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unübertroffen ist. Vielleicht hat niemals einer von ihnën gerade diese Worte geschrieben oder gesprochen; aber der Sinn und Geist derselben wird tåglich gedruckt und stünds lich wiederholt.

Die Franzosen sind eine fähige, ehrgeißzige, kühns unternehmende Nation: sie verdient also die Wahrheit zu hören. Kommt sie aus ihrem eigenen Munde, so hat man sie nur zu oft für den Spott des Satyrikers oder Pasquillanten anzusehen; kommt sie von Ausländern, so hålt man sie für den Erguß der Halbwifferey, für die Uebertreibungen der Bosheit, oder die Ausfälle des Neis des: dennoch muß man die Wiederholung wagen.

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(I. 196.) Unter den herumziehenden Quacksalbern und Marktschreyern zog einer der sich le Grand Suisse nannte, meine Aufmerksamkeit am meisten auf sich. Als ein Beyspiel der kleinen Wichtigkeit, welche dieser große Mann sich anmaßte, mag folgendes Stückchen einer Anrede dienen, die ich ihn halten hörte. Man denke sich ihn in blan und Gold gekleidet in seinem Wagensite, und umringt von seinen in Scharlach und Silber ausgepuzten Musicanten. Er hatte seinen Schauplaz in la place de la Concorde aufgeschlagen, nicht weit von dem Orte, wo der unglückliche König enthauptet wurde.

Ecoutez, Messieurs: faites attention, Mesdames. Peut-être vous me croyez bien malheureux; n'est-ce pas ? Eh bien! Vous vous trompez, allez. Et pourquoi ne le suis-je pas? Parceque j'ai du crédit. L'homme qui a du crédit n'est pas malheureux. C'est clair; c'est juste; c'est bien simple, allez. Je trouverai crédit pour cinquante louis à l'instant même: oui, pour douze cent francs, si je voulois l'accepter; moi, pauvre charlatan. Je trouverai crédit ici à Paris, partout, à Lyon, à

Strasbourg, à Basle, à Vienne; en France, en Suisse, en Allemagne : oui, Messieurs et Mesdames, partout. Et pourquoi trouverai - je crédit pour cinquante louis? Parceque, Mesdames, je suis connu partout: oui Messieurs, connu et très connu; bien connu, pauvre charlatan que je suis, allez. Pour cinquante louis, foi d'honnête homme. Leute, die blos mit dem Wesen des Credits in England bekannt sind, werden sich wundern, diesen Mann, ob er gleich nach seinem freymüthigen Geständnisse nur ein Quacksalber war, wiederholt prahlen zu hören, daß er fünfzig Guineen Credit haben könne: aber in andern Låns dern ist dies kein unbedeutendes Zeichen von dem Zustande des Credits. Der Marktschreyer hatte ganz Recht, auss wärtig muß einer bekannt und das wohl bekannt seyn, wenn er unter seinen Landsleuten fünfzig Guineen geliehen bekommen kann, obschon die Summe gering ist. Die englischen Kaufleute, zur Ehre ihres Verstandes und ihrer Redlichkeit sey es gesagt, haben durch die Gewissenhaftigs keit in ihren Geschäften, und durch die Pünktlichkeit in ihren Zahlungen, dem National Credit eine solche Fes stigkeit gegeben, daß ein Engländer in Paris und andern Städten es leichter findet, eine Tratte auf England in baares Geld zu verwandeln, als ein Pariser zu Hause im • Stande ist, wenn man ihn nicht allgemein für einen Mann von Ehre kennt. Ich besorge, daß selbst der GrandSuiffe seinen Credit verlor, nachdem er seine militärische Musik und seinen Wagen verloren hatte.

Ein Freund erzählte mir, dem Wesentlichen nach, eine andre Quacksalber Anrede, die zu drollig ist, als daß ich sie auslaffen sollte. Man muß wissen, daß die Gas- ` fenredner in Paris allezeit in dem Grade Glück machen, als sie Erstaunen oder Lachen erregen. Folgendes wurde

zu einer Zeit hergesagt, da Frankreich mit Europa in Krieg verwickelt war. Man denke sich den Mann über den Haufen erhöhet, entweder zu Pferde, oder auf einem Schemel, oder vielleicht wie der oben erwähnte, im Wagen. Er sagte ungefähr: Qui et quels sont vos ennemis? Vous croyez que ce sont les Anglois, les Autrichiens, les Vauriens. Non, Citoyens. Vous les croyez dans l'extérieur? Par Dieu, vous dis-je, non. Ils sont dans l'intérieur: ils sont dans vos propres entrailles. Ils vous rongent, ils vous mangent, ils vous détruisent. Les Anglois? Bah! Qu'est-ce qu'ils peuvent vous faire? Ce sont les petis animaux de grande force qui vous rongent, ce sont les vers qui vous ruinent. Tenez! voyez ce citoyen à gros ventre. Homme malheureux! Si vous persistez à ne point prendre de mes pillules, vous êtes mort. Oui, en vingt-quatre heures, je vous déclare mort. Tenez. Avalez seulement cette petite dose, et, en présence de cette respectable compagnie, je vous ferai rendre dé quoi faire tuer une armée. Wiewohl ich bey dies sem Auftritte nicht selbst zugegen war, so darf ich doch versichern, daß, wenn man sich die ehrenwerthe Gesellschaft, an welche sich der listige Redner wendete, vorstellen könnte, es nicht nur den Spaß ausnehmend erhöhen, sondern auch unter die Zeichen und Grenzmarkungen des National Characters gerechnet werden würde.

in

(I. 212.) Ich muß vor einem Jrthum warnen, welchen dieser oder jener Leser durch die Bemerkungen in meinem Buche geführt werden könnte. Verleitete ich die Engländer, daß sie die französische Nation verachteten, so würde mir's aufrichtig leid thun, denn ich hätte nicht nur schreyendes Unheil gestiftet, sondern auch ein bedeu

tendes Verbrechen begangen. Man erinnere sich, daß alle Völker in den Angelegenheiten, wo sie mit währem gemeinem Menschenverstande handeln, sich einander gånzlich gleichen; und daß die Abweichungen, sie seven groß oder klein, gerade die Eigenthümlichkeiten sind, wodurch sie sich auszeichnen. Wollte ich die Eigenthümlichkeiten meiner eigenen Nation schildern, so würden sie von einer andern Art seyn; aber so oft sie vom gemeinen Menschen= verstande abweichen, und unter diesem verstehe ich wes der mehr noch weniger als die weiseste und tugendhaftes fte Handlungsart, so würden sie den Engländern zum Nachtheil gereichen. Und wie unzählig sind die Abwei= chungen, denen alle Völker unterworfen sind! Ich bin mir der Absicht bewußt, daß ich blos deswegen Fehler ruge, damit man sie vermeide: die Menschen gewinnen daben, wenn man ihnen ihre Mångel zeigt; und das Geschäft, welches ich mir aufgelegt habe, macht es mir zur Pflicht. Wäre dies nichts mehr als eine persönliche Entschuldigung, so würde sie etwas minder als alltåglich seyn; aber sie hat keinen so unbedeutenden Zweck: ich möchte nicht gern, nach einer höchst schädlichen Gewohnheit, den Groll der Nationen gegen einander mehr anfachen, denn er verzögert die Ausbildung, reizt zum Kriege, und ist der Fluch der Menschheit. Als ein Volk find die Franzosen in Wahrheit groß; aber ihre Eigenthümlichkeiten, ihre Fehler, sind in Wahrheit kleinlich.

(I. 227.) (Man liest gelegentlich sehr übertriebene Beschreibungen von dem Reichthum und Glanze der Låden im Palais royal, vermuthlich weil die Beschreiber den Handel niemals in einem prächtigeren Aufzuge gesehen haben.) Wer aber mit den Londner Låden bekannt ist, der hat einen ganz andern Maaßstab. Wenn zum Beyspiel zwanzig der ersten Ladenhåndler in London diese

pomphaften Schilderungen lesen und glauben sollten, es müste ihnen von Nußen seyn, das Palais royal zu besuchen, weil sie nicht nur in der Art die Gewölbe auszuschmücken, viel neues lernen, sondern auch Sachen ankaufen unten, die ihnen fehlten: wie sehr würden fie sich getauscht finden, wenn sie såhen, daß die Waas ren eines jeden von ihnen, einzeln genommen, an Werth und Mannigfaltigkeit den Waaren von zehen Pariser Låden, *) in oder ausser dem Palais royal, man denke sie sich wie groß und wohlverschen man will, gleich)= kommen, und daß die Londner Gewölbe sogar in der Auskramung ihrer Waaren, wie auch in der Geräumigkeit, in der Ausdehnung der Fenster, in der Helle und in der Anordnung ihrer Sachen, ungleich vorzüglicher find.

(I. 228.) Es herrscht in Paris ein Kunstgriff, wos durch man den Anschein eines beträchtlichen Waarenla= gers und eines großen Raums hervorbringt. Dies ist der Gebrauch der Spiegel. In vielen kleinen Låden des Palais royal find sie mit Glück, angebracht und in einem derselben erzeugen sie eine merkwürdige Täuschung. Am Anfange der Bogengånge nach Abend zu ist das Gez *) Durch diese runde Zahl will ich nicht etwa unrichtige Urtheile veranlassen. Ich habe weder in den Pariser noch in den Londner Laden große Waarenvorráthe eingekauft; aber ich richte mich nach dem was ich im Allgemeinen beobachtet, und noch mehr nach dem, was mir Kaufleute, die gewiß über solche Gegenstände urtheilen können, gesagt haben; und ich bin von der wörtlichen Wahrheit der Behauptung überzeugt: oder wenn es einen einzelnen Ladenhändler gåbe, dessen Capital und Waarenlager sich der Vergleichung nåherten, so würde es eine Ausnahme seyn, die nicht als Maasstab betrachtet werden darf, nach welchem man den Kleinhandel in irgend einem Theile von Paris beurtheilen kann. Anmert. des Verfassers.

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