Page images
PDF
EPUB

schaft weder am meisten zu fürchten, noch am schädlichsten. Der rasche Vertrieb der Werke der schönen Künste, welchen solche Leute erzeugen, mag sie zwar lächer= lich machen, da sie keinen Geschmack in der Wahl be weisen, dient aber dennoch, die Sitten der Gemeinheit zu veredeln, indem er eine Art von Industrie aufmuntert, die sonst in einem Lande, das blos handelt oder Landbau treibt, keine große Begünstigung findet. Wenn solche Leute ihr Geld auf den Ankauf von Låndereyen verwenden, so führen sie gemeiniglich schlimme Sitten in der Nachbarschaft ein; ist aber ihre Anzahl in einer Gegend nicht sehr groß, so stiften sie im Ganzen mehr Nußen als Schaden, weil sie den Geist der lebhaften Cultur und eine Liberalität in den Unternehmungen einführen, die aus der Mitte alter Familien und ländlicher Beschäftigungen selten hervorgehen.

In den asiatischen Colonien ist dies alles ganz an= ders. Der west- und ostindische Colonist werden beyde vom Speculationsgeist beseelt, aber in dem letzteren ist die allgemeine Umånderung des Characters vollståndiger. Ein Aufenthalt in Westindien pflegt den europais schen Character zu verschlimmern; ein Aufenthalt in Ostindien, welcher gemeiniglich viel länger dauert, vermischt denselben mit einem völlig verschiedenen Character sowohl in sittlicher als politischer Hinsicht. Die Sitten des westindischen Ansiedlers sind durch die Lage von Europäern gebildet worden, die sich in neue Länder versehten, deren Eingebohrne långst erloschen sind und niemals weder so sehr civilisirt noch so mächtig waren, daß sie Muster zur Nachahmung hätten darbieten können. In Ostindien fanden dieselben Leute ein ungeheures Reich oder vielmehr eine Anzahl ungeheurer Reiche von alter Größe und ausgebreiteter Macht, und von einer uner

meßlichen Menge Menschen bevölkert, die, wo nicht die aufgeklärtesten, doch die allerverfeinertsten waren, welche es jemals in der Welt gegeben hat. Unter diesen Natios nen erwarben sich die neuen Ansiedler allmählich einen festen Aufenthalt und dehnten ihre Macht im Laufe vies ler Menschenalter aus, bis sie sich, weit mehr durch die Künfte der Staatsklugheit, als durch Waffengewalt, einen Einfluß erwarben, welchen sie noch jetzt durch åhnliche Mittel aufrecht erhalten. Dort haben die europäis schen Sitten allezeit den geschliffenern und üppigern Sitz ten der Asiaten weichen müssen. Ihre Provinzialregierungsformen sind viel despotischer gewesen, als in den amerikanischen Colonien und in dem Mutterlande. Die Politik der orientalischen Staaten, welche im höchsten Grade systematisch und verfeinert ist, hat sich mit der Staatsklugheit ihrer neuen Alliirten und Beherrscher vers mischt, und ihre politischen Gewohnheiten verändert. Auch die religiösen Systeme des Morgenlandes sind ålter, ausgebreiteter und eingewurzelter, als die der christlichen Republik. Die religiöse Schwärmeren hat sich unter den neuen Bewohnern dieser Gegenden niemals gezeigt, und anstatt die Eingebohrnen bekehren zu wol len, hat der Verkehr nur die Folge gehabt, die Glaubenssysteme, welche die Europäer mit sich gebracht ha ben, zu erschüttern und zu verwirren.

Deswegen haben die Sitten und der Character, welche durch die Rückkehr dieser Leute in ihr Vaterland miteingeführt worden sind, einen sehr starken Anstrich von der Verfeinerung und dem Verderbniß, die der Gez sellschaft im Orient eigenthümlich sind. Ihre üppigen Gewohnheiten, ihre Liebe zur Pracht und Unthätigkeit haben sie in die Gegenden des gemäßigten Erdgürtels begleitet und den Kreisen, in welchen sie sich bewegen,

einen besondern Ton mitgetheilt. Tråge und doch uns zufrieden mit den häuslicheren Sitten ihres eigenen Vaterlandes, aller mühsamen Anstrengung des Körpers oder Geistes abgeneigt; blos unternehmend in der Jagd nach neuen Vergnügungen und sinnreich in den Küns ften, welche für entartete und verwöhnte Genüsse arbeiten, sind die indischen Reichen und Großen in Europa abgeneigt, die lebhafte Geschäftigkeit ihrer Landsleute, durch wirkliche Theilnahme an den elben, zu befördern. Ihr Zweck ist, den erworbenen Reichthum zu verthun und zu genießen, nicht zu vermehren; aber ihr Aufwand ermuntert die Bemühungen andrer und ihre Genusse ver feinern die Sitten des Kreises, in welchen sie sich bewes gen, wenn man anders noch dieses Wort brauchen darf. In politischer Hinsicht sind die Folgen ihrer asiatischen Gewohnheiten gewiß schädlich, wenigstens einem freyen Lande. Ihre Absichten sind nicht recht für eine Regierung berechnet, die blos für ünd durch das Volk vor: handen ist. Ob es nun gleich wenigem Zweifel unters worfen ist, daß ihr Einfluß, im Ganzen, schlechterdings ihrem Vaterlande Nachtheil bringt, so kann man doch auch nicht wohl streitig machen, daß die von ih nen eingeführten Sitten unendlich weniger Schaden thun, als die, welche aus den tropischen Gegenden der neuen Welt herstammen, während die Tendenz ihrer politis schen Gewohnheiten ohne Widerspruch weit schlimmer ist.

(I. 520.) Die französischen Colonien in Westindien übertreffen die englischen in allen Umständen ihrer Lage vor dem Jahre 1790, ausser im Capital. Und die Vers ånderungen in der Colonialbilanz, welche seit dem letz ten Kriege vorgefallen find, geben Frankreich einen Zuschuß von Land und Bevölkerung, welche gewissermaßsen hinreichend sind, die schädlichen Wirkungen des Nes gernaufruhrs aufzuwågen,

Das französische Westindien hat allezeit einen gröffern Umfang gehabt, als das brittische; auch haben die Ländereyen eine vortheilhaftere Lage; sie sind nicht in eine folche Menge kleiner Inseln zerstückelt, sondern theilen sich in etliche große, welche von Natur stark, reich an natürlichen Hülfsmitteln und in bequemen Entfernuus gen über die ganze Caraibische Inselkette gelegen sind. Die bloßen Vortheile ihrer Lage sind so mannigfaltig und wichtig, daß, wenn die westindischen Reiche der beyden Nationen im Besitze unabhängiger Staaten wåren, durchaus kein Gleichgewicht zwischen den beyden Mächten Statt haben könnte.

Indessen sind der Umfang und die vortheilhafte Vertheilung des Landes nicht die einzigen Umstände, wors in das französische Colonialsystem entschiedene Vorzüge vor dem englischen hat. Das Land in den französischen Colonien, besonders in St. Domingo, ist ohne allen Vergleich fruchtbarer, als irgend ein Boden in den brittis schen Inseln, das kleine Eyland St. Christopher ausgenommen. Ein englischer Acre trågt in dieser letzten Insel im Durchschnitt des Jahres zwey Orthoft Zucker, jeder von sechzehnhundert Pfund. In Jamaica betrågt die mittlere Quantität nicht über einen halben Orthoft. Et. Domingo hat einen Ueberfluß an der feinen Zies gelerde, welche in Jamaica so kårglich über einige schmale Bezirke ausgestrenet ist und wovon ein einziger Acre zuweilen die ungeheure Menge von drittehalb Tonnen Zucker hervorgebracht hat. Weil in St. Domingo diefer reiche Boden so ungemein häufig ist, so bringt auf den sämmtlichen Zuckerländern jeder Acre im Durch= schnitt über anderthalb Orthoft Zucker (zu 1600 Pf.), das ist, die Fruchtbarkeit von St. Domingo ist ins Mittel mehr, denn dreymal so groß als die von Jamaica.

Deswegen find die französischen Pflanzer allezeit im Stande gewesen, ihren Zucker um weit niedrigere Preise zu Markte zu bringen, als die brittischen, ungeachtet der größeren Kosten sowohl im Einkauf der Sclaven,. als auch in der Fracht der Waaren nach Europa. Aus allen diesen Vortheilen entstand die unbestrittene Vorzüglichkeit der französischen Zuckerinseln in Anbau und Ertrag. Der Fortschritt von Colonialcultur war viel schneller während der Jahre unmittelbar vor der Revolution, als man in der Geschichte der Colonisation jemals gehört hat. Binnen zehen Jahren hatten sich die Negerbevölkerung und der Totalertrag von St. Domins go beynahe verdoppelt.

(I. 541.) Die Colonien haben weder Frankreich noch England so viel eingebracht, als beyde Mächte jetzt dars aus gewinnen würden, wenn sie ihre Verfügungen auf den Colonien von vorn anfangen könnten. Indessen hat kein Staat jemals seine entfernten Besitzungen mit so viel Milde und Billigkeit regiert, als Frankreich und England; keiner hat so wenig Hauptfehler begangen; keiner die Irthümer der kurzsichtigen Staatsklugheit so= bald verbessert, welche in allen Zeitaltern die erste Be= pflanzung und die früheste Regierung der Colonien geleitet hat. Die Sitte, durch ausschliessende Compagnien oder Seestädte zu regieren und Handel zu treiben, welche allen spanischen und portugiesischen Niederlassungen so verderblich und sogar in dem weniger illiberalen politischen System der Holländer so schädlich gewesen ist, hatte niemals einen so langen Bestand, daß fie für die englischen und französischen Colonien in der neuen Welt von sehr ernsthaften üblen Folgen håtten seyn können. Die französische westindische Compagnie ist seit mehr als einem Jahrhundert abgeschaft; und unter den brittischen

« PreviousContinue »