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de, aber wahrscheinlich erwarb er sich ihre Freundschaft erst, als man schon von seinen Gedichten laut sprach. Einfam in der Mitte seiner jugendlichen Studien, umgeben von Klosterbrüdern und Scholastikern, keine andre Leute hörend, als die von ausländischem Französisch und von einem ungeschlachten zänkischem Latein, verweilte sein Gedächtniß mit Zärtlichkeit auf den Gesprächen juz gendlicher Leichtfertigkeit oder häuslicher Liebe; und er machte den edlen, kühnen Entwurf, Poesie in eine Sprache zu hauchen, die bisher mit den Ueberströmungen der Einbildungskraft wenig vertraut war, und welche von den Gebildeten und Gelehrten ohne Anstand mit schimpfa licher Verachtung behandelt wurde. (I. 213. 14.)

Von seinem dreyßigsten Jahre an, wo nicht noch früher, bis zu seinem Tode, war Chaucer ein Hofmann und der Rathgeber von Fürsten; er wurde zu verschie denen Unterhandlungen und Gesandtschaften gebraucht, und in die Partheyen, Zwiste und Staatsränke seiner Zeit verwickelt.

Wer die Ursache der Aufmerksamkeit, welche Chaus cer in der Familie seines Monarchen erfuhr, in etwas anderem als seiner Geistesbildung suchen will, scheint die Sache sehr oberflächlich betrachtet zu haben. Man brauchte ihn zu verschiedenen Unterhandlungen. Eben so war Prior ein politischer Unterhändler und Addison ein Minister: aber ihr politisches Glück entsproß aus ihren Geisteswerken.

Doch gewähren Priors und Addison's Zeiten nur ein sehr schwaches Bild von der Aufmerksamkeit, womit man den Gelehrten in Chaucers Zeitalter an den Fürstens höfen begegnete. Späterhin verbreitete sich die Gelehrs famkeit so sehr, daß sie ihre Seltenheit verlor; und man weiß recht wohl, daß bey den Reichen und Ueppigen Eugl. Miscellen XIIL 3

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Seltenheit die große Empfehlung aller Dinge ist. Ein frengebiger Prinz konnte im dreyzehnten und vierzehnten Jahrhundert seine Hand öfnen und der Gönner fast eis nes jeden Gelehrten und fähigen Kopfes in seinem Lande werden. Jeht läßt man die Naturanlagen emporkeimen, so gut als ihnen möglich ist: fie müssen selbst ihr Glück machen. Die Ordnung der Natur bringt es so mit sich, und es lassen sich viele Gründe angeben, warum wir es nicht bedauern sollten.

In diesem Zeitraume hielten die Fürsten öfters die Beschirmung der Wissenschaften für eine der Obliegenhei= ten ihres Posten. Wace und Benoit bekamen den Stoff ih= rer Werke von Heinrich II. von England in die Feder gesagt. Richard I. ging, wie man weiß, beständig mit den Dichtern seiner Zeit um. Eduard I. brachte durch seine Gönnerschaft den Raymond Lully und Guido dalla Colonna, den Verfasser des Troy book, nach England. Alphons X. König von Castilien, genannt der Weise, machte verschiedene wichtige Entdeckungen in der Sternkunde; und Robert, König von Neapel, erklärte, daß wenn er genöthiget wåre, entweder seine Studien oder Crone aufzugeben, er kein Bedenken tragen würde, die Abgezogenheit der Wissenschaften zu wählen. Aus vielen Beyspielen, die man angeben könnte, sind dies nur wenige.

Aber der Geist der Gönnerschaft und die Auszeich= nung der Gelehrten wuchsen allmählig, und erreichten nie einen höheren Grad als zu Chancer's Zeit. Jede Seite in der Geschichte des Petrarch und Boccaz, die seine Zeitgenossen waren, ist eine Erläuterung dieser Wahrheit. Beyde waren von niedriger Geburt, und Boccaz entsprang sogar aus unerlaubter Liebe, ein Umstand, auf welchen. man in diesen Zeiten das größte Gewicht zu legen pflegte.

Aber blos ihrer Geistesbildung wegen stehen sie unter den wichtigsten Personen in der zeitverwandten Geschichte der italienischen Staaten. Besonders wurde Petrarch sein ganzes Leben hindurch von Cardinålen und Päpsten hochs geschäht; diejenigen unter ihnen, welche ihn nicht liebten, gaben sich wenigstens das Ansehen, als ob sie ihn schätzten; er stand in Briefwechsel mit Fürsten und unabhängigen Staaten, und schrieb ihnen bey allen großen Veranlassungen ohne Anstand seinen Rath; und der Lorbeer wurde ihm in demselben Augenblicke sowohl aus Paris als Rom, den beyden grösten Städten der westlichen Welt, angeboten. (S. 381—83.)

Als Chaucer den Petrarca besuchte, war dieser beynahe siebenzig Jahre alt; und er lebte nur noch ein Jahr nach dem Besuche des englischen Dichters. Für Chaucer muß es auffallend gewesen seyn, einen greisen und den= noch feurigen Dichter zu einer Zeit zu erblicken, wo die Dichterkraft se ungemein selten ist; diesen Correspondenten der Päpste, Staaten und Kaiser; diesen Dichter,. der von Paris und Rom gekrönt worden war, und aus dessen Werken Chaucer's zarte Lippen vielleicht zuerst den, Wohlklang des Verses eingesogen hatten. Petrarch war für Chaucer intereßant, weil Chaucer in ihm den geras den Abkömmling der Cicerone, Virgile und Ovide Ita liens in den Tagen seiner claßischen Größe fah. Chaucer hingegen war für Petrarch aus einer andern Ursache merkwürdig. Er kam aus der Ultima Thule, und hieß die penitus toto divisos orbe Britannos seine Landsleute; ihr Land war von dem Uebermuthe schönes rer Himmelsgegenden unter den Alten als beständig von Nebeln und Finsterniß eingehüllt vorgestellt worden. Späteren Zeiten sind Britanniens Gelehrsamkeit und Dichtergeist bekannt; keine Zunge ist so barbarisch, daß

fie uns nicht in gleichen Rang mit andern Nationen setzen sollte, während wir eigentlich in Verstandesüberlegenheit die Beherrscher der Menschen sind. Aber in Petrarchs Zeiten war dies ein ganz unbekanntes Schauspiel. Die Entdeckung, welche er machte, war beynahe nicht min= der erstaunend, als die des Columbus, da er die Küste der westlichen Welt erblickte. Er that Fragen an seinen Gast; er legte ihm die prüfendsten und schwersten-Proben auf; er wechselte mit ihm die Seelenblicke und die Blitze eines Dichterauges. Chaucer hatte bereits Troilus und Ereseide und viele seiner besten Werke geschrieben; er war über vierzig Jahr alt: wir können uns einbilden, wie er die Feuerprobe des Italieners bestand und sich ihm mit dem nüchternen månnlichen Bewußtseyn eiz nes Dichters gegen einen Dichter nåherte. Petrarch wurde bedenklich, argwöhnte und bekehrte sich endlich ganz; er umarmte den wundersamen Ausländer von ei ner Eisgegend, und sah mit derjenigen Art von Einge= bung, welche sich in dem letzten Zeitabschnitte des abź tretenden Genies einzustellen pflegt, den künftigen Ruhm eines Spenser, Shakespear und Milton voraus.

Petrarch hatte eben seine Uebersetzung der Erzählung von der Grisildis geendiget. Er laß sie dem Chaucer vor. Dieß beweißt, was für eine Meynung er sich von unserm Landsmann machte. Wenn ein alter Mann bewogen wird, völliges Zutrauen zu fassen, und Empfindungen für Empfindungen zu geben, so dfnet er sein Herz, sagt, woran er zuleht arbeitete und worüber er nachdachte; er ergießt die Ideen, wovon seine Gedans ken voll sind. So wurde Chaucer von Petrarch behan delt. Er that sogleich, als ob er einen seiner alten Freunde vor sich håtte und las ihm die gedachte Erzählung vor. Chaucer war entzückt. Die Magie einer Er

zählung, vielleicht der gefühlvollsten, die jemals eine menschliche Fantasie zusammenseßte, angehört unter dem heiligen Dache desjenigen, in welchem der Geist der neueren Dichtkunst zusammengedräångt schien, und aus den bejahrten Lippen dessen, dem. dieses Dach seine Hei ligkeit verdankte, war durchaus eine Ueberraschung, ein Fest, eine Werkettung von Gefühl und Vergnügen, wie wenig Sterblichen jemals widerfahren ist. Nach der Anhörung bat Chaucer, daß er eine Abschrift von der Erzählung nehmen dürfte: wenigstens läßt sich dies voraussehen, wenn er den Orforder Gelehrten sagen läßt: Lern'd it at Padowe of a worthy clerk,

Fraunceis Petrark.

Unter der Person des Orforder Gelehrten hat er in verschiedenen Stücken Beziehungen auf sich selbst anzubringen gewußt. Zum Beyspiel:

For him was lever han at his beddes hed

A twenty bokés, cloth'd in black or red,
Of Aristotle', and his philosophie,

Than robées riche, or fidel, or sautrie.
Canterbury Tales v. 295.

d. i. denn er wollte lieber han (haben) an seines Bettes Haupte ein zwanzig Bücher, gekleidet in schwarz oder roth, von Aristoteles und seiner Philosophie, als reiche Gewänder, oder Fiddel oder Saitenspiel.

Ueberhaupt spricht Chaucer oft von seiner Leseliebe und seiner Neigung im Bette zu lesen, wenn er nicht schlafen konnte. (II. 150. ff.)

(Chaucer wurde verwiesen und, da er heimlich zu rückkehrte, in den Tower als Staatsgefangener geseßt. Dies Schicksal war desto hårter, da er vorher in den besten Umständen gelebt hatte). Im Unglück ficht man es mehr als bey allen andern Gelegenheiten. daß ein

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