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mals in den fürchterlichsten Verzuckungen lag: er fragte nach seiner Wohnung und ließ ihn heimführen. ́Hier erfuhr er vom Wirthe, daß die ganze Geschichte mit den Krämpfen der allerschamloseste Betrug sey; der Kerl kåme oft nach Hause und verlache seine Wirthsleute als Narren, daß sie sich so zerarbeiteten und quålten, da er durch seine Verzuckungen so viel Geld ohne alle Mühe verdienen könne. Der Herr that nun der Polizey hievon Anzeige, der Betrüger wurde belauert und mitten in seiz nem schändlichen Handwerke ergriffen.

Unter den vielen Personen, die zum Londner Zollhause gehören, giebt es nicht wenige Diebe. Die unglaublichen Geschäfte, welche dort gemacht werden, der schreckliche Wirrwar und die ungeheure Menge Güter aller Art, welche eine Zeitlang hier liegen, läffen dies leicht vermuthen. Man hatte unter andern oft fremdes Porzelan vermißt, welches, wegen des hohen Zolls, zu den theuersten Einfuhrartikeln gehört. Die Thüren der Niederlagen des Zollhauses waren und blieben gut verschlossen und man hielt dort des Nachts beståndig einen Wächter. Aber gerade dieser Mensch war der Dieb. Er mochte einen andern Wächter, der vielleicht ein gleich großer Schelm war, beleidiget haben, und wurde von ihm angegeben. Um Mitternacht pflegte er einen beson= ders dazu gemachten, oben gekrümmten Stab in das Fenster des Waarenlagers zu stecken und mehrere Stücke Porzelan herauszulangen, so daß er oft in einer Nacht für etliche Pfund Sterling dieser köstlichen Geschirre ents wendete.

Herr Pitt war einer der fleißigsten Cavaliers, die zu seiner Zeit in Cambridge studirten. Selten hat ein junger Mann von Stande so allgemein die Achtung einer Universität genossen als er. Dieser gelehrte Körper

Engl. Miscellen XIII. I

schäzte sich die frühe Erhebung ihres Zöglings zur grôsten Ehre und wählte ihn zu seinem Repråsentanten im Parlamente. Wie er zum erstenmal nach seiner Wahl in Cambridge eintraf, drångte sich, wie zu ermessen, die ganze Schaar von Geistlichen zu ihm, um bey vorfallender Gelegenheit ein Bisthum oder sonst eine gute Versorgung, deren er nun mehrere zu vergeben hatte, zu erhalten. Der junge Premierminister muste auch, nach Gewohnheit, der öffentlichen Andacht in Begleitung der ganzen Universitåt beywohnen. Der Prediger, welchen man gewählt hatte, war einer der gelehrtesten Männer auf der hohen Schule, aber dabey ein durchtriebener Schalk. Er wählte zu seinem Tert den Vers aus Joh. 6, 9.,,Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstens brodte und zween Fische; aber was ist das unter so viele.

Bey einem der lezten Maskenbålle im Opernhause war auch der portugiesische Gesandte, Marquis von Lima, ein sehr reicher Herr, zugegen. Seine Gesellschaft bestand meistens aus einigen seiner vornehmen Landsleute. An der Logenthår redete sie ein wohlgekleideter Mann an, welcher einer von den Leuten des Hauz ses zu seyn schien.,,Meine Herrschaften, sagte er, das Gedränge auf der Bühne ist sehr groß und die Taschendiebe sind so zahlreich, daß man Ihnen bald Ihre Uhren, Ringe u. s. w. nehmen wird: ich wollte Ihnen rathen, alles von dieser Art bey mir hier zu lassen, wie die meisten thun; beym Fortgehen können Sie es wieder ablangen." Die Fremden hatten keinen Argwohn und übergaben willig ihre Uhren, Kostbarkeiten und Börsen, die zusammen ein paar tausend Pfund am Werthe auss tragen mochten, dem Schelme, welcher gleich damit das Weite suchte und seit der Zeit nicht wieder gesehen worden ist.

Linguet sagte schon vor vielen Jahren, Grosbriz tannien sey das einzige Land, wo sich das Volk in Achtung zu sehen wisse; man sehe dies z. B. an den vors trefflichen Straßen. Unter andern hätte er die Volksfeste als Beleg anführen können. Kein Laud hat ihrer so viele und nirgends hält man so sehr darüber. Der jebige Reichthum des Landes macht, daß sie überall mit großer Pracht begangen werden. Auf den Anfang des laufenden Jahres fiel in Loughborough die Feyer des Geburtstags des Bischofs Blaize, welcher die dors tige Innung der Wollenkämmer gestiftet und ihnen ansehnliche Freyheiten verschaft hat. Es traf sich, daß viele Stadtkinder mehr als zehn Jahre theils zur See theils im Landdienste entfernt gewesen waren, die sich nun in dem lieben Geburtsort beysammen fanden. Man beschloß also den Umgang so prächtig als möglich zu halten und in Characteren, die sich auf die Wollenmanufactur beziehen, zu erscheinen. Den Zug führte Ja= son als Verfechter und Beschüßer des goldenen Vließes an. Ihm folgten eine lange Reihe Schäfer und Schäferinnen; hierauf das schönste Mädchen der Stadt, köstlich angezogen, mit einem Lâmmchen auf ihrem Schooße und einem großen Blumenstrauße, welcher auf kunstreiche Art ganz aus Wolle gemacht war. Dann kam eine Person im Costům des ehrwürdigen Bischofs, welcher das Fest begründet hatte. Er ritt auf einem Zelter. Seine Müße nebst den Petersschlüsseln, die vorn vergoldet waren, bestand ganz ans Wolle und er trug eine mächtige Perücke aus seiner Wolle, die bis auf den Sattel reichte. Ein Page hielt zu jeder Seite feinen Zaum; am Steigbågel stand ein andrer, der in einer Hand die Bibel und in der andern einen Wollens kamm hielt. Sein langes Gefolge war weiß gekleidet,

und trug Gurte, Scherpen, hohe Mützen und zwey gros Be Flaggen, alles aus feiner Wolle. Das nächste war eine Bühne, auf welcher zwey geschickte junge Leute, ein junger Mensch und ein Mädchen, in vollem Weben bes griffen waren, um den zahlreichen Fremden, die aus ganz Leicestershire und weiterher zu diesem Feste kamen, die dortige Manufacturweise zu zeigen. Dieser Anblick gefiel allen Anwesenden; man jauchzete und warf von allen Seiten theils Beutel theils einzelne Geldstücke auf die Bühne, wofür den Abend weidlich geschmaußt und getanzt wurde. Den Zug beschloßen die Alten, insgez sammt mit wollenen Kleidern, und endlich ein andrer Haufe mit Spielleuten. Man muß selbst ein gebohrner Kleinstädter seyn, um zu ermessen, welche innige Freude ein solches Volksfest nicht nur am Tage der Feyer, sons dern auch vor und nachher verbreitet.

Der Geiz bleibt ewig die Wurzel alles Uebels: nichts ist ihm heilig, wenn er gewinnen kann. In der Gegend des großen Fischmarktes Billingsgate wohnten Thomas Goddard, ein Fischer, und John Sands, ein Themsenschiffer, lange Jahre in gröster Verträglichkeit; fie waren immer beysam̃men. Neulich starb der alte Sands, und wiewohl er Verwandte hatte, so folgte ihm doch sein Freund Goddard als der erste Leidtragende. Tags darauf bey finsterer Nacht wurde in Southwark ein Kerl mit einem Sacke angehalten, worin eine vers dächtige Last zu seyn schien. Es war Goddard, der den Körper seines Freundes ausgegraben hatte, um ihn an einen Chirurgus zum Zergliedern zu verkaufen. Der abscheuliche Mensch wurde gehörig bestraft und wird gewiß wegen einer Handlung, die von einer Erstickung alles menschlichen Gefühls zeugt, auf immer von rechtlichen Leuten gemieden werden,

Man hält insgemein die Gegend von Charingcroß in London wegen der vielen Creuzwege für den Zusains menfluß der meisten Wagen, Fußgånger, Reuter c Unter andern haben die Schuhpußer dort viel Nahrung. Des Morgens pflegen sie in die vielen dortherum befindlichen Logirhäuser zu gehen und Stiefeln und Schus he zusammen zu hohlen. Ein junger Schelm übernahm eines Morgens dort das Amt der sämmtlichen Stiefelputzer ganz ungebeten. Er gieng früher in die Häuser und ließ sich die zu pußenden Stiefeln und Schuhe geben. Die Magd eines jeden Hauses, wohin er kam, glaubte, er wåre von dem gewöhnlichen Schuhpußer abgeschickt, und überantwortete die Stiefel oder Schuhe ohne Ans stand. Es gab eine recht artige Sammlung von beyden, und der verschmizte Dieb brachte sie alle, so wie seine ei gene Person, bey guter Zeit in Sicherheit. Dieser erste Auftritt ging ganz ruhig ab. Aber die beyden folgens den waren etwas lauter. Denn die Herren Schuhputzer vom Handwerk wollten des Kukuks über die vermeintliche Abwendigmachung ihrer Kunden werden, die Mägde ent schuldigten sich mit Betheurungen ihrer Unschuld, und die Eigenthümer der Stiefeln und Schuhe stimmten mans chen herzigen Fluch an, während die nächsten Schusters låden den Vorfall sehr drollig fanden.

In Camden-town einer Vorstadt von London ent ftand eines Abends ein gewaltiger Lårm. Man hörte auf einmal ein fortdauerndes, gellendes Glockenläuten, das unmöglich von den wenigen Kirchen in dortiger Ge gend herrühren konnte. Alles lief auf die Straße. - Siche da! es waren funfzig von den Londner Kehrichts -- und Kothkårnern, jeder mit seiner großen Handglocke, die er so hell als möglich ansprechen ließ. Wahrhaftig es war ein Spectakel zum Davonlaufen, Die Herren feyerten

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