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fehen hatte. Er trug seine Chorröcke gemeiniglich bis fie ganz beschabt waren. Da das auch damals der Fall war, hielt sie ihn für einen Geistlichen von geringer Bedeutung. Nach der Tafel sagte Swift zu ihr: Lady Burlington, ich höre Sie können singen, singen Sie mir doch eins! Die Dame, ungehalten über diese unartige Weise, fie um eine solche Gefälligkeit zu bitten, -schlug es ihm rund ab. Er antwortete, sie sollte singen, oder er würde sie dazu zwingen. Ich glaube gar, Madam, Sie halten mich für einen von Ihren erbårmlichen Dorfpastoren in England; singen Sie, wenn ich's Ihnen befehle!“ Da der Graf über diese Freyheit blos lachte, so fand sich seine Gemahlinn dadurch so ge= kränkt, daß sie in Thränen ausbrach und wegging. Als fie Swift einige Zeit nachher wieder sah, fagte er: „Nun, Madam, find Sie noch so stolz und sauertdpfisch als da ich Sie das leßtemal sah?" Sie antwortete darauf mit der größten Freundlichkeit:,,Nein, Herr Decan, ich will Ihnen jetzt etwas`vorsingen, wenn es Ihnen gefällig ist." Von Stund an faßte er die größte Hochs achtung für sie, und begegnete ihr allezeit mit der äußersten Aufmerksamkeit. Swift's Bekannte lieffen sich durch das Zufahrende in seinem Benehmen nicht irre machen. Sogar die Könige Caroline sah ihm seine Rauhheit nach, wenn wir den Versen glauben dürfen, die er selbst auf seinen Tod gemacht hat.

Swift's Art seine Gäste zu bewirthen, und sein Betragen bey Tische waren sonderbar. Jemand, der oft bey ihm speißte, spricht folgenderweise davon. Er setzte sich oben an die Tafel, einem großen Spiegel gegenüber, so daß er alles sehen konnte, was die Bedienten am snarmornen Schenktische hinter seinem Stuhle thaten. Er speißte blos auf Silber, und alle Tischgeråthe waren nach dem besten damaligen Geschmacke,

Als einmal ein Stück Rindfleisch zu sehr gebraten war, ließ er die Magd rufen und sagte ihr, sie sollte es wieder in die Küche zurücknehmen, und es weniger braten. Die Magd antwortete sehr ehrlich, das könnte fie nicht.,, Was sie auch für ein Geschöpf ist, rief er aus, einen Fehler zu begehen, den man nicht wieder gut machen kann!" Dann wandte er sich zu einem Gaste, der neben ihm saß, und sagte sehr ernsthaft, er hoffe, daß er die Köchinn, da es ihr nicht an Kopf fehle, binnen Jahresfrist durch diese Art zu schliessen, überzeugen werde, es sey beffer, das Fleisch lieber zu ¿wenig als zu stark zu braten: zu gleicher Zeit geboth er den Bedienten, daß sie, so oft sie glaubten ein Stück Fleisch sey hinlänglich gebraten, es zusammt dem Spieße vom Feuer wegnehmen und mit Gewalt in den Eßsaal bringen sollten, wobey er ihnen versprach, daß er ih nen beyftehen wollte, falls sich die Köchinn widerseßte. Ein andermal, als er gerade einen Blick in den Spiegel warf, sah er, daß sein Mundschenk eine Flasche Bier aufmachte, und sich daraus einschenkte: Aha, mein Freund, rief er, er ist pfiffig, wie ich sehe; er hat mein Bier getrunken, dafür ziehe ich ihm zwey Schillinge von seinem wöchentlichen Kostgelde ab, denn ich laffe mich in nichts gern übertreffen, nicht einmal im Ueberlisten. : Wenn Swift den ersten Besuch in einem Hause abstattete, war es ohne Ausnahme sein Gebrauch, in jedem Theil desselben, und selbst in die Küche und Dachs stube zu laufen, denn er sagte, aus der durchgängigen Reinlichkeit eines Hauses könne er auf die gute Wirthschaft der Hausfrau schlieffen, da selbst die ausgemachteste Schlumpe die Zimmer sauber hielte, wo sie ihre Gåste bewirthete.

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Als Swift einst große Gesellschaft bey sich hatte, und eine Flasche Wein abzog, bot er das letzte Glas vom Grunde derselben einem jungen'Geistlichen mit den Worten an:,, ich halte mir allezeit einen armen Prediger, der den trüben Wein für mich trinken muß." Der Geistliche wußte sich sehr wohl in Swift's satyrische Laune zu schicken, und sagte, er merke den Unterschied nicht, er wåre froh, wenn er nur ein Glas Wein bekame, es möchte seyn wie es wollte. Sie sollen es nun nicht bekommen, ich will es selbst trinken. Sie find gescheiter, als ein elender Landpastor, den ich vor etlichen Tagen zu Tische bat; denn als ich ihm eben den Antrag that, sagte er, so ließe er sich nicht kommen, und giug for, ohne einen Bissen zu essen. Ich sagte daher dem Herrn, von dem er mir empfohlen war, daß der Kerl ein Dummkopf sey, und ich möchte nichts mehr mit ihm zu thun haben."

D. Young erzählt eine sonderbare Weissagung Swift's, die ihn selbst betraf, und leider nur zu sehr in Erfüllung ging. Er sagt: ich erinnere mich, daß, als ich und andre Freunde eines Abends mit ihmr etwan eine Meile vor Dublin spaßieren gingen, er auf 'einmal stille stehen blieb. Wir gingen weiter; da ich aber sah, daß er uns nicht folgte, so kehrte ich zurück. Ich fand ihn fest wie eine Bildfäule stehen; in tiefen Gedanken versenkt, sah er eine hohe Ulme hinau, derên obere Zweige sehr verdorret und hinfällig waren. Er zeigte mit dem Finger auf den Baum und sagte: „ich werde wie dieser Baum seyn; ich werde am Obertheile sterben."- Zur Erläuterung muß man folgendes wissen. Nachdem seine Stella (die er heimlich geheurathet, und deren Leben er durch sein wunderliches Betras gen gekürzt hatte) todt war, zog er sich sehr zurück,

wie wohl er nicht für die Ruhe der Einsamkeit gestimmt war. Er verschwendete seine Naturanlagen mit schrifte stellerischen Kleinigkeiten, und wurde in seinem Hauswesen můrrisch, wunderlich und eigensinnig. 1736 verlor er sein Gedächtniß, und seine Einbildungskraft und fein Verstand nahmen allmählig ab. Von 1739 bis 1744 waren seine Leidenschaften so heftig und unordents lich, daß Niemand außer Verwandten und Bekannten ihn besuchen durften. Er stellte in sich ein trauriges Gemahlde von einem Genie auf, das sich selbst verzehrt: kindisches Wesen, und zuweilen Raserey, nahmen dann von den glänzendsten Verstandeskräften Besitz, die jes mals ein Mann besessen hat.

Swift kannte sicherlich die Welt sehr gut, und jeder mann gab zu, daß er über die Handlungen der Menschhen mit ungemeinem Scharfsinn urtheile. So allgemein das Lügen auch ist, und so leicht es scheint, pflegte Swift dennoch zu sagen, daß ihm während seines ganzen Umganges nicht drey gute Lügner aufgestossen wären, selbst wenn sie den größten Ruhm deswegen erlangt håtten.

Als Swift einmal in einem Hause speißte, wo der Theil des Tafeltuchs, welcher neben ihm war, ein kleis nes Loch hatte, so riß er es so weit als er konnte, und aß seine Suppe durch dasselbe: er wollte dadurch, sagte er, der Frau vom Hause eine Kränkung zufügen, und sie lehren, daß sie die Wirthschaft, wie sich gehörte, in Acht nehmen müsse.

Einmal bezahlte Swift Jemandes Schulden, weil er etwas ziemlich gutes geschrieben hatte, und der nächste Beweiß, sagte Swift, den er von seinen Fähigkeiten gab, war, daß er eine Spottschrift auf mich schrieb, wiewohl er gerade erst durch mich aus einem Gefängnisse gerettet worden war.

Swift und einige feiner Freunde beschlossen, daß fie alle Jahre ein Gastmahl geben wollten, wo alles wie an den Saturnalien war, welche bekanntlich in Rom um dieselbe Zeit gefevert wurden, wo wir Weyh= nachten haben; das Gesinde spielte da den Herrn, und die Herrschaften warteten den Bedienten auf. Das ersit und einzigemal, da man es that, war in Swift's Wohnung. Als alle Bedienten sassen, und jeder Herr hins ter seinem Lakai stand, nahm Swift's Bedienter Anlaß, eine Schüssel mit Fleisch zu tadeln, das angeblich nicht nach seinem Geschmack zugerichtet war, warf es seinem Herrn ins Gesicht, und åffete ihm in jeder andern Schwäche nach, die er jemals an ihm entdeckt hatte. Hierüber wurde Swift gewaltig entrüstet, schlug den Kerl, und brachte alles in solche Unordnung, daß die Dienstbothen erschracken und aus dem Saale liefen: und so endigte sich das Saturnalienfest.

Swift wurde von einer Dame zur Tafel geladen, welche gehört hatte, daß man es ihm nicht leicht recht machen könnte: deswegen machte sie einen ganzen Mos nat Vorbereitungen dazu. Als die Zeit kam, war jede käufliche Leckeren im Ueberfluß zubereitet. Eben das sah Swift. höchst ungern, und noch mehr zuwider, wo môge lich, war es ihm, daß die Dame, so bald er sich gesetzt hatte, eine cerremoniöse Rede anfing, in welcher sie ihm sagte, es thắte ihr außerordentlich leid, daß sie ihm nicht besseres vorsetzen könnte, sie besorge, es sey nichts auf der Tafel, was er essen könnte, und viele dergleichen Entschuldigungen. ',,Aber, Madam, warum schaffen Sie denn nichts besseres an? Eie hatten doch ficher Zeit genug! Da Sie mir aber sagen, daß Ihr Est sen so schlecht sey, so will ich nach Hause gehen und einen Håring effen.“ Mit diesen Worten empfahl er

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