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Es ist mir recht sehr lieb, daß Dir mein Ding von einer Tragödie noch so ziemlich gefallen hat. Und Deine Anmerkungen darüber sind mir sehr willkommen gewesen. Ich bitte dich, auch in Ansehung des Ueberrestes damit fortzufahren.

Die Stelle S. 41. Die Furcht hat ihren beson dern Sinn; muß ich Dir gestehen, ist, so wie sie ist, zwar kein Fehler des Abschreibers. Doch laß ich mir Deine Veränderung gefallen. Im Grunde soll es gar keine besondere tiefe Anmerkung seyn, welche Emilia freylich in ihrer Verfassung nicht machen könnte; sondern sie soll bloß damit sagen wollen, daß sie nun wohl sehe, die Furcht habe sie getäuscht. Aber freylich, der Ausdruck ist ein wenig zu gesucht. Wenn es der Claudia in den Mund gelegt wird, so laß hinter das Wort Sinn nur einen Strich (-) seßen, daß es mit dem Folgenden nicht zusam men ausgesprochen wird.

Was Du von dem Charakter der Emilia sagst, hat viel Wahres. Aber so ganz Recht kann ich Dir doch nicht geben, aus folgenden Ursachen:

1) Weil das Stück Emilia heißt, ist es darum mein Vorsag gewesen, Emilien zu dem hervorstechendsten, oder auch nur zu einem hervorstechenden Charakter zu machen? Ganz und gar nicht. Die Alten nannten ihre Stücke wohl nach | Personen, die gar nicht aufs Theater kamen.

2) Die jungfräulichen Heroinen und Philosophinnen find gar nicht nach meinem Geschmacke. Wenn Aristoteles von der Güte der Sitten handelt, so schließt er die Weiber und Sklaven ausdrücklich davon aus. Ich kenne an einem unverheiratheten Mädchen keine höhere Tugenden, als Frömmigkeit und Gehorsam.

3) Zeigt denn jede Beobachtung der äußerlichen Ge bräuche einer positiven Religion von Aberglauben und schwachem Geiste? Wolltest Du wohl alle die ehrlichen Leute verachten, welche in die Messe gehen, und während der Messe ihre Andacht abwarten wollen, oder Heilige anrufen? Wegen des Zuges mit dem Traume hast Du

ganz Unrecht; wesfalls Du das Manuscript nur wieder nachsehen darfst. Emilia glaubt nicht an den Traum; sondern sie erkennt mit ihrer Mutter den Traum für sehr natürlich: wegen ihres größern Geschmacks an Perlen als an Steinen. Aber, ob sie schon nicht an den Traum als Vorbedeutung glaubt: so darf er doch gar wohl sonst Eindrücke auf sie machen. Appiani ist es, der sich daber länger aufhält, als sie beyde. Aber auch den lasse ich die Ursache davon angeben.

4) Am Ende wird denn auch freylich der Charakter der Emilia interessanter, und sie selbst thätiger. Nur tame das ein wenig zu spät, wenn es wahr wäre, daß sie schon einen kleinen Begriff von sich erweckt hätte.

Doch es sey auch mit dem allen, wie es wolle; wenn das Stück nur im Ganzen Wirkung hervorbringt.

Das Süjet davon war eins von meinen ältesten, das ich einmal in Hamburg auszuarbeiten anfing. Aber weder das alte Süjet noch die Hamburger Ausarbeitung habe ich jezt brauchen können, weil jenes nur in drey Acte abgetheilt, und diese so angelegt war, daß sie nur gespielt, aber nie gedruckt werden sollte.

Was Du von dem Charakter der Orsina sagen wirst, verlangt mich am meisten zu hören. Wenn er einer guten Schauspielerin in die Hände fällt, so muß er Wirkung thun.

Antworte mir je eher, je licber, und wenn es unter acht bis zehn Tagen geschieht, so antworte mir nur recta nach Braunschweig, wo ich mich bis gegen den 20sten aufhalten werde. Lebe wohl.

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Man hat oft gesagt, wie gut und nothwendig es sey, daß sich der Dichter zu dem Volke herablasse. Auch hat es hier und da ein Dichter zu thun versucht. Aber noch keinem ist es eingefallen, es auf die Art zu thun, wie Sie es gethan haben: und doch denke ich, daß diese Ihre Art die vorzüglichste, wo nicht die einzig wahre ist.

Sich zum Volke herablassen, hat man geglaubt, heiße: gewisse Wahrheiten (und meistens Wahrheiten der Religion) so leicht und faßlich vortragen, daß sie der Blödsinnigste aus dem Volke verstehe. Diese Herablassung also hat man lediglich auf den Verstand gezogen; und darüber an feine weitere Herablassung zu dem Stande gedacht, welche in einer täuschenden Verseßung in die mancherley Umstände des Volkes besteht. Gleichwohl ist diese lettere Herablassung von der Beschaffenheit, daß jene erstere von

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selbst daraus folgt; da hingegen jene erstere ohne diese leptere nichts als ein scales Gewäsch ist, dem alle indivi duelle Application fehlt.

Jhre Vorgänger, mein Freund, haben das Volk bloß und allein für den schwachdenkendsten Theil des Geschlechts genommen; und daher für das vornehme und für das gemeine Volk gesungen. Sie nur haben das Volk eigentlich | verstanden, und den mit seinem Körper thätigern Theil im Auge gehabt, dem es nicht sowohl am Verstande, als an der Gelegenheit fehlt, ihn zu zeigen. Unter dieses Voll haben Sie sich gemengt; nicht, um es durch gewinstlose Betrachtungen von seiner Arbeit abzuziehen, sondern um es zu seiner Arbeit zu ermuntern, und seine Arbeit zur Quelle ihm angemessener Begriffe, und zugleich zur Quelle jeines Vergnügens zu machen. Besonders athmen in Ansehung des leztern die meisten von diesen Ihren Liedern das, was den alten Weisen ein so wünschenswerthes, ehrenvolles Ding war, und was täglich mehr und mehr | aus der Welt sich zu verlieren scheint: ich meine, jene fröh: liche Armuth, laeta paupertas, die dem Epikur, und dem Seneca so sehr gefiel, und bey der es wenig darauf ankömmt, ob sie erzwungen oder freiwillig ist, wenn sie nur fröhlich ist.

Sehen Sie, mein Freund, das wäre es ungefähr, was ich Ihren Liedern vorzuseßen wünschte, um den aufmerk samern Leser in den eigentlichen Gesichtspunkt derselben zu stellen. Aber wo bin ich mit meinen Gedanken? und wie wenig geschickt, den geringsten Einfall so auszuarbeiten, als es die Stelle, die ich ihm geben wollte, verdiente?

Ich hätte Ihnen auch schon eher geantwortet, wenn ich nicht in der dringendsten und zugleich unangenehmsten Ar beit bis über die Ohren stedte. Der alte verlegene Bettel meiner vermischten Schriften kostet mir viele Zeit: und noch mehr hat mir das neue Stück weggenommen, das ich Ihnen hierbey schicke — oder vielmehr der Freundin meiner Minna schide. Meynen Sie nicht, daß ich der Mädchen endlich zu viel mache? Sara! Minna! Emilia!

Leben Sie wohl, bester Freund, und empfehlen Sie mich dem Herrn Jacobi und Herrn Michaelis. Des leztern beyde Briefe sind, im Ganzen genommen, vortrefflich. Nur einige kleine Dunkelheiten und Nachlässigkeiten in dem ersten hätte er sich nicht erlauben sollen, hätten ihm seine Freunde in Halberstadt, in deren Werken alles so ausgefeilt, alles so voller Licht ist, nicht sollen hingehen lassen. Dero

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zu verschaffen, verbunden zu seyn Ursache habe, das können Sie nur selbst am besten erachten. Aber nun auch die bessere Art des Beyfalls, die wir einander unter uns geben können: Ihre Kritik! Sie haben mir sie versprochen, und ich erwarte sie so gewiß, als bald. Kritik, will ich Ihnen nur vertrauen, ist das einzige Mittel mich zu mehrerem aufzufrischen, oder vielmehr aufzuheßen. Denn da ich die Kritik nicht zu dem kritisirten Stücke anzuwenden im Stande bin; da ich zum Verbessern überhaupt ganz verdorben bin, und das Verbessern eines dramatischen Stücks insbesondere fast für unmöglich halte, wenn es einmal zu einem gewissen Grade der Vollendung gebracht ist, und die Verbesserung mehr als Kleinigkeiten betreffen soll: so nuße ich die Kritik zuverlässig zu etwas Neuem. zuverlässig zu etwas Neuem. Also, liebster Freund, wenn auch Sie es wollen, daß ich wieder einmal etwas Neues in dieser Art machen soll; so sehen Sie, worauf es dabey mit ankömmt: mich durch Tadel zu reißen, nicht dieses Nehmliche besser zu machen, sondern überhaupt etwas Besseres zu machen. Und wenn auch dieses Bessere sodann nothwendig noch seine Mängel haben muß: so ist dieses allein der Ring durch die Nase, an dem man mich in immerwährendem Tanze erhalten kann.

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Melden Sie mir doch auch mit einem Worte, wie die Vorstellung bey Koch ausgefallen. Die hiesige bei Döbbelin habe ich noch nicht gesehen: aber man sagt durchgängig, daß Emilia unter allen seinen Stücken dasjenige ist, was er am besten spielt. Ueberbringer wünschte sehr, ein Paar Zeilen von mir an Sie zu haben: und diese sind es nur eben, die ich ihm jest in der Geschwindigkeit geben kann. Ich befinde mich jest manchen Tag wieder nichts weniger als wohl, an welchem mein Kopf so schwach, so dumm ist, daß ich nur noch kaum den Wunsch thun kann: Ach, wenn doch Müßiggehen Arbeiten wäre!

Jezt schließe ich noch mit dem Wunsche, daß Sie diesen Wunsch nicht auch zu thun Ursache haben mögen.

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An Nicolai.

eben so grosse Beleidigung; und schaler. Er antworte sich selbst, statt meiner.

Aber wenn Emilia nicht völlig die Wirkung eines ungewohnten betriegerischen Weines auf ihn gehabt hat, der unsere Geister eben so schnell wieder sinken läßt, als schnell er sie erhoben; wenn er izt in einer kalten nüchternen Stunde und ich habe leider meine Antwort bis auf diese kalte Stunde verschieben müssen; wenn er izt seinen Brief nicht bereuet: welche gefährliche Reizung für mich! Ist der vollkommenste Leser den ich mir denken kann damit zufrieden: wohl gut

Doch er besorge nicht, daß ich sein Lob misbrauchen werde. Ich will es nicht vergessen, daß der vollkommenste Leser auch zugleich der gutherzigste ist. Was er selbst hinzu denkt, macht ihn wärmer, als was er lieset: und doch hat er die Gefälligkeit, seine ganze Empfindung dem Buche zu danken.

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Aber nun genug den Autor reden lassen. Ach, mein liebster Wieland! denn so habe ich Sie jederzeit in Gedanken genennet. Sie glauben nur, daß wir Freunde werden könnten? Ich habe nie anders gewußt, als daß wir es längst sind. Eine Kleinigkeit fehlt: uns gesehen zu haben. Eine wahre Kleinigkeit; denn ich bin gewiß, mit dem ersten Anblicke werde ich Sie schon viele Jahre gesehen zu haben glauben. Und doch wünschte ich sehr, daß auch diese Klei nigkeit unserer Freundschaft nicht fehlte.

Vielleicht daß Ihre gegenwärtige Veränderung uns bald einmal zusammen bringt. Diese Veränderung-o daß Sie eben so gut dabei fahren mögen, als der Prinz!

Ich sage Ihnen, liebster Wieland, wir sind alte Freunde, und Sie sehen, wie völlig ich Sie auf den Fuß eines alten Freundes genommen habe. Ich antworte Ihnen so spät: aber ich bin trant gewesen; und ich bin noch nicht gesund. Lassen Sie mich diesen Zufall nicht entgelten. Ich antworte wenig Leuten gern; aber gewissen, um so viel lieber. Wollen Sie es noch einmal versuchen? Mir wenigstens zu sagen, daß Sie meiner Entschuldigung glauben.

Vor einigen Tagen überraschte mich Herr Seyler. Wer das dritte Wort unsers Gesprächs gewesen, mag er Ihnen selbst sagen. Der Mann ist gut, aber in gewissen Umstän den können nur wenig Menschen so gut scheinen, als sie find. Wenn Sie sich seiner in Weimar annehmen können, thun Sie es ja. Was soll der rechtschaffene Mann bei Hofe, wenn er Unglücklichen nicht helfen will? Aber wem jag' ich das?

Leben Sie recht wohl, mein liebster Wieland; und lassen Sie mich dieses ja vor vier Monaten geschrieben haben. Wolfenbüttel, d. 2. Septbr. 1772.

Leßing.

Liebster Freund,

Braunschweig, d. 22. Octob. 1772.

Jhr Brief ist mir recht sehr angenehm gewesen. Denn daß es mir nicht ganz gleichgültig seyn kann, wie die Vor stellung meiner Emilia bei Jhnen ausgefallen, das versteht sich; und wenn ich es schon nicht Wort haben wollte, so würden Sie mir es doch nicht glauben. Aber das war mir freylich nicht angenehm zu ersehen, daß sie eben nicht zum besten ausgefallen seyn müsse. Denn, mit Ihrer Erlaubniß, wenn das Stück, nach der Scene der Mutter mit dem Marinelli, ein wenig matt zu werden geschienen hat, so liegt es nothwendig an dem Spiele des Vaters und der Orsina. Denn daß das Interesse von jener Scene an nicht immer stiege: das wüßte ich doch wahrlich nicht. Madame Starke kann auch wohl, bey allem ihrem vortrefflichen Spiele, zu vortrefflich gespielt haben. Denn auch das ist ein Fehler: und ein verständiger Schauspieler muß nie seine Rolle, wo es nicht nöthig ist, zum Nachtheil aller andern heben. Aber was mich noch mehr als die Vorstellung meines Stücks interessirt hat, war Jhr eignes Urtheil darüber zu vernehmen. Ich will darauf schwören, und wenn Sie wollen, auch wetten, daß Sie in den meisten Stüden Ihrer Kritik Recht haben mögen. Nur untersuchen mag ich es jetzt nicht. Ich danke Gott, daß ich den ganzen Plunder nach und nach wieder aus den Gedanken verliere, und will mir ihn durch eine solche Untersuchung nicht wieder auffrischen. Ich habe in dieser Absicht wohl noch mehr gethan: ich habe der hiesigen Vorstellung nicht ein einzigesmal beygewohnt. Ehe ich die dramatische Arbeit nicht gänzlich wieder aus dem Kopfe habe, will keine andere hinein. Aber warum muß ich sie denn aus dem Kopfe haben?

Fragen Sie das? Ich will nicht hoffen, daß Sie es in Ernst fragen. Mir ist dieser Tage eingefallen: ob denn die Fortsetzung unsrer antiquarischen Briefe nothwens dig, und mit Klozen abgestorben seyn muß? Der Ton kann und muß freylich nicht mehr der nehmliche seyn: denn es ist eben so unanständig als unnüßlich, sich mit einem Todten zu zanken, der sich selbst weder mehr bessern, noch andre mehr verführen kann. Aber die trocknen Anmerkungen gegen sein Buch, und zwanzig andre Bücher des nehmlichen Inhalts, die sich nach der Zeit bey meiner umschweifenden Lectüre sehr vermehrt haben, wären doch wohl der Mühe werth, gesagt zu werden. Lassen Sie mich Jhre Gedanken einmal darüber hören: und leben Sie für jezt recht wohl.

Dero

ergebenster Freund, Lessing.

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Du weißt es ja wohl schon längst, wie es mit mir steht, wenn ich in langer Zeit von mir nichts hören lasse, nebmlich, daß ich sodann äußerst mißvergnügt bin. Wer wird durch Mittheilung und Freundschaft die Sphäre seines Lebens auch zu erweitern suchen, wenn ihm beynahe des ganzen Lebens ekelt? Oder, wer hat auch Lust, nach ver gnügten Empfindungen in der Ferne umber zu jagen, wenn er in der Nähe nichts um sich sicht, was ihm deren auch nur Eine gewähren könnte? Krank bin ich nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr, und bin daher auch schon feit geraumer Zeit nicht müßig gewesen. Ich habe gearbeitet, mehr als ich sonst zu arbeiten gewohnt bin. Aber lauter Dinge, die, ohne mich zu rühmen, auch wohl ein größerer Stümper eben so gut hätte machen können. Ehestens will ich Dir den ersten Band von Beiträgen zur Ge schichte und Litteratur, aus den Schäßen der herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel 2. schicken, womit ich so lange ununterbrochen fortzufahren gedenke, bis ich Lust und Kräfte wieder bekomme, etwas Gefcheidteres zu arbeiten. Das dürfte aber so bald sich nicht ereignen. Und in der That, ich weiß auch nicht einmal, ob ich es wünsche. Solche trockne Bibliothekar-Arbeit läßt sich so recht hübsch hinschreiben, ohne alle Theilnehmung, ohne die geringste Anstrengung des Geistes. Dabey kann ich mich noch immer mit dem Troste beruhigen, daß ich meinem Amte Genüge thue, und manches dabey lerne; gesezt auch, daß nicht das Hundertste von diesem Manchen werth wäre, gelernt zu werden. Doch warum schreibe ich Dir dies alles, und mache Dich unruhiger, als Du bey meinem gänzlichen Stillschweigen nicht gewesen seyn würdest? Ich wünsche, daß Du Deines Theils wirklich so vergnügt seyn magst, als Du es in Deinem Briefe ungefähr scheinst. Daß Du lange damit an Dich gehalten, in der Meynung, ich sey verreist, thut mir leid. Ich bin den ganzen Sommer nicht weiter gekommen, als von Braunschweig nach Wolfenbüttel, und von Wolfenbüttel nach Braunschweig. Und auch diese Veränderungen werde ich mir schlechterdings aufs fünftige versagen müssen. Doch das soll mein gerings ster Kummer seyn, und ich will mich gern noch weit mehr aller Gesellschaft entziehen, um hier in der Einsamkeit zu kahlmäusern und zu büffeln, wenn ich nur sonst von einer andern Seite meine Ruhe wieder damit gewinnen kann.

Was Dir Graf von der Dresdner Agrippine gesagt hat, hatte ich auch bereits von daher gehört. Aber wenn auch nur dieses wahr ist, daß der Kopf nicht zu dem Körper paßt: ist es dann nicht schlimm genug, daß Winkelmann und Casanova von diesem Umstande gänzlich geschwiegen? | Ob der Kopf für sich genommen, endlich auch antik oder nicht antik ist, geht mich gar nichts an, und ich habe gar Lessing, Werte. 11.

nicht nöthig, mich darauf einzulassen. Er sey es immer hin. Genug, diese Statue ist nicht nur ohne diesen, sondern ohne allen Kopf in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu Rom ausgegraben worden; und dieses ist, was die Dresdner großsprecherischen Kenner entweder nicht wissen, oder nicht wissen wollen. Ich habe es hier in der Bibliothek von ungefähr entdeckt, wo diese Statue ehedem, nicht allein ohne Kopf, sondern auch ohne Arme, die eben: falls neu sind, gestanden. Aber sage Du, lieber Bruder, wenn Du von der Sache sprechen mußt, dieses eben nicht weiter. Denn wenn sie in Dresden nachzusuchen anfangen, so könnten sie leicht dahinter kommen; und ich möchte gern einmal mit diesem Erempel die windigen Künstler beschä men, die immer auf ihren untrüglichen Geschmack pochen, und alle antiquarische Gelehrsamkeit, die man aus Büchern schöpft, verachten.

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Murr ist ein -, der mir endlich einen Brief abge quält, und der bloß mir zum Possen diesen Brief jeßt drucken lassen, und den ganzen Quark von Klozens Leben gegen mich geschrieben hat, weil ich ihm seitdem nie wieder auf einen Brief geantwortet habe.

Die Lippertschen Abdrücke sind allerdings ein sehr elens des Sammelsurium. Aber à propos dieser Abdrücke: ist es denn wahr, daß Herr Meil die beyden Steine gestochen? Er soll mir die Platten schicken, oder wenigstens einen Abdruck davon, und mir melden lassen, was ich ihm dafür schuldig bin; so will ich das Geld an ihn einsenden.

Ich wünsche sehr, daß es wahr seyn mag, daß der König endlich für Kochen etwas thun will. Hier thut der Herzog für Döbbelin mehr, als er werth ist, ob es gleich dem ungeachtet nicht mit ihm geht. Er ist ein -, der zur wahren Aufnahme des Theaters eben so wenig thun kann als will.

Nun lebe wohl, und schreibe mir bald wieder.

Dein

treuer Bruder, Gotthold.

An Karl G. Leffing.

Wolfenbüttel, den 5. December 1772.

Mein lieber Bruder,

Herr Voß hat mir noch nicht geantwortet. Wenn er böse auf mich ist, so thut es mir leid. Gott weiß, daß es mir unmöglich gewesen, bisher mehr für ihn zu arbeiten. Die Beyträge mußten schlechterdings gemacht seyn: denn ich will auch nicht umsonst Bibliothekar heißen; und es würde mir am Ende sehr verdacht werden, wenn ich mich mit lauter fremden Arbeiten beschäftigte. Den zweyten Theil meiner vermischten Schriften soll er auf Ostern gewiß haben; was ich ihm aber sonst auf diese Zeit versprechen könnte, wüßte ich nicht. Denn daß ich etwas wieder für das Theater machen sollte, will ich wohl bleiben

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An Karl G. Lessing.

laffen. Kein Mensch unterzieht sich gern Arbeiten, von welchen er ganz und gar keinen Vortheil hat, weder Geld, noch Ehre, noch Vergnügen. In der Zeit, die mir ein Stück von zehn Bogen kostet, könnte ich gut und gern mit weniger Mühe hundert andere Bogen schreiben. Zwar habe ich, nach meinem leßten Ueberschlage, wenigstens zwölf Stücke, Komödien und Tragödien zusammengerechnet, deren jedes ich innerhalb sechs Wochen fertig machen könnte. Aber wozu mich, für nichts und wieder für nichts, sechs Wochen auf die Folter spannen? Sie haben mir von Wien aus neuerdings hundert Dukaten für ein Stück geboten: aber ich will hundert Louisd'or; und ein Schelm, der jemals wieder eins macht, ohne diese zu bekommen! Du wirst sagen, daß dies sehr eigennüßig gedacht sey, gefeßt daß meine Stücke auch so viel werth wären. Ich antworte Dir darauf jeder Künstler sezt sich seine Preise; jeder Künstler sucht so gemächlich von seinen Werken zu leben, als möglich: warum denn nun nicht auch der Dichter? Wenn meine Stücke nicht hundert Louisd'or werth sind; so sagt mir lieber gar nichts mehr davon: denn sie sind sodann gar nichts mehr werth. Für die Ehre meines lieben Vaterlandes will ich keine Feder anseßen; und wenn sie auch in diesem Stücke auf immer einzig und allein von meiner Feder abhangen sollte. Für meine Ehre aber ist es mir genug, wenn man nur ungefähr sieht, daß ich allenfalls in diesem Fache etwas zu thun im Stande gewesen wäre. Also, Geld für die Fische oder beköstigt euch noch lange mit Operetten.

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Ew. Wohlgeboren prophezeyten mir einmal, daß mir jener Fund des Berengarius theuer zu stehen kommen werde; indem er mir an solchen Untersuchungen Geschmack machen würde, die mich um meine Zeit brächten, und sich nur selten noch so belohnen würden. Da haben Sie die Erfüllung dieser Prophezeyung! Wenn Sie so gütig sind, und glauben, daß ich wohl etwas Besseres hätte schreiben können: so vergessen Sie nicht, daß ein Bibliothekar nichts Besseres schreiben soll. Der bin ich einmal, und möchte es nicht gern bloß dem Namen nach seyn.

Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung 2c.

Lessing.

Wolfenbüttel, den 8. April 1773.

Mein lieber Bruder,

Du bist hoffentlich, ungeachtet meines abermaligen langen Stillschweigens, überzeugt, daß ich Dich liebe, und an Deinem leßten Unfall recht sehr viel Theil genommen. Ich danke Dir von ganzem Herzen, daß Du mir nicht eher etwas davon gemeldet, als bis Du Dich völlig außer Ge: fahr befandest. Ich konnte doch also wenigstens wieder einmal froh seyn; und auch das ist schon Vergnügen für einen, der sonst von keinem weiß.

Du siehest nun wohl, daß mein Stillschweigen noch immer die nehmliche Ursache hat. Ich bin ärgerlich und : arbeite, weil Arbeiten doch das einzige Mittel ist, um einmal aufzuhören, jenes zu seyn. Aber Du und Herr Voß, Jhr irret Euch sehr, wenn Jhr glaubt, daß es mir bey solchen Umständen ja wohl gleichgültig seyn könne, was ich arbeite. Nichts weniger: weder in Ansehung der Arbeit, noch in Ansehung der vornehmsten Absicht, warum ich arbeite. Ich bin in meinem Leben schon in sehr elenden Umständen gewesen, aber doch noch nie in solchen, wo ich im eigentlichen Verstande um Brodt geschrieben hätte. Ich habe meine Beiträge bloß darum angefangen, weil diese Arbeit fördert, indem ich nur einen Wisch nach dem andern in die Druckerey schicken darf und ich doch dafür von Zeit zu Zeit ein Paar Louisd'or bekomme, um von einem Tage zum andern zu leben. Wenn Du nicht begreifen fannst, wie ein Mensch, der doch jährlich 600 Thaler hat, in so kümmerlichen Umständen seyn kann: so muß ich Dir sagen, daß ich auf länger als anderthalb Jahre mein gan zes Salarium vor einiger Zeit aufnehmen müssen, um nicht verklagt zu werden. Erlaube mir nur, daß ich Dir weiter nichts hierüber schreibe; und wer nun noch daran. zweifelt, daß es die absolute Unmöglichkeit ist, warum ich gewisse Pflichten nicht erfülle, mein Versprechen in gewissen Dingen nicht halte, den bin ich sehr geneigt eben so sehr zu verkennen, als er mich verkennt.

Vor einiger Zeit ließ es sich hier an, als ob man mir glücklichere Aussichten machen wollte. Es war der Erbprinz selbst, der mir von freyen Stücken Vorschläge des wegen that. Aber ich sehe wohl, daß man mir nur das Maul schmieren wollen; denn seit acht Wochen höre ich nichts weiter davon. Ich bin seit dieser Zeit auch nicht wieder in Braunschweig gewesen, und fest entschlossen, nicht einen Fuß wieder dahin zu seßen, als bis man die Sache eben so ohne alle mein Zuthun zu Stande bringt, als man sie angefangen hat. Denkt man aber gar nicht, oder nicht sobald darauf, und läßt man mich erst mit meiner Arbeit in der Bibliothek fertig werden, so können sie sehr versichert seyn, daß ich für nichts in der Welt mich hier halten lasse; und in Jahr und Tag längstens schreibe ich Dir aus einem andern Orte, als aus Wolfenbüttel. Es ist ohne dies zwar

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