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recht gut, eine Beitlang in einer großen Bibliothek zu stu-| dieren; aber sich darin vergraben, ist eine Raserey. Ich merke es so gut als Andere, daß die Arbeiten, die ich jezt thue, mich stumpf machen. Aber daher will ich auch je eher je lieber mit ihnen fertig seyn, und meine Beyträge ununterbrochen, bis auf die letzte Armseligkeit, die nach meinem ersten Plan bineinkommen soll, fortseßen und ausführen. Dieses nicht thun, würde heißen, die drei Jahre, die ich nun hier zugebracht, muthwillig verlieren wollen.

Du fragst mich, wie es mit Wien sey, und ob man da noch anstehe, ein Stück von mir mit hundert Louisd'or zu bezahlen? Ich will doch nicht hoffen, daß Du Dir ein bildest, daß ich Anträge deßwegen gemacht, oder auch nur machen lassen?

Von dem Theater auf die Kanzel zu kommen. Wenn Herr Eberhard mich nicht besser versteht, als Du mich zu verstehen scheinst, so hat er mich sehr schlecht verstanden. So habe ich wirklich, meinst Du, mit meinen Gedanken über die ewigen Strafen den Orthodoren die Cour machen wollen? Du meynst, ich habe es nicht bedacht, daß auch sie damit weder zufrieden seyn können noch werden? Was gehen mich die Orthodoren an? Ich verachte sie eben so sehr, als Du; nur verachte ich unsere neumodischen Geistlichen noch mehr, die Theologen viel zu wenig, und Philo: sophen lange nicht genug sind. Ich bin von solchen schalen Köpfen auch sehr überzeugt, daß, wenn man sie aufkommen läßt, sie mit der Zeit mehr tyrannisiren werden, als es die Orthodoxen jemals gethan haben.

Aber so sehr, als Du, verachte ich gewisse gelehrte Arbeiten nicht, die, dem ersten Anschein nach, mühsamer als nüßlich sind. Die eitle Arbeit des Kennicot, wie sie Dir vorkömmt, hat uns zufälliger Weise zu einem Stück aus den verlornen Büchern des Livius geholfen.

Daß Cacault hier bei mir in Wolfenbüttel ist, wirst Du ohne Zweifel schon gehört haben. Er studiert sehr fleißig Er studiert sehr fleißig deutsche Philosophie; und da ich hier fast niemanden sehe, so ist es mir eben nicht unangenehm, daß er mich alle Abende besucht.

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hat mir viel Gutes von Dir gesagt. Du bist fleißig; aber ich bitte Dich, sey es ja so, daß Du es auf die Länge seyn. kannst. Ich mache diese Erinnerung, weil Du sie mir zu brauchen scheinst. Du liesest sehr viel, und schreibst sehr viel. Alle die neuen Werke, über die Du mir Deine Gedanken mittheilst, habe ich noch kaum angesehen. Und wenn ich in Jahr und Tag, wie Du, zwey Komödien gemacht haben sollte, und mit dem dritten Stücke schwanger ginge, so wäre ich sicherlich, vor Entbindung mit diesem dritten, entweder im Tollhause oder im Grabe.

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Ich bin indes sehr begierig, diese Deine Komödien zu sehen. Schicke mir sie also; und zugleich den Plan, nach welchem Du Deinen Massaniello machen willst. Vielleicht kann ich Dir in diesem leßtern einige Winke geben; denn ich erinnere mich, daß auch mir dieses Sujet einmal durch den Kopf gegangen ist. Historische Quellen weiß ich Dir keine andere anzuzeigen, als Du schon kennst. Aber weißt Du denn auch, daß Du schon einen dramatischen Vorgänger hast? und einen dramatischen Vorgänger in Deutschland? Es ist kein geringerer, als Christian Weise, dessen Trauerspiel von dem Neapolitanischen Hauptrebellen Massaniello Du in seinem Zittauischen Theater finden wirst. Wenn Du es noch nicht gelesen hast, so lies es ja. Es hat ganz den freyen Shakspearschen Gang, den ich Dir sehr zur Nachahmung empfehlen würde. Auch wirst Du, des pe= dantischen Frostes ungeachtet, der darin herrscht, hin und wieder Funken von Shakespearschem Genie finden. Wie Du Dir den Charakter des Aniello denkst, kann ich freilich nicht wissen. Aber ich glaube zu errathen, was Dich für ihn eingenommen: die uneigennüßige Entschloss senheit, zum Besten Anderer sein Leben zu wagen, in einem so rohen Menschen; die großen Fähigkeiten, welche Umstände und Noth in einem so rohen Menschen erwecken und sichtbar machen. Dieses ließ auch mich ihn als einen sehr schicklichen tragischen Helden erkennen; aber was mich mehr als alles dieses hätte bewegen können, Hand an das Werk zu legen, war die endliche Zerrüttung seines Verstandes, die ich mir aus ganz natürlichen Ursachen in ihm selbst er: flären zu können glaubte, ohne sie zu einem unmittelbaren physischen Werke seiner Feinde zu machen. Ich glaubte sonach den Mann in ihm zu finden, an welchem sich der alte rasende Herkules modernisiren ließe, über dessen aus ähnlichen Gründen entstandene Raserey ich mich erinnere, einige Anmerkungen in der theatralischen Bibliothek gemacht zu haben; und die allmähliche Entwicklung einer solchen Raserey, die mir Seneca ganz verfehlt zu haben schien, war es, was ich mir vornehmlich wollte angelegen seyn lassen. Es sollte mich freuen, wenn das Deine Gedanken und Dein Vorsaß auch wären.

Meinen Empfehl an Herrn Eberhard. Man hatte mir Hoffnung gemacht, daß ich das Vergnügen haben würde, ihn mit Moses hier zu sehen. Ich bin gewiß, daß wir mit einem Dußend mündlichen Worten unseren ganzen

Streit würden beygelegt haben. Von dem, was mir Moses darüber gesagt hat, bin ich zum Theil überzeugt, zum Theil nicht. So gründlich aber auch beydes ist, oder seyn mag: so würde es, Schwarz auf Weiß, mich nur wenig treffen. Denn ich würde mich von der Hauptsache gar nicht abbringen lassen, nehmlich davon: die Hölle, welche Herr Eberhard nicht ewig haben will, ist gar nicht, und die, welche wirklich ist, ist ewig. Warum also nicht lieber die abgeschmackten sinnlosen Begriffe von der Beschaffenheit dieser Hölle, sie sey nun ewig oder nicht ewig, bestreiten, als wider die, noch immer eine gute Erklärung verstattende Dauer derselben zu Felde ziehen? Doch ich erwarte hierüber seine eigene Aeußerung. Versichere ihn nur, daß es mich unendlich schmerzen würde, wenn ich durch meinen Widerspruch im geringsten die üble Begeg❘ nung sollte mit veranlaßt haben, der er seitdem von seinen | Amtsbrüdern ausgesezt gewesen. Doch ich denke, daß ihm bey diesen mehr mein Lob, als mein Widerspruch könnte geschadet haben. Dem Herrn Rector Heynaß kann ich mit dem Verlangen nicht dienen. Unsere Bibliothek hat weder Manuscripte von dem puren eigentlichen Eutropius, noch auch von der Interpolation des Paulus Diaconus. Melde ihm dieses mit meinem vielfältigen Empfehl. Ich sehe, ich habe Dir mehr geschrieben, als ich im Stande zu seyn glaubte. Lebe wohl.

An Karl G. Leffing.

Gotthold.

Wolfenbüttel, den 2. Februar 1774.

Lieber Bruder, Erwarte keine Entschuldigung wegen meines langen Etillschweigens. Du würdest nur die nehmliche Leyer hören. Lieber kein Wort, was Dich meinetwegen unruhig oder bekümmert machen könnte.

Ich habe Dir auf zwey oder gar drey Briefe zu antworten; und wenn ich es nicht thäte, so möchte ich einen vierten wohl nie bekommen.

Ich fange bey dem leßten an, in welchem Du mich, ich weiß nicht in welcher Arbeit vergraben glaubst. Deine Nachrichten von mir müssen nicht die zuverlässigsten seyn. Ein deutsches Lexikon zusammen zu schreiben, diesen albernen Gedanken habe ich lange aufgegeben; und ich würde ihn nun wohl am wenigsten wieder hervorsuchen, da ich ibn taliter qualiter von einem andern ausgeführt sehe. Aus diesem taliter qualiter wirst Du indeß abnehmen, daß ich mit Adelungs Arbeit nicht ganz zufrieden bin. Was ich daran auszusehen habe, sollst Du ehestens weitläuftig zu lesen bekommen. Denn ich bin wirklich Willens etwas darüber drucken zu lassen, und eine kleine Probe beyzufügen, wie ungefähr meine Arbeit in diesem Felde ausgesehen haben würde. Das ist es, was mich eigentlich eine Zeit her beschäftigt hat; und ich müßte, meinem ersten Anschlage nad, auch schon damit fertig seyn, wenn es mir

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nicht schlechterdings unmöglich wäre, in einem Striche an der nehmlichen Sache zu arbeiten. Die öftere Abänderung der Arbeit ist noch das Einzige, was mich erhält. Freylich wird so viel angefangen und wenig vollendet. Aber was schadet das? Wenn ich auch nichts in meinem Leben mehr vollendete, ja nie etwas vollendet hätte: wäre es nicht eben das? Vielleicht wirst Du auch diese Gesinnung ein wenig misanthropisch finden, welches Du mich in Ansehung der Religion zu seyn im Verdacht hast. Ohne nun aber zu untersuchen, wie viel oder wie wenig ich mit meinen Nebenmenschen zufrieden zu seyn Ursache habe, muß ich Dir doch sagen, daß Du Dir hierin wahrlich eine ganz falsche Idee von mir machst, und mein ganzes Betragen in Ansehung der Orthodoxie sehr unrecht verstehst. Ich sollte es der Welt mißgönnen, daß man sie mehr auf: zuklären suche? Ich sollte es nicht von Herzen wünschen, daß ein jeder über die Religion vernünftig denken möge? Ich würde mich verabscheuen, wenn ich selbst bei meinen Sudeleyen einen andern Zweck hätte, als jene große Absichten befördern zu helfen. Laß mir aber doch nur meine eigne Art, wie ich dieses thun zu können glaube. Und was ist simpler als diese Art? Nicht das unreine Wasser, welches längst nicht mehr zu brauchen, will ich beybehalten wissen: ich will es nur nicht eher weggegossen wissen, als bis man weiß, woher reineres zu nehmen; ich will nur nicht, daß man es ohne Bedenken weggieße, und sollte man auch das Kind hernach in Mistjauche baden. Und was ist sie anders, unsere neumodische Theologie, gegen die Or thodorie, als Mistjauche gegen unreines Wasser?

Mit der Orthodoxie war man, Gott sey Dank, ziem lich zu Rande; man hatte zwischen ihr und der Philosophie eine Scheidewand gezogen, hinter welcher eine jede ihren Weg fortgehen konnte, ohne die andere zu hindern. Aber was thut man nun? Man reißt diese Scheidewand nieder, und macht uns unter dem Vorwande, uns zu vers nünftigen Christen zu machen, zu höchst unvernünftigen Philosophen. Ich bitte Dich, lieber Bruder, erkundige Dich doch nur nach diesem Punkte genauer, und siche etwas weniger auf das, was unsere neuen Theologen verwerfen, als auf das, was sie dafür in die Stelle sezen wollen. Darin sind wir einig, daß unser altes Religionssystem falsch isst; aber das möchte ich nicht mit Dir sagen, daß es ein Flickwerk von Stümpern und Halbphilosophen sey. Ich weiß kein Ding in der Welt, an welchem sich der menschliche Scharfsinn mehr gezeigt und geübt hätte, als an ibm. Flickwerk von Stümpern und Halbphilosophen ist das Religionssystem, welches man jezt an die Stelle des alten sezen will; und mit weit mehr Einfluß auf Vernunft und Philosophie, als sich das alte anmaßt. Und doch verdenkst Du es mir, daß ich dieses alte vertheidige? Meines Nachbars Haus drohet ihm den Einsturz. Wenn es mein Nachs bar abtragen will, so will ich ihm redlich helfen. Aber er will es nicht abtragen, sondern er will es, mit gänzlichem

Ruin meines Hauses, stüßen und unterbauen. Das soll er bleiben lassen, oder ich werde mich seines einstürzenden Hauses so annehmen, als meines eigenen.

Bey diesen Gesinnungen kannst Du Dir leicht einbilden, daß ich auf einen Angriff von T** sehr gefaßt bin. Laß ihn nur kommen; wir wollen doch sehen, wer den andern nach Hause leuchtet. Sobald etwas zum Vorschein kömmt, schicke mir es ja. Aber ich denke

So weit war dieser Brief seit vielen Tagen geschrieben, als ich Dein leztes durch Herrn Großmann erhielt. Und so tönnte ich Dir mehr angefangene Briefe schicken. Du siehest also wohl, daß Dein Verdacht, als ob ich Dir darum so lange nicht geschrieben, weil ich Dir meine offenherzige Meynung von Deinen Komödien nicht sagen wolle, ganz ungegründet ist. Ich dächte, Du hättest Beweise, daß ich gewohnt bin, in diesem Punkte gegen Dich gar nicht hinter dem Berge zu halten. Die Sache ist ganz anders, und ich muß Dir die Wahrheit bekennen, ob ich gleich wohl fühle, daß ein anderer, als mein Bruder, mir dieses Bekenntniß noch übler nehmen könnte, als selbst ein mißbilligendes Urtheil. Ich habe Deine Stücke eigentlich noch nicht gelesen. Wenn Dich dieses so sehr befremdet, so muß ich Dir sagen, daß ich den Göß von Berlichingen auch nur erst seit gestern gelesen habe, und noch nicht einmal ganz. Als ich Dich um Deine Stücke bat, hatte ich wieder einen kleinen Theateranfall. Aber eben so gut, daß diese Anfälle bei mir nicht lange dauern, und gewöhnlich der äußerste Edel gegen alles, was Theater und theatralisch ist und heißt, auf lange Zeit darauf folgt. Indeß habe ich Deine Stücke doch auch nicht ungelesen an Döbbelin geben wollen, ob er mir sie gleich auf Großmanns Wort abforderte. Zu der zweydeutigen Ehre, von ihm aufgeführt zu werden, kömmst Du immer noch zu früh. Laß mir sie lieber nur noch eine Weile; denn ich lese sie gewiß noch, und will sie nur nicht eher lesen, als bis ich so etwas mit ruhiger und heiterer Seele lesen kann.

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dieses hat: so bestürzt und unruhig hat mich jener gemacht. Sie sind mißvergnügt, und würden es, denke ich, gewiß nicht seyn, wenn Sie nicht große Ursache dazu hätten. Sie sind noch dazu krank; und wenn ich auch indeß glauben will, daß Ihr Mißvergnügen und Ihre Krankheit dem Grunde nach ein und eben dasselbe Uebel sind: so darf ich nur mich selbst fragen, ob es ein Trost ist, daß zwey Uebel, die wir als zweye fühlen, im Grunde nur Eins find? Sie lassen mich über die Ursache Ihres Mißvergnügens nur muthmaßen, wie über ein Räthsel. Doch das Räthselhafte darin ist mir wahrlich nicht dieses, daß die kahle Ehre, die ein Großer Ihnen erwiesen hat, eine Gelegenheit dazu gewesen. Wann hätt' auch, was ein Großer am besten zu machen meint, nicht üble Folgen? und unser Großer, fürcht' ich, so viel Gutes als auch, mir unbekannt, in ihm steden mag, ist eben so wenig, als sie alle, der Mann, der üble Folgen, die er veranlaßt hat, wieder gut zu machen, oder einen ehrlichen Mann dafür schadlos zu halten, ge= neigt wäre.

Doch ohne Zweifel betrieg' ich mich mit ihm, wie mit den Großen allen. Sie sind wohl alle weiter nichts als ganz gewöhnliche Menschen, und ich habe eben so sehr Unrecht, wenn ich sie für Tiger und Füchse halte, als andere, die sie zu Engeln machen. Lieber wollen wir unserm Halladat folgen:

,,Der Seher Gottes ist ein Menschenfreund;"

also auch ein Freund der Großen, in so fern sie Menschen sind; also auch ein Freund derjenigen Menschen, die ihn hassen und verfolgen. Und sollte das Lettere auch sich wohl schön sagen und hören, aber schwerer in Ausübung bringen lassen; so lassen Sie uns wenigstens ja nicht aus Verdruß über diese bösen Menschen auf rasche Entschließungen fallen, deren Ausgang zeigen könnte, daß wir selbst unsere größten Feinde gewesen. Besser ist es, unter noch so bösen Menschen leben, als fern von allen Menschen. Besser ist es, sich vom Sturm in den ersten besten Hafen werfen lassen, als in einer Meerstille mitten auf der See verschmachten.

Doch wem sag ich das? Dem Verfasser des Halladat? Wär' er aber auch nur sein Dolmetscher! Man dolmetschet aber so ein Buch nicht, und dolmetschet es nicht so, wenn man vom Inhalte nicht ganz durchdrungen ist.

Wahrlich, mein lieber Gleim, Sie hätten mich in der Ungewißheit nicht lassen sollen, ob Halladat ganz, so wie es da ist, aus Ihrem Kopfe allein gekommen, oder ob es sich nicht sonst woher schreibt. Ich bekenne meine Unwissenheit; aber so viel ich auch Ihrem Kopfe zutraue, so glaube ich doch wirklich Spuren zu finden, daß irgendwo, irgend einmal auch noch sonst, so ein Kopf gewesen ist. Sagen Sie mir immer das Geheimniß ganz, wenn ich es wissen darf. Ich habe die halbe Nacht aufgesessen, um Halladat zu lesen, um den Boten auch nicht einen Tag warten zu

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Sie müssen mir verzeihen, daß ich Ihren Halladat über die vergönnte Zeit behalten habe. Ich befinde mich seit acht Tagen so übel an Seele und Körper, (doch mehr an jener) daß ich die nöthigsten Dinge versäumen muß, weil mir Hand und Kopf ihre Dienste verweigern. Ich habe aber vor diesem Zufall das Manuscript nochmals mit vielem Vergnügen gelesen; und mit um so viel größerm, weil ich versichert war, in allem und jedem nur meinen Freund Gleim zu lesen. Was ich in meinem Vorigen von irgend einer Aehnlichkeit mit irgend einem alten ausländischen Werke geträumt, muß bloß aus einigen einzelnen Zügen entstanden seyn, die mir aus einer so eigenen oriens talischen Philosophie zu fließen geschienen, daß ich mehr als bloß angenommenen Ton darunter vermuthete. Ich würde mich desfalls besonders auf N. 10, der Zweifler, berufen, wenn ich mich ist im Stande fühlte, meine Ge danken verständlich zu machen.

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An Karl G. Leffing.

Wolfenbüttel, den 20ften April 1774. Mein lieber Bruder,

Du hast mir ein großes Vergnügen nur gewiesen. Es thut mir leid, und thut mir auch um Deinetwillen leid, wenn Du mir es nur weisen können. Aber so ist es nun einmal in der Welt! Das zahme Pferd wird im Stalle gefüttert, und muß dienen: das wilde in seiner Wüste ist frey, verkömmt aber vor Hunger und Elend.

Dazu muß ich Dir leider sagen, daß, wenn ich es nicht möglich machen kann, Dich diesen Sommer in Berlin zu sehen, Deine Hoffnung, mich künftigen Sommer hier zu

besuchen, allem Anschein nach, vergebens ist. Eclechter: dings will ich, in der elenden Lage, in der ich mich hier befinde, kein Jahr länger aushalten, es lomme wohin es wolle. Der Unbeständigkeit dürfen mich meine Freunde darum nicht beschuldigen. Es ist nie mein Wille gewesen, an einem Orte, wie Wolfenbüttel, von allem Umgange, wie ich ihn brauche, entfernt, Zeit meines Lebens Bücher zu hüten. Morgen thue ich das schon vier Jahre; und da ich es nur allzu sehr empfinde, wie viel trodner und stumpfer ich an Geist und Sinnen diese vier Jahre, troß aller meiner sonst erweiterten historischen Kenntniß, geworden bin: so möchte ich es um alles in der Welt willen nicht noch vier Jahre thun. Aber ich muß es auch nicht Ein Jahr mehr thun, wenn ich noch sonst etwas in der Welt thun will. Hier ist es aus; hier kann ich nichts mehr thun. Du wirst diese Messe auch nichts von mir lesen; denn ich habe den ganzen Winter nichts gethan, und bin sehr zufrieden, daß ich nur das eine große Werk von Philosophie, (oder Poltronnerie) zu Stande gebracht, daß ich noch lebe. Gott helfe mir in diesem edlen Werke weiter, welches wohl werth ist, daß man alle Tage darum ißt und trinkt.

Aber von etwas anderm! Daß Göz von Berlichingen großen Beyfall in Berlin gefunden, ist, fürchte ich, weder zur Ehre des Verfassers, noch zur Ehre Berlins. Meil hat ohne Zweifel den größten Theil daran. Denn eine Stadt, die kahlen Tönen nachläuft, kann auch hübschen Kleidern nachlaufen. Wenn Namler indeß von dem Stücke selbst französisch urtheilt, so geschieht ihm schon recht, daß der König auch seine Oden mit den Augen eines Franzosen be trachtet. Hast du Göthens Farce wider Wielanden gesehen?

Mir ist Basedows Vermächtniß für die Gewissen noch nicht zu Gesichte gekommen. Ich hasse alle die Leute, welche Sekten stiften wollen, von Grund meines Herzens. Denn nicht der Irrthum, sondern der sektirische Irrthum, ja so gar die seltirische Wahrheit, machen das Unglück der Mens schen; oder würden es machen, wenn die Wahrheit eine Sekte stiften wollte.

Lebe wohl, und schreibe mir bald wieder.

Gotthold.

An den Buchhändler Chr. Friedr. Voß in Berlin.

Liebster Freund,

Ich antworte Ihnen auf der Stelle, um Ihnen nur mit wenigem zu sagen, wie sehr mich Jhr Brief gerührt hat. Rechnen Sie darauf, daß, wenn ich je Wort gehal: ten habe, Sie sogleich nach Weyhnachten das Ms. zu dem zweyten Theile der vermischten Schriften unfehlbar erhalten sollen. Auch will ich Ihnen etwas mitschicken, (wenn ich es Ihnen nicht eher schicke) welches zwar nicht meine Arbeit, aber besser als meine Arbeit ist, und wovon ich mich auf dem Titel als Herausgeber nenne, wenn Ihnen daran gelegen ist. - Wollen Sie mir nun aber auch verzeihen, daß

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Mein lieber Herr Eschenburg,

Haben Sie tausend Dank für das Vergnügen, welches Sie mir durch Mittheilung des Göthischen Romans ge macht haben. Ich schicke ihn noch einen Tag früher zurück, damit auch andere dieses Vergnügen je eher je lieber genießen können.

Wenn aber ein so warmes Produkt nicht mehr Unheil als Gutes stiften soll: meynen Sie nicht, daß es noch eine fleine kalte Schlußrede haben müßte? Ein Paar Winke hinterher, wie Werther zu einem so abentheuerlichen Charakter gekommen; wie ein andrer Jüngling, dem die Natur eine ähnliche Anlage gegeben, sich dafür zu bewahren habe. Denn ein solcher dürfte die poetische Schönheit leicht für die moralische nehmen, und glauben, daß der gut gewesen seyn müsse, der unsre Theilnehmung so stark beschäftiget. Und das war er doch wahrlich nicht; ja, wenn unsers J***s Geist völlig in dieser Lage gewesen wäre, so müßte ich ihn fast verachten. Glauben Sie wohl, daß je ein römischer oder griechischer Jüngling sich so, und darum, das Leben genommen? Gewiß nicht. Die wußten sich vor der Schwärmerey der Liebe ganz anders zu sichern; und zu Sotrates Beiten wirbe man eine folde ἐξ ἔρωτος κατοχή, welche ti colμặv rapà púów antreibt, nur kaum einem Mädelchen verziehen haben. Solche kleingroße, verächtlich schäzbare Originale hervor zu bringen, war nur der christlichen Erziehung vorbehalten, die ein körperliches Bedürfniß so schön in eine geistige Vollkommenheit zu verwan= deln weiß. Also, lieber Göthe, noch ein Kapitelchen zum Schlusse; und je cynischer, je besser!

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Brief fange ich an, ohne zu wissen, ob ich ihn enden werde. Und solcher Anfänge von Briefen an Dich liegen in meinem Schreibtische mehr als Einer.

Ich freue mich, daß Du Dich wohl befindest, und daß die hypochondrische Laune, in welcher Du einen von Deinen lezten Briefen schriebst, nur ein Uebergang gewesen. Die meinige ist etwas hartnädiger, und das einzige Mittel sie zu betäuben ist, mich aus einer nichtswürdigen littera= rischen Untersuchung in die andere zu stürzen. Daher kommt es, daß meine Beyträge noch das einzige sind, was ich fortseße. Und doch fürchte ich, daß ich auch diese nicht mehr lange werden fortseßen können. Ich sehe meinen Untergang hier vor Augen, und ergebe mich endlich drein.

Schwerlich werde ich Dir auf das viel zu antworten haben, was Du mir von gelehrten oder theatralischen Vorurtheilen geschrieben. Ich bin meistentheils Deiner Meynung. Die letteren haben längst aufgehört, mich zu interessiren, und nicht selten gereichen sie mir zu dem äußersten Etel. Recht gut; sonst liefe ich wirklich Gefahr, über das theatralische Unwesen (denn wahrlich fängt es nun an in dieses auszuarten) ärgerlich zu werden, und mit Göthen, trop seinem Genie, worauf er so pocht, anzubinden.

Aber davor bewahre mich ja der Himmel! Lieber wollte ich mir mit den Theologen eine kleine Komödie machen, wenn ich Komödie brauchte. Dahin bezieht sich gewissermaßen auch das, was ich Herrn Voß versprochen zu schicken. Aber vielleicht ist es ihm gerade dieserwegen auch nicht einmal angenehm, da er vielleicht S** und T** zu schonen hat. Von eben demselben Verfasser nehmlich, von welchem das Fragment über die Duldung der Deisten ist, wollte ich ihm ein anderes über den Canon schicken, das ich mit meiner Vorrede herauszugeben Willens wäre, unter dem Titel: Eine noch freyere Untersuchung des Canons alten und neuen Testaments 2. Dieses noch freyere, siehst Du wohl, geht auf Semlers freye Untersuchung. Voß mag sich die Sache überlegen. Wenn er das Manuscript drucken will, so kann er es haben so bald er will. Gott weiß ohnedies, wie es mit dem zweiten Theile der vermischten Schriften werden wird, zu welcher Arbeit ich ungerner gehe, als der Dieb zum Galgen. Jn= deß muß ich daran doch auch; und sind nicht schon die ersten Bogen des zweyten Theils gedruckt? Ich kann sie' hier unter meinen Papieren nicht finden. Er soll also so gut seyn, und sie mir mit erster Post überschicken; zugleich mit den gedruckten Bogen meines Sopholles, mit welchen ich ebenfalls etwas vorhabe, damit ich heute oder morgen. wenigstens reinen Tisch verlasse.

Dein Einfall mit Adam Neusern ist nicht unrecht. Aber hast Du denn schon den Masaniello aufgegeben? Wenn Du an diesen noch denkst, so kann ich Dir nun ein Paar italiänische Schriften schicken, die ausdrücklicher von diesem Tumulte handeln, und die Du schwerlich dürftest gesehen haben. Dieses erinnert mich an Deine Komödien. Werde

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