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dern Künsten, wodurch man, im Fall einer wirklichen Landung, die Unwissenden und Kleinmüthigen zu hins tergehen bemüht seyn wird, kann man darauf rechnen, daß der Feind augenblicklich die Nothwendigkeiten des Lebens mit Gold und Silber kaufen wird. Die brittische Regierung weiß auch sehr wohl, daß man den feindfichen Schaaren sogleich englische Münze geben wird, blos damit sie sich einstweiliges Zutrauen erwerben mdgen. Während des letzten Friedens sind viele tausend Guineen heimlich nach Frankreich geschickt worden, das mit man bey einer Landung in England die Leichtgläubigen durch anscheinende Ehrlichkeit hintergehen könnte. Man muß såen, um zu erndten, sagt das Sprichwort: und die französischen Soldaten sind darauf angewiesen. Jeder chrliche Pachter und Landmann in England kann deswegen darauf gefaßt seyn, daß die Guineen oder Louisd'or, welche der Feind für Bedürfnisse giebt, die Gemůther nur blenden und den zehnfachen Werth davon durch künftigen Raub sichern sollen.

Der Dichter Chaucer und sein Zeitalter.

Die englische Literatur ist so eben durch folgendes wichtiges Werk bereichert worden: Life of Geoffrey Chau cer, the early English Poet: including memoirs of his near friend and kinsman, John of Gaunt, Duke of Lancaster: with sketches of the manners, opinions, arts and literature of England in the fourteenth century. By William Godwin. In two volumes. 4. London. Phillips. 1803. mit etlichen Bildnissen.

Dieses Buch ist hinreißend geschrieben und wird verz muthlich überall Glück machen. Man erhält hier einen gelehrten, scharfsinnigen und liberalen Führer in das we

nig bekannte Feld des Mittelalters. Man folgt ihm mit wachsender Theilnahme durch zwey starke Quartanten, und bedauert am Ende, daß sie schon durchgelesen sind. Zum Belege folgen hier einige zusammenhängende Stel= len daraus: doch ist es bey einem so intereßanten Werke schwer zu bestimmen, wo man wählen soll.

Die beyden Nahmen, welche den Jahrbüchern der englischen Literatur vielleicht die gröste Ehre machen, sind Chaucer und Shakespear. Den Shakespear sind wir lange und mit Recht gewohnt als den Ersten in dem Berzeichnisse dichterischer und schöpferischer Geister zu bes trachten: und nach den Schauspielen des Shakespear giebt es kein menschliches Werk, welches mannigfaltigere und stärkere Fähigkeiten entwickelte, als Chaucer's Canterbury Tales. Glanz des Vortrags, Reichthum der Einbildung, pathetische Einfalt in den Begebenheiten und Empfindungen, ein kraftvoller Stil in Zeichnung der Charactere und Eitten und eine lebhafte Ader von komis scher Laune zeigen sich wechselsweise in dieser bewundernswürdigen Dichtung; und eine jede dieser Eigenschaften scheint, einzeln genommen, diejenige, worin der Verfasser am geschicktesten ist, auszuzeichnen.

Chaucers Werke sind wenigstens in Einer Rücksicht mehr geeignet, unser Erstaunen zu erregen, als die des Shakespear. Gemeine Leser sind geneigt, Shakespears Zeiten für barbarisch zu achten, weil sie entfernt sind. Im Grunde aber war das Zeitalter der Königinn Elisasabeth eine ungemein verfeinerte Periode. Wir haben seit der Zeit unsre Bühnen erweitert; wir haben in dem Mechanismus der dramatischen Darstellung einige Verbefserungen gemacht; und wir haben, es sey nun zu unserm Vortheil oder Nachtheil, die Gesetze der griechischen Echaubühne studirt. Aber wir haben niemals etwas

hervorgebracht, das sich mit den Theaterstücken des Shakespears oder nur eines seiner Zeitgenossen vergleichen ließe. Welches Zeitalter kann weniger barbarisch seyn, als das, welches außer den dramatischen Arbeiten eines Shakespear, Fletcher, Massinger und Jonson, noch durch die Nahmen Raleigh, Hooker, Bacon und Spencer erleuchtet wird.

Aber Chaucer's Zeiten waren aus viel deutlicheren und unstreitigeren Ursachen, was die Dichtkunst anlangt, Zeiten der Barbarey. Die einzigen Versuche, welche man in Versen im westlichen Europa vor Chaucer gemacht hatte, bestanden aus Romanzen von wundersamen und übernatürlichen Abentheuern, aus weitschweiz fenden Bånden von ausgesponnenen Allegorien und aus den Rhapsodien herumziehender Sånger. In diesen Dichtungen stieß man zwar mitunter auf einen bewundernswürdigen Flug der Einbildungskraft; sie waren aber meistens voll harter Verse und prosaischer Ausdrücke: und Geschichte und Ausführung waren weitWas man im Engliz schichtig und umherschweifend. schen zum Vorschein gebracht hatte, war wenig besser, als ein nüchternes Register von Begebenheiten mit Hin= zufügung des Reims. Es war Chaucer, welcher die åchte Dichtkunst in England festsette und einbürgerte. Das denkwürdigste aber, was man zu seinem Lobe sagen kann, ist, daß er der Vater der englischen Sprache wurz de, welche durch die normannische Eroberung aus den Gerichtshöfen und dem gesitteten Leben verbannt war, und welche Chaucer der Literatur und den Musen zuerst, wiederschenkte. In der Geschichte des menschlichen Geiz stes hat nie ein Mann mehr vollbracht als der einzige Verstand des Chaucer bewirkte.

Chaucer wurde 1328 in London gebohren, London

war damals schon eine ansehnliche und ziemlich reiche Stadt. Hiervon kann man viele auffallende Beyspièle anführen. Der Vater des Michael de la Pole, Grafen von Suffolk und Lord Canzlers unter König Richard II. war ein Kaufmann, und die erste Ursache der nachmaliz gen Erhöhung des Sohnes waren die Gelder, welche sein Vater zu verschiedenen Zeiten dem König Eduard III. lich, um damit zum Theil die Kosten seiner Kriege inFrankreich zu bestreiten.

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Ein Jahr nach dem Treffen bey Poitiers gab Henry Picard, ein Weinhändler und Mayor von London, ein kostbares Gastmahl, bey welchem vier Könige, Eduard König von England, Johann K. von Frankreich, Das vid K. von Schottland, und der König von Cypern, bewirthet wurden. Die Umstände des Gastmahls wer den von dem alten Geschichtschreiber Stow sehr characte ristisch so beschrieben:,,Nach dem Mittagsmahle dfnete besagter Henry Picard seine Halle allen denen, die bey ihm Würfel und Hasardspiele spielen wollten. Auf gleiche Weife saß die Lady Margarethe, seine Gemahlinn, aus derselben Absicht in ihrem Zimmer. Ter König von Cypern spielte mit Henry Picard in seiner Halle, und gewann funfzig Mark von ihm: aber Henry, kin geschickter Epieler, gieng dann anders zu Werke nnd gewann vom Könige nicht nur dieselben funfzig Mark, sondern auch noch funfzig dazu. Der König wurde darüber unmus thig, suchte es aber zu verbergen. Henry sagte darüber zu ihm: Mein Herr und König, nehmt Euch das nicht zu Herzen, ich trachte nicht nach Eurem Golde, sondern nach Eurem Spiele, denn ich habe Euch nicht hergeladen, um Euch wehe zu thun, sondern damit ich unter andern auch versuchen könnte, wie Ihr spielt. Hiermit gab er ihm sein Geld wieder und spendete unter dem Ges

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folge des Königs und andern Edlen und Rittern, die bey ihm speisten, viele köstliche Geschenke."

Im zweyten Jahr der Regierung König Richard II. hatte Johann Mercer, ein Schotte, eine Flotte von Cor= faren wider die Engländer ausgerüstet. Dies bewog einen Londner Bürger, John Philpot, aus eigenen Mitteln tausend Mann in Sold zu nehmen, mit welchen er in See ging, und in kurzer Zeit den John Mercer, sammt allen seinen Prisenschiffen und fünfzehn kostbaren spani= schen Fahrzeugen, die er zu seinem Beystande an sich ge= zogen hatte, gefangen nahm.

Unter derselben Regierung bauete Sir Richard Whittington, Maire von London, von dem die Ueberlieferung so viel Wunderdinge fabelt, auf eigene Kosten das Gefångniß Newgate, die Bibliothek der grauen Brüder, das Hospital zum kleinen Bartholomäus und ein Collegium bey der Paulskirche, welches seinen eigenen Nahmen erhielt.

Die Geschichte von Sir William Walworths Ha= der mit Wat Tyler, und der Muth und hohe Sinn, den er bey dieser Gelegenheit an den Tag legte, sind hinlånglich bekannt. Die Vermehrung der Städte und der Fortschritt des Handels waren die unmittelbaren Ursachen von der großen Revolution im dreyzehnten Jahrhundert, wo die Gemeinen sich empörten; und wir würden viele Umstände in der Geschichte dieses Zeitabschnitts nicht recht verstehen können, wenn wir uns nicht deutlich erinner: ten, daß die reichen Handelsleute in England und den benachbarten Ländern jetzt im Stande waren, sich in eine Art von Nebenbuhlerey mit den alten Baronen einzulas= sen, welche diese letzteren vielleicht zu verachten wünsch, ten, ohne es zu können. Chaucers Vater war vermuth

lich auch ein Weinhåndler. Das waren die Scenen, wels

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