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der Pachter oder Landwirth an ländlichen Vergnüguns gen Geschmack finden lernt und über die Schöpfungen seiner eigenen Arbeit oder seines Geschmackes frohlockt; trachtet der kaufmånnische Gewinnjåger *) nach einem Stadtleben, findet gleichen Reiz auf jeder Börse, wo Geschäfte abgethan werden, und theilt mit einer ganzen Gemeinheit die Anhänglichkeit an denselben Håfen, Werften und Docken. Der Landwirth erzeugt selbst das meifte, was er zum Unterhalt und zur Bekleidung braucht und er verthut sein Geld in Vergnügungen oder Bequem= lichkeit, je nachdem er seinen überflüßigen Zuwachs ver= kauft. Der Kaufmann sieht selten einen nothwendigen oder bequemen Artikel, für welchen er nicht sogleich be zahlte; und er sucht beståndig zu sparen, um sein Capital zu vergrößern. Der eine wird von dem Lande, in welchem er lebt, erhalten; der andre zieht seinen Unterhalt aus der Fremde, und empfångt blos von seinem Wohnorte den Preis, welchen er für seinen Unterhalt bezahlt. Der nordamericanische Pflanzer bauet dag Land theils durch seine eigene Arbeit, theils durch die Hülfe seiner Familie, theils durch die Mühe seiner Mits bürger, deren freywillige Anstrengungen er persönlich leitet, wahrnimmt und belohnt. Der westindische Pflan= zer erzielt seine Erndte durch Sclaven, aus einem andern Lande und Stamme, deren mühselige Arbeit er durch die Geißel erzwingt und über deren Bemühungen er durch einen Stellvertreter wachen läßt. Der Boden hat hier wenig Reize für dessen elenden Anbauer und wenig Anziehendes für seinen reichen Besitzer.

Anstatt also die Inseln zu einer zweyten Heimath zu wählen, lassen sich die Gewinnlustigen in Westin

*) Es ist hier blos von den westindischen Zuckerpflanzern › die Rede.

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dien einen Aufenthalt daselbst blos gefallen, um dadurch ihr Capital zu vermehren oder sich ein Vermögen zu erwerben, das sie in den verfeinerten europåischen Genüssen verthun können. Im Grunde ist eine große Menge von denen, deren Capital die westindischen Inseln angebauet hat, in ihrem Geburtslande geblieben. Diejenigen unter ihnen, welche ihr Geld auf Darlehn an die Pflanzer, gegen Sicherheit der Grundstücke, Gebäude und Sclaven, wagten, waren in keinen andern Geschäften begriffen, und hatten keine andere Verbindung mit dem Eigenthume, als daß sie ihre Zinsen erhielten oder die Erzeugnisse auftragsweise verkauften. Andre, die ihr Geld auf das Bepflanzen ihrer eigenen Låndereyen in Westindien verwandten, zogen oft ein kleineres Einkommen in Ruhe zu Hause dem größeren vor, welchem zu gefallen sie ihr Vaterland verlassen und sich den Gefahren des Erdstrichs und der Seereise blos stellen müssen. Sie suchten also Aufseher für ihre westindischen Güter und wohnten beständig in Europa. Während also das auf den Handel verwandte Capital in einem so geringen Verhältniffe gegen dasjenige steht, welches auf den Anbau verwandt wird, fehlt es in Westindien fast ganz an den Landeigenthümern, die in jedem Lande die gröfte Stärke ausmachen. Ihre Stelle wird theils durch Eigenthümer ersetzt, die mit Schulden beladen und we nig mehr als Anwålde für europäische Gläubiger sind, theils durch eigentlich sogenannte Factoren, welche die Geschäfte der abwesenden Eigenthümer verrichten. Viele von diesen Männern und fast alle übrigen Einwohner bestehen aus unbemittelten Glücksrittern, die von der Hofnung, Reichthümer zu erwerben, angelockt werden, die Bande der Verwandtschaft zu zerreissen, den Gefah ren eines ungesunden Himmelsstrichs zu troßen und sich

von ihrer Heimath zu verbannen, um ein Vermögen zu erwerben, wodurch sie in den Stand gesetzt werden mögen, nach Ablauf einiger Jahre in ihrem Vaterlande unabhängig zu leben. Es ist daher eine allgemeine Bemerkung, daß, ungeachtet des großen Reichthums der Eingebohrnen, in keinem Theile der gesitteten Welt so wenig auf die Bequemlichkeiten und die Anmuth des Lebens geachtet wird, als in den westindischen Nieders lassungen. Obschon die Eigenthümer auf den französischen Inseln jederzeit beständiger als auf den englischen gewohnt haben, und ob man gleich vorausseßen dürfte, daß sich dort der aristokratische Geist nicht so innig mit der Gewinnsucht vereinbaren würde, gibt man uns dennoch folgendes lebhafte Gemåhlde vom Zustande der Gesellschaft; es rührt von Malouet her, einem Mans ne, der sich dort eine lange Erfahrung erworben hatte. (Essai sur St. Domingue, Mem. sur les Col. tome IV. 127.),,Tel est le Tableau mouvant d'une ville de colonie, d'une ville de St. Domingue. voit point d'homme assis sur son foyer parlant avec intérêt de sa ville, de sa paroisse, de la maison de ses pères. On n'y voit que des auberges et des voyageurs. Tout correspond à l'idée que j'exprime. Entrez dans leurs maisons, elles ne sont ni commodes ni ornées; ils n'en ont par le tems, cen'est pas la peine: voilà leur langage. Est-il question, d'un batiment, d'une machine, d'une transaction, d'un réglement de compte: rien n'est fini, rien ne porte l'empreinte de la patience et de l'attention."

On n'y

Die Auswanderer nach Westindien wollen also nicht leben, sondern gewinnen, nicht genießen, sondern sparen, sich nicht in den Colonien niederlaffen, sondern

Sorkehrungen machen, um in ihrer Heimath glänzen zu können. Der eben gedachte Schriftsteller sagt: „Ici la scène et les acteurs changent en moins de dix années : vous avez sans cesse des hommes différens; sans patrie, sans famille, sans projets, sans moyens déterminés; mais prêts à saisir tous les projets, tous les moyens.".

Man nimmt nicht darauf Bedacht, die Zahl der weissen Einwohner durch natürliche Vermehrung aufrecht zu erhalten. Das Verhältniß der Geschlechter ist äußerst ungleich, und die Frauenspersonen find fast gänzlich aus den niedrigern Stånden. Die Ehe steht in keinem Ansehen. Eine. Familie, welche in Nordamerika eine Quelle von Reichthum ist, hält man in Westindien für eine kostspielige Bürde; und die Leidenschaften, welche durch den warmen Himmelsstrich aufgeregt, oder durch den verdorbenen Zustand der Sitten begünstiget werden, finden eine leichte und sorgenfreye Befriedigung in den vorübergehenden Verbindungen mit Negerinnen oder Mulattianen, die nicht Gegenskåns de der Liebe, sondern strafbarer Luft sind.

Weil also für den natürlichen Anwachs der weissen Einwohner nicht gesorgt ist, so werden die Lücken durch neue Ansiedler ausgefüllt; und dieselbe Ursache, welche Raum für sie machte, nehmlich der Mangel an Frauenzimmern und an guter Gesellschaft, verleidett auch ihnen ihren Aufenthalt, und bestimmt sie, denselben so sehr abzukürzen, als die Erwerbung eines Vermögens es nur immer zulassen will. Auf diese Art findet ein be ständiger Wechsel von Einwohnern Statt,

(I. 69.) Solche Menschen denken: Wir wollen Geld erwerben, damit wir es in London, Amsterdam oder Bordeaux verzehren können: quaerenda pecunia

est, virtus post nummos. Jetzt sind wir in der Goldmine; ob sie gleich unangenehm und. ungesund ist, so werden wir doch bald auf Eyderdünen ausruhen. Wir wollen uns nur die Mittel verschaffen, sie zu kaus fen, und der Zweck kan die Mittel rechtfertigen, so wie er uns mit den Beschwerlichkeiten aussöhnt. Wenn nun auch unser Betragen fehlerhaft, und unsre Sitten ausschweifend sind? Wir werden uns schon wieder nach unsern europäischen Landsleuten richten, wenn wir zus rückkehren, eben so wie wir die verunstaltenden Fesseln der europäischen Denkungsart ablegten, als wir über das Weltmeer segelten. Jetzt wollen wir nur Geld verdienen, und wir werden nachher Zeit haben, Kirchen zu bauen und Hospitåler zu stiften.“ So sagen wohl die allermeisten Leute in diesen Umständen. Aber ihre Sitten erhalten auch von andern Eigenthümlichkeiten in ihrer Lage eine Richtung. Der Mangel an Gesell= schaft züchtiger Frauenzimmer; die Nothwendigkeit, Bedürfnisse zu befriedigen, welche ein brennender Himmelsstrich erzeugt; der Ueberfluß an unglücklichen Frauenspersonen, deren Blut von noch stärkeren Leidens schaften wallt, und sie in den Augen des Europäers nur zu einem niedrigeren Stamme macht, der zur körperlichen Bequemlichkeit seiner Herren gebildet ist dies sind andre Ursachen der erschlaften Sitten. Indem der Mangel an weiblicher Gesellschaft die Gemüther und Sitten der Månner zu denen der Thiere erniedri= get, beraubt er sie nothwendig aller der tugendhaften Freuden des häuslichen Lebens, und befreyt sie von dem Zwange, welchen die Gegenwart einer Familie dem Bez tragen selbst der lasterhaftesten Månner allezeit auflegt. Die Zeugen der Handlungen des Pflanzers find die Ges fellschafter seiner Ausschweifungen, opfern denselben

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