Beyfallklatschen zwanzig Minuten. Couthon, St. Just und Henriot, seine Mordhe rolde, die in einem Karren mit ihm sassen, bezahlten zunächst die Schuld ihrer Verbrechen. Sie waren sehr entstellt, und der letzte hatte ein Auge verloren. Es wurden zwey und zwanzig Personen zugleich mit Robespierre, insgesammt seine Spießgesellen, guillotinirt. Am folgenden Tag theilten siebenzig Glieder der Come můne, und den nächsten noch zwölf, das Geschick ihres verruchten Anführers, der, wenige Stunden zuvor, der tugendhafte und unbestechliche Patriot genannt wurde.

Man könnte vielleicht denken, daß, so sehr man auch eilte, die Hinrichtung von siebzig Personen, eine ziemlich beträchtliche Zeit, etwan anderthalb oder zwey Stunden, erfordern würde. Aber das ist weit vom Zies le! Samson, der Pariser Nachrichter, wußte mit der Guillotine so erstaunlich geschwind umzugehen, daß er, mit Einrechnung der Zurüstungen, nach Gelegenheit nicht weniger als fünf und vierzig Köpfe, einen nach dem andern, in dem kurzen Zeitraume von fünfzehn Minus ten abgehauen hat; folglich da er drey Köpfe in einer Minute überspringen ließ, so erforderte es nicht mehr als drey und zwanzig Minuten und zwanzig Secunden um zwanzig Personen zu enthaupten.

Der Arzt Guillotin, welcher die nach ihm genanns te Maschine erfand, oder vielmehr verbesserte, soll ein

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