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έτιθει, Dbet ἐν δε ποικιλλε Αμφιγυήεις anfangt. ' 3o Diefe Eingangsworte nicht stehen, hat man kein Recht, ein besonderes Gemälde anzunehmen; im Gegentheil muß alles, was sie verbinden, als ein einziges betrachtet werden, dem nur bloß die willkürliche Concentration in einen einzigen Zeitpunct mangelt, als welche der Dichter anzugeben feineswegs gehalten war. Vielmehr hätte er ihn angegeben, hätte er sich genau daran gehalten, hätte er nicht den geringsten Zug einfließen lassen, der in der wirklichen Ausführung nicht damit zu verbinden wäre; mit einem Worte, hätte er so verfahren, wie seine Tadler es verlangen: es ist wahr, so würden diese Herren an ihm nichts auszuseßen, aber in der That auch kein Mensch von Geschmad etwas zu bewundern gefunden haben.

Abhörung der Zeugen, oder des Urthelspruches, ober welchen er sonst, vor oder nach, oder zwischen diesen Augenblicken, für den bequemsten hält. Diesen einzigen Augen: blick macht er so prägnant wie möglich, und führt ihn mit allen den Täuschungen aus, welche die Kunst in Darstel lurg sichtbarer Gegenstände vor der Poesie voraus hat. Von dieser Seite aber unendlich zurückgelassen, was kann der Dichter, der eben diesen Vorwurf mit Worten malen soll, und nicht gänzlich verunglücken will, anders thun, als daß er sich gleichfalls seiner eigenthümlichen Vortheile bedient? Und welches sind diese? Die Freiheit, sich sowohl über das Vergangene als über das Folgende des einzigen Augenblickes in dem Kunstwerke auszubreiten, und das Vermögen, sonach uns nicht allein das zu zeigen, was uns der Künstler zeigt, sondern auch das, was uns dieser nur fann errathen lassen. Durch diese Freiheit, durch dieses Vermögen allein kommt der Dichter dem Künstler wieder bei, und ihre Werke werden einander alsdann am ähnlichsten, wenn die Wirkung derselben gleich lebhaft ist; nicht aber, wenn das eine der Seele durch das Ohr nicht mehr oder weniger beibringt, als das andere dem Auge darstellen kann. Nach diesem Grundsaße hätte Boivin die Stelle des Homers beurtheilen sollen, und er würde nicht so viel besondere Gemälde daraus gemacht haben, als verschiedene Zeitpuncte er darin zu bemerken glaubte. Es ist wahr, es konnte nicht wohl alles, was Homer sagt, in einem einzigen Gemälde verbunden seyn; die Beschuldigung und Abläugnung, die Darstellung der Zeugen und der Zuhaupt zu leisten im Stande sey; oder auch jene Zeugnisse ruf des getheilten Volkes, das Bestreben der Herolde, den Tumult zu stillen, und die Aeußerungen der Schiedsrichter, find Dinge, die auf einander folgen und nicht neben einander bestchen können. Doch was, um mich mit der Schule auszudrücken, nicht actu in dem Gemälde enthalten war, das lag virtute darin, und die einzige wahre Art, ein materielles Gemälde mit Worten nachzuschildern, ist die, daß man das Leptere mit dem wirklich Sichtbaren verbindet, und sich nicht in den Schranken der Kunst hält, innerhalb welchen der Dichter zwar die Data zu einem Gemälde herzählen, aber nimmermehr ein Gemälde selbst hervorbringen kann.

Gleicherweise zertheilt Boivin das Gemälde der belager: ten Stadt 1 in drei verschiedene Gemälde. Er hätte es eben so wohl in zwölfe theilen können, als in drei. Denn da er den Geist des Dichters einmal nicht faßte und von ihm verlangte, daß er den Einheiten des materiellen Gemäldes sich unterwerfen müsse: so hätte er weit mehr Uebertretun gen dieser Einheiten finden können, daß es fast nöthig gewesen wäre, jedem besondern Zuge des Dichters ein besonderes Feld auf dem Schilde zu bestimmen. Meines Erachtens aber hat Homer überhaupt nicht mehr als zehn verschiedene Gemälde auf dem ganzen Schilde, deren jedes er mit einem ἐν μεν έτευξε, per ἐν δε ποιησε, per ἐν δ ̓ 1 y. 509-540.

Pope ließ sich die Eintheilung und Zeichnung des Boivin nicht allein gefallen, sondern glaubte noch etwas ganz besonderes zu thun, wenn er nunmehr auch zeigte, daß ein jedes dieser so zerstückten Gemälde nach den strengsten Regeln der heutiges Tages üblichen Malerei angegeben sey. Contrast, Perspective, die drei Einheiten; alles fand er darin auf das beste beobachtet. Und ob er schon gar wohl wußte, daß, zu Folge guter glaubwürdiger Zeugnisse, die Malerei zu den Zeiten des Trojanischen Krieges noch in der Wiege gewesen, so mußte doch entweder Homer, ver: möge seines göttlichen Genies, sich nicht sowohl an das, was die Malerei damals oder zu seiner Zeit leisten konnte, gehalten, als vielmehr das errathen haben, was sie über

selbst mußten so glaubwürdig nicht seyn, daß ihnen die augenscheinliche Aussage des künstlichen Schildes nicht vorgezogen zu werden verdiene. Jenes mag annehmen, wer da will; dieses wenigstens wird sich niemand überreden lassen, der aus der Geschichte der Kunst etwas mehr als die bloßen Data der Historienschreiber weiß. Denn daß die Malerei zu Homers Zeiten noch in ihrer Kindheit ges wesen, glaubt er nicht bloß deßwegen, weil es ein Plinius oder so einer sagt, sondern vornehmlich weil er aus den Kunstwerken, deren die Alten gedenken, urtheilt, daß sie viele Jahrhunderte nachher noch nicht viel weiter gekommen, und z. E. die Gemälde eines Polygnotus noch lange die Probe nicht aushalten, welche Pope die Gemälde des Homerischen Schildes bestehen zu können glaubt. Die zwei großen Stücke dieses Meisters zu Delphi, von welchen uns Pausanias eine so umständliche Beschreibung hinterlassen, 2 waren offenbar ohne alle Perspective. Dieser Theil der Kunst ist den Alten gänzlich abzusprechen, und was Pope

1 Das erste fängt an mit der 483sten Zeile, und geht bis zur 489sten; das zweite von 490–509; das dritte von 510—540; das vierte von 541-549; das fünfte von 550-560; das sechste von 561–572; das siebente von 573–586; das achte von 587–589; das neunie von 590-605, und das zehnte von 606-608. Bloß das dritte Gemälde hat die angegebenen Eingangsworte nicht; es ist aber aus den bei dem gtveiten, ἐν δε δυω ποιησε πόλεις, unb aus der εφαffenbeit der Sache selbst deutlich genug, daß es ein besonderes Gemälde seyn muß. 2 Phocic. cap. XXV-XXXI.

beibringt, um zu beweisen, daß Homer schon einen Begriff davon gehabt habe, beweist weiter nichts, als daß ihm selbst nur ein sehr unvollständiger Begriff davon bei gewohnt. 1,,Homer, sagt er, kann kein Fremdling in der „Berspective gewesen seyn, weil er die Entfernung eines „Gegenstandes von dem andern ausdrücklich angiebt. Er „bemerkt z. E., daß die Kundschafter ein wenig weiter als „die andern Figuren gelegen, und daß die Eiche, unter ,, welchen den Schnittern das Mahl zubereitet worden, bei „Seite gestanden. Was er von dem mit Heerden und „Hütten und Ställen übersäeten Thale sagt, ist augen: „scheinlich die Beschreibung einer großen perspectivischen Gegend. Ein allgemeiner Beweisgrund dafür tann auch „schon aus der Menge der Figuren auf dem Schilde ge„zogen werden, die nicht alle in ihrer vollen Größe aus„gedrückt werden konnten; woraus es denn gewissermaßen „unstreitig, daß die Kunst, sie nach der Perspective zu ver„kleinern, damaliger Zeit schon bekannt gewesen." Die bloße Beobachtung der optischen Erfahrung, daß ein Ding in der Ferne kleiner erscheint, als in der Nähe, macht ein Gemälde noch lange nicht perspectivisch. Die Perspective erfordert einen einzigen Augenpunct, einen bestimmten natürlichen Gesichtskreis, und dieses war es, was den alten Gemälden fehlte. Die Grundfläche in den Gemälden des Bolognotus war nicht horizontal, sondern nach hinten zu so gewaltig in die Höhe gezogen, daß die Figuren, welche hinter einander zu stehen scheinen sollten, über einander zu stehen schienen. Und wenn diese Stellung der verschiedenen Figuren und ihrer Gruppen allgemein gewesen, wie aus den alten Basreliefs, wo die hintersten allezeit höher stehen als die vordersten, und über sie wegsehen, sich schließen läßt: so ist es natürlich, daß man sie auch in der Beschrei bung des Homers annimmt, und diejenigen von seinen Bildern, die sich nach selbiger in Ein Gemälde verbinden lassen, nicht unnöthigerweise trennt. Die doppelte Scene der friedfertigen Stadt, durch deren Straßen der fröhliche Aufzug einer Hochzeitfeier ging, indem auf dem Markte ein wichtiger Proceß entschieden ward, erfordert diesem zu Folge kein doppeltes Gemälde, und Homer hat es gar wohl als ein einziges denken können, indem er sich die ganze Stadt aus einem so hohen Augenpuncte vorstellte, daß er die freie Aussicht zugleich in die Straßen und auf den Markt dadurch erhielt.

Ich bin der Meinung, daß man auf das eigentliche

Um zu zeigen, daß dieses nicht zu viel von Popen gesagt ist, will ich den Anfang der folgenden aus ihm angeführten Stelle (Iliad. Vol. V. Obs. p. 61) in der Grundsprache anführen: That he was no stranger to aerial Perspective, appears in his expressly marking the distance of object from object; he tells us etc. Ich sage, hier hat Pope den Ausdruc aerial Perspective, die Luftperspective, Perspective aérienne) ganz unrichtig gebraucht, als welche mit den nach Maaßgebung der Entfernung verminderten Größen gar nichts zu thun hat, sondern unter der man lediglich die Schwächung und Abänderung der Farben nach Beschaffenheit der Luft oder des Medii, burch welches wir sie sehen, versteht. Wer diesen Fehler machen tonute, dem war es erlaubt, von der ganzen Sache nichts zu wifsen.

Perspectivische in den Gemälden nur gelegentlich durch die Ecenenmalerei gekommen ist; und auch als diese schon in ihrer Vollkommenheit war, muß es noch nicht so leicht ge wesen seyn, die Regeln derselben auf eine einzige Fläche an= zuwenden, indem sich noch in den spätern Gemälden unter den Alterthümern des Herculanums so häufige und mannichfaltige Fehler gegen die Perspective finden, als man jezo kaum einem Lehrlinge vergeben würde. 1

Doch ich entlasse mich der Mühe, meine zerstreuten Anmerkungen über einen Punct zu sammeln, über welchen ich in des Herrn Winkelmanns versprochener Geschichte der Kunst die völligste Befriedigung zu erhalten hoffen darf. 2

XX.

Ich lenke mich vielmehr wieder in meinen Weg, wenn ein Spaziergänger anders einen Weg hat.

Was ich von körperlichen Gegenständen überhaupt gesagt habe, das gilt von körperlichen schönen Gegenständen um so viel mehr.

Körperliche Schönheit entspringt aus der übereinstimmenden Wirkung mannichfaltiger Theile, die sich auf ein mal übersehen lassen. Sie erfordert also, daß diese Theile neben einander liegen müssen; und da Dinge, deren Theile neben einander liegen, der eigentliche Gegenstand der Malerei sind, so kann sie, und nur sie allein, körperliche Schönheit nachahmen.

Der Dichter, der die Elemente der Schönheit nur nach einander zeigen lönnte, enthält sich daher der Schilderung körperlicher Schönheit, als Schönheit, gänzlich. Er fühlt es, daß diese Elemente, nach einander geordnet, unmöglich die Wirkung haben können, die sie, neben einander geordnet, haben; daß der concentrirende Blick, den wir nach ihrer Enumeration auf sie zugleich zurück senden wollen, uns doch kein übereinstimmendes Bild gewährt; daß es über die menschliche Einbildung geht, sich vorzustellen, was dieser Mund, und dieje Nase, und diese Augen zusammen für einen Effect haben, wenn man sich nicht aus der Natur oder Kunst einer ähnlichen Composition solcher Theile er innern kann.

Und auch hier ist Homer das Muster aller Muster. Er sagt: Nireus war schön; Achilles war noch schöner; Helena besaß eine göttliche Schönheit. Aber nirgends läßt er sich in die umständlichere Schilderung dieser Schönheiten ein. Gleichwohl ist das ganze Gedicht auf die Schönheit der Helena gebaut. Wie sehr würde ein neuerer Dichter darüber luxurirt haben!

Schon ein Constantinus Manasses wollte seine kahle Chronit mit einem Gemälde der Helena auszieren. Ich muß ihm für seinen Versuch danken. Denn ich wüßte wirklich nicht, wo ich sonst ein Erempel auftreiben sollte, aus welchem augenscheinlicher erhelle, wie thöricht es sey, etwas

1 Betrachtungen über die Malerei S. 185,
2 Geschrieben im Jahr 1763.

zu wagen, das Homer so weislich unterlassen hat. Wenn ich bei ihm lese: 1

Ην ἡ γυνη περικαλλής, εὐοφους, εύχρουςατη,
Ευπάρειος, εὐπροσωπος, βοώπις, χιονόχρους,
Ελικοβλέφαρος, άβρα, χαριτων γεμον ἀλφος,
Λευκοβραχίων, τρυφερα, καλλος ἀντικους ἐμπνουν,
Το προσω τον κατάλευκον, ἡ παρεια ροδοχρους,
Το προσωπον ἐπιχαρι, το βλεφαρον ωραίον,
Καλλος ἀνεπιτηδευτον, ἀβαπτιζον, αὐτοχρουν,
Έβαστε την λευκότητα ροδόχρια πυρινή,

Ως εἰ τις τον έλεφαν τα βάψει λαμπρή πορφυρα.
Δειρη μακρα, κατάλευκος, όθεν ἐμυθουργηθη
Κυκνογενη την εύοπτον Ελένην χρηματίζειν.

so dünkt mich, ich sehe Steine auf einen Berg wälzen, aus welchen auf der Spiße desselben ein prächtiges Gebäude aufgeführt werden soll, die aber alle auf der andern Seite von selbst wieder herabrollen. Was für ein Bild hinter

1 Constantinus Manasses Compend. Chron. p. 20. Edit. Venet. Die Fr. Dacier war mit diesem Portrait des Manasses, bis auf die Tautologicen, sehr wohl zufrieden: De Пelenae pulchritudine omnium optime Constantinus Manasses, nisi in eo tautologiam reprehendas. (Ad Dictyn Cretensem lib. I. cap. 3. p. 5.) Sie führt nach dem Mezeriac (Comment. sur les Epitres d'Ovide T. II. p. 361.) auch die Beschreibungen an, welche Dares Phrygius und Tedrenus von der Schönheit der Helena geben. In der erstern kommt ein Zug vor, der ein wenig seltsam klingt. Dares sagt nämlich von der Helena, fie habe ein Mal zwischen den Augenbraunen gehabt: notam inter duo supercilia habentem. Das war doch wohl nichts schönes? Ich wollte, daß die Französin ihre Meinung darüber gesagt hätte Meines Theils halte ich das Wort nota hier für verfälscht, und glaube, daß Dares von dem reden wollen, was bei den Griechen saogovor und bei den Lateinern glabella hieß. Die Augenbraunen der Helena, will er fagen, liefen nicht zusammen, sondern waren durch einen kleinen Zwischenraum abgesondert. Der Geschmack der Alten war in diesem Puncte verschieden, Einigen gefiel ein solcher Zwischenraum, andern nicht (Junius de Pictura Vet. lib. III. cap. 9. p. 245.). Anakreon hielt die Mittelstraße; die Augenbraunen seines geliebten Mädchens waren weder merklich getrennt, noch völlig in einander verwachsen, fie erliefen sich sanft in einem einzigen Puncte dem Künstler, welcher fie malen sollte (Od. 28.):

Το μεσόφρυον δε μη μοι

Διακοπτε, μήτε μισγε
Εχετω δ' ὅπως ἐκεινη

Τι λεληθότως συνοφρυν
Βλεφαρων ίτυν κελαινήν.

Er sagt zu

Nach der Lesart des Pauw, obschon auch ohne sie der Verstand der nämliche ist, und von Henr Stephano nicht verfehlt worden:

Supercilii nigrantes

Discrimina nec arcus, Confundito nec illos: Sed junge sic ut anceps Divortium relinquas,

Quale esse cernis ipsi.

Wenn ich aber ten Sinn des Dares getroffen hätte, was müßte man wohl sodann anstatt des Wortes notam lesen? Vielleicht moram? Denn so viel ist gewiß, daß mora nicht allein den Verlauf der Zeit, che etwas geschieht, sondern auch die yinderung, den Zwischenraum von einem zum andern, bedeutet

Ego inquieta montium jaceam mora, wünscht sich der rasende Herkules beim Seneca (v. 1215), welche Stelle Gronovius sehr wohl erklärt: Optat se medium jacere inter duas Symplegades, illarum velut moram, impedimentum, obicem; qui eas moretur, vetet aut satis arcte conjungi, aut rursus distrahi. So heißen auch bei eben demselben Dichter lacertorum morae, soviel als juncturae (Schroederus ad. v. 762. Thvest.).

läßt er, dieser Schwall von Worten? Wie sah Helena nun aus? Werden nicht, wenn tausend Menschen dieses lesen, sich alle tausend eine eigene Vorstellung von ihr machen?

Doch es ist wahr, politische Verse eines Mönchs sind teine Poesie. Man höre also den Ariost, wenn er seine bezaubernde Alcina schildert: 1

Di persona era tanto ben formata,
Quanto mai finger san Pittori industri:
Con bionda chioma, lunga e annodata.
Oro non è, che piu risplenda, e lustri,
Spargeasi per la guancia delicata
Misto color di rose e di ligustri.
Di terso avorio era la fronte lieta,
Che lo spazio finia con giusta meta.

Sotto due negri, e sottilissimi archi
Son due negri occhi, anzi due chiari soli,
Pietosi à riguardar, à mover parchi,
Intorno à cui par ch' Amor scherzi, e voli,
E ch' indi tutta la faretra scarchi,

E che visibilmente i cori involi.
Quindi il naso per mezo il viso scende
Che non trova l'invidia ove l'emende.

Sotto quel sta, quasi fra due valette,
La bocca sparsa di natio cinabro,
Quivi due filze son di perle elette,
Che chiude, ed apre un bello e dolce labro;
Quindi escon le cortesi parolette,

Da render molle ogni cor rozo e scabro;
Quivi si forma quel soave riso,

Ch' apre a sua posta in terra il paradiso.

Orlando Furioso, Canto VII. St. 11-15. Die Bildung ihrer „Gestalt war so reizend, als nur künstliche Maler sie dichten können. Gegen ihr blondes, langes, aufgeknüpftes Haar ist kein Gold, das „nicht seinen Glanz verliere Ueber ihre zarten Wangen verbreitete fich die vermischte Farbe der Rosen und der Lilien. Ihre fröhliche Stirn, in die gehörigen Schranken geschlossen, war von glattem „Helfenbein. Unter zwei schwarzen äußerst feinen Bögen glänzen zwei ,,schwarze Augen, oder vielmehr zwei leuchtende Sonnen, die mit "Holdseligkeit um sich blickten und sich langsam drehten. Rings um „sie her schien Amor zu spielen und zu fliegen; von da schien er seinen „ganzen Köcher abzuschießen, und die Herzen sichtbar zu rauben. Weiter „hinab steigt die Nase mitten durch das Gesicht, an welcher selbst der „Neid nichts zu bessern findet. Unter ihr zeigt sich der Mund, wie „zwischen zwei kleinen Thälern, mit seinem eigenthümlichen Zinnober bedeckt; hier stehen zwei Reihen auserlesener Perlen, die eine schöne „sanfte Lippe verschließt und öffnet Hieraus kommen die holdseligen Worte, die jedes rauhe schändliche Herz erweichen; hier wird jenes „liebliche Lächeln gebildet, welches für sich schon ein Paradies auf Erden „eröffnet. Weißer Schnee ist der schöne Hals, und Milch die Brust, der „Hals rund, die Brust voll und breit. Zwei zarte, von Helfenbein „gerundete Kugeln wallen sanft auf und nieder, wie die Wellen am „äußersten Rande des Ufers, wenn ein spielender Zephyr die See bes „streitet." (Die übrigen Theile würde Argus selbst nicht haben sehen können. Doch war leicht zu urtheilen, daß das, was versteckt lag, mit dem, was dem Auge bloß stand, übereinstimme.) „Die Arme zeigen sich in ihrer gehörigen Länge, die weiße Hand etwas länglich, „und schmal in ihrer Breite, durchaus eben, leine Ader tritt über ihre „glatte Fläche Am Ende dieser herrlichen Gestalt sieht man den kleis „nen, trocknen, gerundeten Fuß Die englischen Mienen, die aus dem „Himmel stammen, kann kein Schleier verbergen “ Nach der Ueberseßung des Herrn Meinhardt in dem Versuche über den Charakter und die Werke der besten ital. Dichter. B. II. S. 228.)

Bianca neve è il bel collo, e'l petto latte,
Il collo è tondo, il petto colmo e largo;
Due pome acerbe, e pur d'avorio fatte,
Vengono e van, come onda al primo margo,
Quando piacevole aura il mar combatte.
Non potria l'altre parti veder Argo,
Ben si può giudicar, che corrisponde,

A quel ch' appar di fuor, quel che s'asconde.
Mostran le braccia sua misura giusta,
Et la candida man spesso si vede,
Lunghetta alquanto, e di larghezza angusta,
Dove nè nodo appar, nè vena eccede.
Si vede al fin de la persona augusta
Il breve, asciutto, e ritondetto piede.
Gli angelici sembianti nati in cielo
Non si ponno celar sotto alcun velo.

Milton sagt bei Gelegenheit des Pandämoniums: einige lobten das Werk, andere den Meister des Werks. Das Lob des einen ist also nicht allezeit auch das Lob des andern. Ein Kunstwerk kann allen Beifall verdienen, ohne

daß sich zum Ruhme des Künstlers viel besonders sagen

läßt. Wiederum kann ein Künstler mit Recht unsere Be wunderung verlangen, auch wenn sein Werk uns die völlige Genüge nicht thut. Dieses vergesse man nie, und es wer: den sich öfters ganz widersprechende Urtheile vergleichen lassen. Eben wie hier. Dolce, in seinem Gespräche von der Malerei, läßt den Aretino von den angeführten Stan: zen des Ariost ein außerordentliches Aufheben machen; ' ich hingegen wähle sie als ein Exempel eines Gemäldes ohne Gemälde. Wir haben beide recht. Dolce bewundert darin die Kenntnisse, welche der Dichter von der körperlichen Schönheit zu haben zeigt; ich aber sehe bloß auf die Wirkung, welche diese Kenntnisse, in Worte ausgedrückt, auf meine Einbildungskraft haben können. Dolce schließt aus jenen Kenntnissen, daß gute Dichter nicht minder gute Maler sind; und ich aus dieser Wirkung, daß sich das, was die Maler durch Linien und Farben am besten aus: drücken können, durch Worte gerade am schlechtesten ausdrücken läßt. Dolce empfiehlt die Schilderung des Ariost allen Malern als das vollkommenste Vorbild einer schönen Frau, und ich empfehle es allen Dichtern als die lehr reichste Warnung, was einem Ariost mißlingen müssen, nicht noch unglücklicher zu versuchen. Es mag seyn, daß, wenn Ariost sagt:

Di persona era tanto ben formata

Quanto mai finger san pittori industri,

er die Lehre von den Proportionen, so wie sie nur immer der fleißigste Künstler in der Natur und aus den Antiken

Dialogo della Pittura, intitolato l'Aretino: Firenze 1735. p. 478.) Se vogliono i Pittori senza fatica trovare un perfetto esempio di bella Donna, leggano quelle Stanze dell' Ariosto, nelle quali egli discrive mirabilmente le bellezze della Fata Alcina: e vedranno parimente, quanto i buoni Poeti siano ancora essi Pittori.

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als den vollkommensten Coloristen, als einen Titian zeigen. 2 Man mag daraus, daß er das Haar der Alcina nur mit dem Golde vergleicht, nicht aber güldenes Haar nennt, noch so deutlich schließen, daß er den Gebrauch des wirklichen Goldes in der Farbengebung gemißbilligt. 3 Man mag sogar in seiner herabsteigenden Nase,

Quindi il naso per mezo il viso scende,

das Profil jener alten griechischen, und von griechischen Künstlern auch Römern geliehenen Najen finden. Was nüßt alle diese Gelehrsamkeit und Einsicht unsern Lesern, die wir eine schöne Frau zu sehen glauben wollen, die wir etwas von der sanften Wallung des Geblüts dabei empfin den wollen, die den wirklichen Anblick der Schönheit be gleitet? Wenn der Dichter weiß, aus welchen Verhält niffen eine schöne Gestalt entspringt, wissen wir es darum auch? Und wenn wir es auch wüßten, läßt er uns hier diese Verhältnisse sehen? oder erleichtert er uns auch nur im Geringsten die Mühe, uns ihrer auf eine lebhafte anschauende Art zu erinnern? Eine Stirn, in die gehörigen Schranken geschlossen, la fronte,

Che lo spazio finia con giusta meta;

eine Naje, an welcher selbst der Neid nichts zu bessern findet,

Che non trova l'invidia, ove l'emende;

eine Hand, etwas länglich und schmal in ihrer Breite, Lunghetta alquanto, e di larghezza angusta: was für ein Bild geben diese allgemeine Formeln? In dem Munde eines Zeichenmeisters, der seine Schüler auf die Schönheiten des akademischen Modells aufmerksam machen will, möchten sie noch etwas sagen, denn ein Blick auf dieses Modell, und sie sehen die gehörigen Schranken der fröhlichen Stirne, sie sehen den schönsten Schnitt der Nase, die schmale Breite der niedlichen Hand. Aber bei

(Ibid.) Ecco, che, quanto alla porportione, l'ingeniosissimo Ariosto assegna la migliore, che sappiano formar le mani de' più eccellenti Pittori, usando questa voce industri, per dinotar la diligenza, che conviene al buono artefice.

2 (Ibid. p. 182.) Qui l'Ariosto colorisce, e in questo suo colorire dimostra essere un Titiano.

3 (Ibid. p. 180.) Poteva l'Ariosto nella guisa, che ha detto chioma bionda, dir chioma d'oro: ma gli parve forse; che havrebbe havuto troppo del Poetico. Da che si può ritrar, che'l Pittore dee imitar l'oro, e non metterlo (come fanno i Miniatori) nelle sue Pitture, in modo, che si possa dire, que' capelli non sono d'oro, ma par che risplendano, come l'oro. Was Dolce in dem Nachfolgenden aus dem Athenäus anführt, ift merkwürdig, nur daß es sich nicht völlig so daselbst findet. Ich rede an einem andern Drte davon.

4 (Ibid. p 182) Il naso, che discente giù, havendo peraventura la consideratione a quelle forme de' nasi, che si veg · {ono ne ritratti delle belle Romane antiche,

"

,, erkennen ist. Der Artist muß sich besonders angelegen seyn | ,,lassen, uns den Triumph der Schönheit in den gierigen Bliden und in allen den Aeußerungen einer staunenden Bewunderung auf den Gesichtern dieser falten Greise „empfinden zu lassen. Die Scene ist über einem von den ,,Thoren der Stadt. Die Vertiefung des Gemäldes kann sich in den freien Himmel oder gegen höhere Gebäude ,,der Stadt verlieren; jenes würde kühner lassen, eines „aber ist so schicklich wie das andere."

Man denke sich dieses Gemälde von dem größten Meister unserer Zeit ausgeführt, und stelle es gegen das Werk des Zeuxis. Welches wird den wahren Triumph der Schönheit zeigen? Dieses, wo ich ihn selbst fühle, oder jenes, wo ich ihn aus den Grimaffen gerührter Graubärte schließen foll? Turpe senilis amor; ein gieriger Blick macht das ehrwürdigste Gesicht lächerlich, und ein Greis, der jugend: liche Begierden verräth, ist sogar ein ecler Gegenstand. Den Homerischen Greisen ist dieser Vorwurf nicht zu machen; denn der Affect, den sie empfinden, ist ein augenblicklicher Funke, den ihre Weisheit sogleich erstickt; nur bestimmt, der Helena Ehre zu machen, aber nicht, sie selbst zu schänden. Sie bekennen ihr Gefühl, und fügen sogleich hinzu:

Αλλα και ώς, τοις περ ἐουδ, ἐν νηυσι νεεόθω, Μηδ' ἡμιν τεκεεσσι τ ̓ ἐπιόδω πημα λιποιτο. Ohne diesen Entschluß wären es alte Gecke, wären sie das, was sie in dem Gemälde des Caylus erscheinen. Und worauf richten sie denn da ihre gierigen Blicke? Auf eine vermummte, verschleierte Figur. Das ist Helena? Es ist mir unbegreiflich, wie ihr Caylus hier den Schleier lassen können. Zwar Homer giebt ihr denselben ausdrücklich:

Αντίκα δ' αργεννησι καλύψαμενη οθονη σιν
Ωρματ ̓ ἐκ θαλαμοιο

aber, um über die Straßen damit zu gehen; und wenn auch schon bei ihm die Alten ihre Bewunderung zeigen, noch ehe sie den Schleier wieder abgenommen oder zurück: geworfen zu haben scheint, so war es nicht das erstemal, daß sie die Alten sahen; ihr Bekenntniß durfte also nicht aus dem jezigen augenblicklichen Anschauen entstehen, sondern sie konnten schon oft empfunden haben, was sie zu empfinden bei dieser Gelegenheit nur zum erstenmal be: kannten. In dem Gemälde findet so etwas nicht statt. Wenn ich hier entzückte Alte sehe, so will ich auch zugleich sehen, was sie in Entzücken sezt; und ich werde äußerst be: troffen, wenn ich weiter nichts, als, wie gesagt, eine vermummte, verschleierte Figur wahrnehme, die sie brünstig angaffen. Was hat dieses Ding von der Helena? Ihren weißen Schleier, und etwas von ihrem proportionirten Umrisse, so weit Umriß unter Gewändern sichtbar werden tann. Doch vielleicht war es auch des Grafen Meinung nicht, daß ihr Gesicht verdeckt seyn sollte, und er nennt den Schleier bloß als ein Stück ihres Anzuges. Ist dieses ine Worte sind einer solchen Auslegung zwar nicht wohl

fähig: Hélène couverte d'un voile blanc), so entsteht eine andere Verwunderung bei mir: er empfiehlt dem Artisten so sorgfältig den Ausdruck auf den Gesichtern der Alten; nur über die Schönheit in dem Gesichte der Helena verliert er kein Wort. Diese sittsame Schönheit, im Auge den feuchten Schimmer einer reuenden Thräne, furchtsam sich nähernd Wie? Ist die höchste Schönheit unsern Künstlern so etwas geläufiges, daß sie auch nicht daran erinnert zu werden brauchen? Oder ist Ausdruck mehr als Schönheit? Und sind wir auch in Gemälden schon gewohnt, so wie auf der Bühne, die häßlichste Schauspielerin für eine entzückende Prinzesssin gelten zu lassen, wenn ihr Prinz nur recht warme Liebe gegen sie zu empfinden äußert?

In Wahrheit, das Gemälde des Caylus würde sich gegen das Gemälde des Zeuris wie Pantomime zur erba bensten Poesie verhalten.

Homer ward vor Alters unstreitig fleißiger gelesen, als jezt. Dennoch findet man sogar vieler Gemälde nicht erwähnt, welche die alten Künstler aus ihm gezogen hätten. 1 Nur den Fingerzeig des Dichters auf besondere körperliche Schönheiten scheinen sie fleißig genugt zu haben; diese malten sie, und in diesen Gegenständen, fühlten sie wohl, war es ihnen allein vergönnt, mit dem Dichter wetteifern zu wollen. Außer der Helena hatte Zeuris auch die Pene lope gemalt, und des Apelles Diana war die Homerische in Begleitung ihrer Nymphen. Bei dieser Gelegenheit will ich erinnern, daß die Stelle des Plinius, in welcher von der leztern die Rede ist, einer Verbesserung bedarf. 2

Fabricii Biblioth. Grae. Lib. II. cap. 6. p. 345.

2 Plinius sagt von dem Apelles: (Libr XXXV. sect. 36. p. 698. Edit. Ilard.) Fecit et Dianam sacrificantium virginum choro mixtam: quibus vicisse llomeri versus videtur id ipsum describentis. Nichts kann wahrer, als dieser Lobspruch gewesen seyn. Schöne Nymphen um eine schöne Göttin her, die mit der ganzen majestätischen Stirne über sie hervorragt, sind freilich ein Vorwurf, der der Malerei angemessener ist, als der Poesie. Das sacrificantiuni nur, ist mir höchst verdächtig. Was macht die Göttin unter opfernden Jungfrauen? Und ist dieses die Beschäftigung, die Homer den Gespietinnen der Diana giebt? Mit nichten; sie durchstreifen mit ihr Berge und Wälder, sie jagen, sie spielen, jie tanzen: (Odyss. Z. v. 102-106.) Οιη δ' Αρτεμις εἰσι κατ' ούρεος ἰσχεαιρα

Η κατα Τηύγετον περιμήκετον, η Ερυμανθον
Γερπομένη καπροισι και ώκείης ἐλαφοισι·

Τη δε θ' αμα Νυμφαι, κουραι Διος Αιγιόχοιο,
Αγρονομοι παίζουσι

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Plinius wird also nicht sacrificantium, er wird venantiumi, oder etwas ähnliches geschrieben haben, vielleicht sylvis vagantium. welche Verbesserung die Anzahl der veränderten Buchstaben ungefähr hätte. Dem nailovoi beim Homer würde saltantium am nächsten kommen, und auch Virgil läßt in seiner Nachahmung dieser Stelle die Diana mit ihren Nymphen tanzen: (Aeneid. I. v. 497. 498.)

Qualis in Eurotae ripis, aut per juga Cynthi
Exercet Diana choros

Spence hat hierbei einen seltsamen Einfall. (Polymetis. Dial. VIII. p. 102.) This Diana, fagt er, both in the picture and in the descriptions, was the Diana Venatrix, tho' she was not represented either by Virgil, or Apelles, or Homer, as hunting with her Nymphs; but as employed with them in that sort of dances, which of old were regarded as very solemn acts of devotion. In einer Anmerkung fügt er hinzu: The expression of naceur, used by Homer on this occasion, is scarce proper for hunting:

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