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Stücke. Es sey das Gemälde der Pest, 1 Was erblicken wir auf der Fläche des Künstlers? Todte Leichname, brennende Scheiterhausen, Sterbende mit Gestorbenen beschäftigt, den erzürnten Gott auf einer Wolke, seine Pfeile abdrückend. Der größte Reichthum dieses Gemäldes ist Armuth des Dichters. Denn sollte man den Homer aus diesem Gemälde wieder herstellen, was könnte man ihn sagen lassen? ,,Hierauf ergrimmte Apollo, und schoß seine Pfeile unter „das Heer der Griechen. Viele Griechen starben und ihre ,,Leichname wurden verbrannt.“ Nun lese man den Homer selbst:

Βη δε κατ' οὐλυμποιο καρηνῶν χωόμενος κηρ,
Τοξ ώμοισιν έχων, ἀμφηρεφεα τε φαρέτρην.
Εκλαγξαν δ' ἀρ' οἴςοι ἐπ' ἐμων χωομένοιο,
Αυτου κινηθέντος ὁ δ ̓ ἦτε νυκτι ἐοικως
Εζετ' έπειτ' ἀπανευθε νεων, μετα δ τον έηκε
Δείνη δε κλαγγή γενετ' ἀργυρεοιο βιοιο.

Ουρηας μεν πρωτον ἐπῳχετο, και κυι ας άργους.
Αυταρ έπειτ' αὐτοισι βελος έχεπευκες έφιεις
Βαλλ' αίει δε πυραι νεκυών και οντο θαμειαι.

So weit das Leben über das Gemälde ist, so weit ist der Dichter hier über den Maler. Ergrimmt mit Bogen und Köcher, steigt Apollo von den Zinnen des Olympus. Ich sehe ihn nicht allein herabsteigen, ich höre ihn. Mit jedem Tritte erklingen die Pfeile um die Schultern des Zornigen. Er geht einher, gleich der Nacht. Nun sißt er gegen den Schiffen über, und schnellt — fürchterlich erklingt der silberne Bogen - den ersten Pfeil auf die Maulthiere und Hunde. Sodann faßt er mit dem giftigern Pfeile die Menschen selbst; und überall loderu unaufhörlich Holz: stöße mit Leichnamen. Es ist unmöglich, die musika: lische Malerei, welche die Worte des Dichters mit hören lassen, in eine andere Sprache überzutragen. Es ist eben so unmöglich, sie aus dem materiellen Gemälde zu vermuthen, ob sie schon nur der allerkleinste Vorzug ist, den das poetische Gemälde vor selbigem hat. Der Hauptvorzug ist dieser, daß uns der Dichter zu dem, was das materielle Gemälde aus ihm zeigt, durch eine ganze Gallerie von Gemälden führt.

Aber vielleicht ist die Pest tein vortheilhafter Vorwurf für die Malerei. Hier ist ein anderer, der mehr Reize für das Auge hat. Die rathpflegenden trinkenden Götter. 2 Ein goldener offener Palast, willkürliche Gruppen der schönsten und verehrungswürdigsten Gestalten, den Pocal in der Hand, von Heben, der ewigen Jugend, bedient. Welche Architectur, welche Massen von Licht und Schatten, welche Contraste, welche Mannichfaltigkeit des Ausdrucks! Wo fange ich an, wo höre ich auf, mein Auge zu weiden? Wenn mich der Maler so bezaubert, wie vielmehr wird es der Dichter thun! Ich schlage ihn auf, und ich finde mich betrogen. Ich finde vier gute plane Zeilen, die zur Unterschrift eines Gemäldes

1 Iliad. A. v. 41-53. Tableaux tirés de l'Iliade p. 70.
2 Iliad. l. v. 1-. Tableaux tirés de l'lliade p. 30.

dienen können, in welchen der Stoff zu einem Gemälde liegt, aber die selbst kein Gemälde sind.

Οι δε θεοι παρ Ζηνι καθημενοι ἡγορούντο Χρυσεῳ, ἐν δαπεδα, μετα δε σφισι ποτνια Ήβη Νεκταρ ένοχοεί τοι δε χρυσεοις δεπαεσσι Δειδέχατ' ἀλληλους, Τρωων πολιν εἰσορόωντες. Das würde ein Apollonius, oder ein noch mittelmäßigerer Dichter, nicht schlechter gesagt haben; und Homer bleibt hier eben so weit unter dem Maler, als der Maler dort unter ihm blieb.

Noch dazu findet Caylus in dem ganzen vierten Buche der Ilias sonst kein einziges Gemälde, als nur eben in diesen vier Zeilen. So sehr sich, sagt er, das vierte Buch durch die mannichfaltigen Ermunterungen zum Angriffe, durch die Fruchtbarkeit glänzender und abstechender Charat tere, und durch die Kunst ausnimmt, mit welcher uns der Dichter die Menge, die er in Bewegung seßen will, zeigt: so ist es doch für die Malerei gänzlich unbrauchbar. Er hätte dazu sezen können: so reich es auch sonst an dem ist, was man poetische Gemälde nennt. Denn wahrlich, es kommen derer in dem vierten Buche so häufige und so vollkommene vor, als nur in irgend einem andern. Wo ist ein ausgeführteres, täuschenderes Gemälde, als das vom Pandarus, wie er auf Anreizen der Minerva den Waffenstillstand bricht und seinen Pfeil auf den Menelaus los: drückt? Als das von dem Anrücken des griechischen Hee: res? Als das von dem beiderseitigen Angriffe? Als das von der That des Ulysses, durch die er den Tod seines Leucus rächt?

Was folgt aber hieraus, daß nicht wenige der schönsten Gemälde des Homers keine Gemälde für die Artisten geben? daß der Artist Gemälde aus ihm ziehen kann, wo er selbst keine hat? daß die, welche er hat, und der Artist gebrauchen tann, nur sehr armselige Gemälde seyn würden, wenn sie nicht mehr zeigten, als der Artist zeigt? Was sonst, als die Verneinung meiner obigen Frage? Daß aus den materiellen Gemälden, zu welchen die Gedichte des Homers Stoff geben, wenn ihrer auch noch so viele, wenn sie auch noch so vortrefflich wären, sich dennoch auf das malerische Talent des Dichters nichts schließen läßt.

XIV.

Ist dem aber so, und kann ein Gedicht sehr ergiebig für den Maler, dennoch aber selbst nicht malerisch, hinwiederum ein anderes sehr malerisch, und dennoch nicht ergiebig für den Maler seyn: so ist es auch um den Einfall des Grafen Caylus gethan, welcher die Brauchbarkeit für den Maler zum Probierstein der Dichter machen, und ihre Rangordnung nach der Anzahl der Gemälde, die sie dem Artisten darbieten, bestimmen wollen. 1

1 Tableaux tirés de l'Iliade. Avert. p. V. On est toujours convenu, que plus un Poëme fournissait d'images et d'actions, plus il avait de supériorité en Poésie Cette réflexion m'avait

Fern sey es, diesem Einfalle auch nur durch unser Etillschweigen das Ansehen einer Regel gewinnen zu lassen. Milton würde als das erste unschuldige Opfer derselben fallen. Denn es scheint wirklich, daß das verächtliche Urtheil, welches Caylus über ihn spricht, nicht sowohl Natio nalgeschmack, als eine Folge seiner vermeinten Regel gewesen. Der Verlust des Gesichts, sagt er, mag wohl die größte Aehnlichkeit seyn, die Milton mit dem Homer gehabt hat. Freilich kann Milton keine Galerien füllen. Aber müßte, so lange ich das leibliche Auge hätte, die Sphäre desselben auch die Sphäre meines innern Auges seyn, so würde ich, um von dieser Einschränkung frei zu werden, einen großen Werth auf den Verlust des erstern legen.

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Das verlorene Paradies ist darum nicht weniger die erste Epopee nach dem Homer, weil es wenig Gemälde liefert, als die Leidensgeschichte Christi deßwegen ein Poem ist, weil man kaum den Kopf einer Nadel in sie seßen kann, ohne auf eine Stelle zu treffen, die nicht eine Menge der größten Artisten beschäftigt hätte. Die Evangelisten erzählen das Factum mit aller möglichen trođenen Einfalt, und der Artist nußt die mannichfaltigen Theile desselben, ohne daß sie ihrer Seits den geringsten Funken von male: rischem Genie dabei gezeigt haben. Es giebt malbare und unmalbare Facta, und der Geschichtschreiber kann die malbarsten eben so unmalerisch erzählen, als der Dichter die unmalbarsten malerisch darzustellen vermögend ist.

Man läßt sich bloß von der Zweideutigkeit des Wortes verführen, wenn man die Sache anders nimmt. Ein poetisches Gemälde ist nicht nothwendig das, was in ein materielles Gemälde zu verwandeln ist; sondern jeder Zug, jede Verbindung mehrerer Züge, durch die uns der Dichter seinen Gegenstand so sinnlich macht, daß wir uns dieses Gegenstandes deutlicher bewußt werden als seiner Worte, heißt malerisch, heißt ein Gemälde, weil es uns dem Grade der Illusion näher bringt, dessen das materielle Gemälde besonders fähig ist, der sich von dem materiellen Gemälde am ersten und leichtesten abstrahiren lassen.

conduit à penser que le calcul des différens Tableaux, qu'offrent les Poëmes, pouvait servir à comparer le mérite respectif des Poëmes et des Poëtes. Le nombre et le genre des Tableaux que présentent ces grands ouvrages, auraient été une espèce de pierre de touche, ou plutôt une balance certaine du mérite de ces Poëmes et du génie de leurs Auteurs.

1 Was wir poetische Gemälde nennen, nannten die Alten Phantajien, wie man sich aus dem Longin erinnern wird. Und was wir die Juusion, das Täuschende dieser Gemälde heißen, hieß bei ihnen die Enargie. Daher hatte einer, wie Plutarchus meldet, (Erot. T. II. Edit. Hleur. Steph. p. 4351.) gesagt: die poetischen Phantasien wären, wegen ihrer Enargie, Träume der Bachenden: Ai noujtiκαι φαντασίαι δια την ενάργειαν ἐγρηγορότων ἐνυπνια εἰσιν. Ich wünschte sehr, die neuern Lehrbücher der Dichtkunst hätten sich dieser Benennung bedienen, und des Worts Gemälde gänzlich ents balten wollen. Sie würden uns eine Menge halbwahrer Regeln ersvart baben, deren vornehmster Grund die Uebereinstimmung eines willkürlichen Namens ist. Poetische Phantasien würde kein Mensch jo leicht den Schranken eines materiellen Gemäldes unterworfen haben; aber sobald man die Phantasien poetische Gemälde nannte, so war der Grund zur Verführung gelegt.

Lessing, Werke. II.

XV.

Nun kann der Dichter zu diesem Grade der Illusion, wie die Erfahrung zeigt, auch die Vorstellungen anderer, als sichtbarer Gegenstände erheben. Folglich müssen noth wendig dem Artisten ganze Klassen von Gemälden abgeben, die der Dichter vor ihm voraus hat. Drydens Ode auf den Cäcilienstag ist voller musikalischen Gemälde, die den Pinsel müßig lassen. Doch ich will mich in dergleichen Exempel nicht verlieren, aus welchen man am Ende doch wohl nicht viel mehr lernt, als daß die Farben keine Töne, und die Ohren keine Augen sind.

Ich will bei den Gemälden bloß sichtbarer Gegenstände stehen bleiben, die dem Dichter und Maler gemein sind. Woran liegt es, daß manche poetische Gemälde von dieser Art für den Maler unbrauchbar sind, und hinwiederum manche eigentliche Gemälde unter der Behandlung des Dichters den größten Theil ihrer Wirkung verlieren?

Exempel mögen mich leiten. Ich wiederhole es: das Gemälde des Pandarus im vierten Buche der Zlias ist eines von den ausgeführtesten, täuschendsten im ganzen Homer. Von dem Ergreifen des Bogens bis zu dem Fluge des Pfeiles ist jeder Augenblick gemalt, und alle diese Augenblicke sind so nahe und doch so unterschieden angenommen, daß, wenn man nicht wüßte, wie mit dem Bogen umzugehen wäre, man es aus diesem Gemälde allein lernen könnte. 1 Pandarus zieht seinen Bogen hervor, legt die Senne an, öffnet den Köcher, wählt einen noch ungebrauchs ten wohlbefiederten Pfeil, sezt den Pfeil an die Senne, zieht die Senne mit sammt dem Pfeile unten an dem Einschnitte zurück, die Senne naht sich der Bruft, die eiserne Spiße des Pfeiles dem Bogen, der große geründete Bogen schlägt tönend auseinander, die Senne schwirrt, ab sprang der Pfeil, und gierig fliegt er nach seinem Ziele.

Uebersehen kann Caylus dieses vortreffliche Gemälde nicht haben. Was fand er also darin, warum er es für unfähig achtete, seinen Artisten zu beschäftigen? Und was war es, warum ihm die Versammlung der rathpflegenden zechenden Götter zu dieser Absicht tauglicher dünkte? Hier sowohl als dort sind sichtbare Vorwürfe, und was braucht der Maler mehr, als sichtbare Vorwürfe, um seine Fläche zu füllen?

Der Knoten muß dieser seyn. Obschon heide Vorwürfe, als sichtbar, der eigentlichen Malerei gleich fähig sind: so

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findet sich doch dieser wesentliche Unterschied unter ihnen, daß jener eine sichtbare fortschreitende Handlung ist, deren verschiedene Theile sich nach und nach, in der Folge der Zeit, ereignen, dieser hingegen eine sichtbare stehende Handlung, deren verschiedene Theile sich neben einander im Raume entwickeln. Wenn nun aber die Malerei, vermöge ihrer Zeichen oder der Mittel ihrer Nachahmung, die sie nur im Raume verbinden kann, der Zeit gänzlich entsagen muß: so können fortschreitende Handlungen, als fortschreitend, unter ihre Gegenstände nicht gehören, sondern sie muß sich mit Handlungen neben einander, oder mit bloßen Körpern, die durch ihre Stellungen eine Handlung vermuthen lassen, begnügen. Die Poesie hingegen

XVI.

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Nachahmungen nur eine einzige Eigenschaft der Körper nußen, und muß daher diejenige wählen, welche das sinnlichste Bild des Körpers von der Seite erweckt, von welcher sie ihn braucht.

Hieraus fließt die Regel von der Einheit der malerischen Beiwörter und der Sparsamkeit in den Schilderungen körperlicher Gegenstände.

Ich würde in diese trockene Schlußkette weniger Ver: trauen sezen, wenn ich sie nicht durch die Praxis des Homers vollkommen bestätigt fände, oder wenn es nicht vielmehr die Praxis des Homers selbst wäre, die mich darauf gebracht hätte. Nur aus diesen Grundsäßen läßt sich die große Manier des Griechen bestimmen und erklären, so wie der entgegengesezten Manier so vieler neuern Dichter ihr Recht ertheilen, die in einem Stücke mit dem Maler

Doch ich will versuchen die Sache aus ihren ersten wetteifern wollen, in welchem sie nothwendig von ihm überGründen herzuleiten. wunden werden müssen.

Ich schließe so. Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren Nachahmungen ganz andere Mittel oder Zeichen gebraucht als die Poesie; jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume, diese aber artikulirte Töne in der Zeit; wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes Verhältniß zu dem Bezeichneten haben müssen: so können neben einander geordnete Zeichen, auch nur Gegenstände, die neben einan der, oder deren Theile neben einander existiren, auf einander folgende Zeichen aber auch nur Gegenstände ausdrücken, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen.

Gegenstände, die neben einander oder deren Theile nehen einander existiren, heißen Körper. Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften die eigentlichen Gegenstände der Malerei.

Gegenstände, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen, heißen überhaupt Handlungen. Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie.

Doch alle Körper existiren nicht allein in dem Raume, sondern auch in der Zeit. Sie dauern fort, und können in jedem Augenblicke ihrer Dauer anders erscheinen und in anderer Verbindung stehen. Jede dieser augenblicklichen Erscheinungen und Verbindungen ist die Wirkung einer vorhergehenden, und kann die Ursache einer folgenden, und sonach gleichsam das Centrum einer Handlung seyn. Folg: lich kann die Malerei auch Handlungen nachahmen, aber nur andeutungsweise durch Körper.

Auf der andern Seite können Handlungen nicht für sich selbst bestehen, sondern müssen gewissen Wesen anhängen. In so fern nun diese Wesen Körper sind, oder als Körper betrachtet werden, schildert die Poesie auch Körper, aber nur andeutungsweise durch Handlungen.

Ich finde, Homer malt nichts als fortschreitende Handlungen, und alle Körper, alle einzelne Dinge malt er nur durch ihren Antheil an diesen Handlungen, gemeiniglich nur mit Einem Zuge. Was Wunder also, daß der Maler, da wo Homer malt, wenig oder nichts für sich zu thun sieht, und daß seine Ernte nur da ist, wo die Geschichte eine Menge schöner Körper, in schönen Stellungen, in einem der Kunst vortheilhaften Raume zusammenbringt, der Dichter selbst mag diese Körper, diese Stellungen, diesen Raum so wenig malen, als er will? Man gehe die ganze Folge der Gemälde, wie sie Caylus aus ihm vorschlägt, Etück vor Stück durch, und man wird in jedem den Beweis von dieser Anmerkung finden.

Ich lasse also hier den Grafen, der den Farbenstein des Malers zum Probierstein des Dichters machen will, um die Manier des Homers näher zu erklären.

Für Ein Ding, sage ich, hat Homer gemeiniglich nur Einen Zug. Ein Schiff ist ihm bald das schwarze Schiff, bald das hohle Schiff, bald das schnelle Schiff, höchstens das wohlberuderte schwarze Schiff. Weiter läßt er sich in die Malerei des Schiffes nicht ein. Aber wohl das Schiffen, das Abfahren, das Anlanden des Schiffes, macht er zu einem ausführlichen Gemälde, zu einem Gemälde, aus welchem der Maler fünf, sechs besondere Gemälde machen müßte, wenn er es ganz auf seine Leinwand bringen wollte.

Zwingen den Homer ja besondere Umstände, unsern Blick auf einen einzelnen körperlichen Gegenstand länger zu heften: so wird dem ungeachtet kein Gemälde daraus, dem der Maler mit dem Pinsel folgen könnte; sondern er weiß durch unzählige Kunstgriffe diesen einzelnen Gegenstand in eine Folge von Augenblicken zu seßen, in deren jedem er anders erscheint, und in deren leztem ihn der Maler erwarten muß, um uns entstanden zu zeigen, was wir bei dem Dichter entstehen sehen. Z. E. Will Homer uns den Wagen der Juno sehen lassen, so muß ihn Hebe vor unfern

Die Malerei kann in ihren coexistirenden Compositio: nen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nußen, und muß daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird. Eben so kann auch die Poesie in ihren fortschreitenden | Augen Stück vor Stück zusammenseßen. Wir sehen die

Råder, die Achsen, den Siß, die Deichsel und Riemen und Stränge, nicht sowohl wie es beisammen ist, als wie es unter den Händen der Hebe zusammen kömmt. Auf die Räder allein verwendet der Dichter mehr als einen Zug, und weist uns die ehernen acht Speichen, die goldenen Felgen, die Schienen von Erz, die silberne Nabe, alles insbesondere. Man sollte sagen, da der Räder mehr als eines war, so mußte in der Beschreibung eben so viel Zeit mehr auf sie gehen, als ihre besondere Anlegung deren in der Natur selbst mehr erforderte. 1

Ήβη δ' ἀπὸ ὀχεεσσι θεως βαλε καμπύλα κύλλα,
Χαλκέα όκτακνημα, σιδηρες άξονα ἀμφις
Των ήτοι χρυσεη ίτυς άφθιτος, αὐταρ ύπερθεν
Χαλκὲ ἐπισσωτρα, προσαρηρότα, θαῦμα ἐδεθαι
Πλημναι δ' ἀργυρου εἰσι περίδρομοι ἀμφοτερωθεν
Δίφρος δε χρυσειοσι καὶ ἀργυρεοισιν ἱμασιν
Εντεταται δοιαι δε περίδρομοι αντιγες εἰσι·
Του δ' ἐξ ἀργύρεος ρυμος πελεν αὐταρ ἐπ' ἀκρο
Δησε χρυσειον καλον ζυγον, ἐν δε λέπαδνα
Καλ' έβαλε, χρυσεια.

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Μαλακον δ' ενδυνε χιτώνα,

Καλον, νηγάτεον, περὶ δ ̓ αὖ μεγα βαλλετο φάρος. Ποσσι δ' ύπαι λιπαροισιν ἐδήσατο καλα πεδιλα. Αμφι δ' ἀρ ώμοισιν βάλετο ξίφος ἀργυρόηλον, Είλετο δε σκηπτρον πατρώϊον, αφθιτον αίει. Und wenn wir von diesem Scepter, welches hier bloß das väterliche, unvergängliche Scepter heißt, so wie ein ähn❘ lides ihm an einem anbern Orte bloß χρυσείοις ήλοισι rezaguɛvov, das mit goldenen Stiften beschlagene Scepter ist, wenn wir, sage ich, von diesem wichtigen Ecepter ein vollständigeres, genaueres Bild haben sollen, was thut sodann Homer? Malt er uns außer den goldnen Nägeln nun auch das Holz, den geschnitten Knopf? Ja, wenn die Beschreibung in eine Heraldik sollte, damit einmal in den folgenden Zeiten ein anderes genau darnach gemacht werden könne. Und doch bin ich gewiß, daß mancher neuere Dichter eine solche Wappenkönigsbeschreibung daraus würde gemacht haben, in der treuberzigen Meinung, daß er wirk lich selber gemalt habe, weil der Maler ihm nachmalen tann. Was bekümmert sich aber Homer, wie weit er den Maler hinter sich läßt? Statt einer Abbildung giebt er uns die Geschichte des Scepters: erst ist es unter der Arbeit

1 Iliad. E. v. 722-731.

2 Hliad. B. v. 43-47.

des Vulkans; nun glänzt es in den Händen des Jupiters; nun bemerkt es die Würde Merkurs; nun ist es der Commandostab des kriegerischen Pelops; nun der Hirtenstab des friedlichen Atreus, u. s. w.

1

Σκήπτρον έχων το μεν Ηφαιςος και τευχων Ηφαιςος μεν δωκε Διῖ Κρονίωνι ἀνακτι Αυταρ άρα Ζεις δωκε διακτορα Αργειφόντη. Ερμειας δε άναξ δωκεν Πελοπι πληξιππῳ. Αυταρ ό αύτε Πελοψ δων Ατρεϊ, ποιμένι λαών. Ατρευς δε θνησκων έλιπε πολυαρνι Θιεζή. Αυταρ ὁ αὐτε Θυες Αγαμεμνονι λειπε φορήναι, Πολλησι νήσοισι και Αργεῖ παντι ἀνασσειν. So kenne ich endlich dieses Scepter besser, als mir es der Maler vor Augen legen, oder ein zweiter Vulkan in die Hände liefern könnte. Es würde mich nicht befremden, wenn ich fände, daß einer von den alten Auslegern des Homers diese Stelle als die vollkommenste Allegorie von dem Ursprunge, dem Fortgange, der Befestigung und endlichen Beerbfolgung der königlichen Gewalt unter den Menschen bewundert hätte. Ich würde zwar lächeln, wenn ich läse, daß Vulkan, welcher das Ecepter gearbeitet, als das Feuer, als das, was dem Menschen zu seiner Erhaltung das unentbehrlichste ist, die Abstellung der Bedürfnisse überhaupt anzeige, welche die ersten Menschen, sich einem einzigen zu unterwerfen, bewogen; daß der erste König ein Sohn der Zeit (Zɛvg Koovir), ein ehrwürdiger Alte ge= wesen sey, welcher seine Macht mit einem beredten klugen Manne, mit einem Merkur (Aianropp Agyeipover) theilen, oder gänzlich auf ihn übertragen wollen; daß der kluge Redner zur Zeit, als der junge Staat von auswärtigen Feinden bedroht worden, seine oberste Gewalt dem tapfersten Krieger (Islaı adığıaç) überlassen habe; daß der tapfere Krieger, nachdem er die Feinde gedämpft und das Reich gesichert, es seinem Sohne in die Hände spielen können, welcher als ein friedliebender Regent, als ein wohlthätiger Hirte seiner Völker (ony dawy), sie mit Wohlleben und Ueberfluß bekannt gemacht habe, wodurch nach seinem Tode dem reichsten seiner Anverwandten (odvagni Oves) der Weg gebahnt worden, das was bisher das Vertrauen ertheilt, und das Verdienst mehr für eine Bürde als Würde gehalten hatte, durch Geschenke und Bestechungen an sich zu bringen, und es hernach als ein gleichsam erkauftes Gut seiner Familie auf immer zu versichern. Ich würde lächeln, ich würde aber dem ungeachtet in meiner Achtung für den Dichter bestärkt werden, dem man so vieles leihen kann. Doch dieses liegt außer meinem Wege, und ich betrachte jezt die Geschichte des Scepters bloß als einen Kunstgriff, uns bei einem einzelnen Dinge verweilen zu machen, ohne sich in die frostige Beschreibung seiner Theile einzulassen. Auch wenn Achilles bei seinem Scepter schwört, die Geringschäßung, mit welcher ihm Agamemnon begegnet, zu rächen, giebt uns Homer die

Iliad. B. v. 101-108.

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Dem Homer war nicht sowohl daran gelegen, zwei Stäbe von verschiedener Materie und Figur zu schildern, als uns von der Verschiedenheit der Macht, deren Zeichen diese Stäbe waren, ein sinnliches Bild zu machen. Jener, ein Werk des Vulkans; dieser, von einer unbekannten Hand❘ auf den Bergen geschnitten; jener der alte Besiß eines edeln Hauses; dieser bestimmt, die erste die beste Faust zu füllen; jener, von einem Monarchen über viele Inseln und über ganz Argos erstreckt; dieser von einem aus dem Mittel der Griechen geführt, dem man nebst andern die Bewahrung der Geseze anvertraut hatte. Dieses war wirklich der Ab: stand, in welchem sich Agamemnon und Achill von einander befanden; ein Abstand, den Achill selbst, bei allem seinem blinden Zorne, einzugestehen nicht umhin konnte.

Doch nicht bloß da, wo Homer mit seinen Beschreibungen dergleichen weitere Absichten verbindet, sondern auch da, wo es ihm um das bloße Bild zu thun ist, wird er dieses Bild in eine Art von Geschichte des Gegenstandes verstreuen, um die Theile desselben, die wir in der Natur neben einander sehen, in seinem Gemälde eben so natürlich auf einander folgen und mit dem Flusse der Rede gleichsam Schritt halten zu lassen. Z. E. Er will uns den Bogen des Pandarus malen; einen Bogen von Horn, von der und der Länge, wohl polirt und an beiden Spizen mit Goldblech beschlagen. Was thut er? Zählt er uns alle diese Eigenschaften so trocken eine nach der andern vor? Mit nichten; das würde einen solchen Bogen angeben, vorschreiben, aber nicht malen heißen. Er fängt mit der Jagd des Steinbockes an, aus dessen Hörnern der Bogen gemacht worden; Pandarus hatte ihm in den Felsen aufgepaßt und ihn erlegt; die Hörner waren von außerordentlicher Größe, deßwegen bestimmte er sie zu einem Bogen; sie kommen in die Arbeit, der Künstler verbindet sie, polirt sie, beschlägt sie. Und so, wie gesagt, sehen wir bei dem Dichter entstehen, was wir bei dem Maler nicht anders als entstanden jehen können. 2

Τόξον εύξοον, ἐξαλου αίγος

Αγριου, όν ρα ποτ' αὐτος, ύπο ξερνοιο τυχησας,
Πετρης έκβαίνοντα δεδεγμενος ἐν προδοκήσι
Βεβλήκει προς ζήθος· ὁ δ' ύπτιος έμπεσε πετρῃ·

Iliad. A. v. 234-239. a Iliad. 4 v. 105-111.

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Τον κέρα ἐκ κεφαλης έκκαιδεκάδωρα πεφυκει
Και τα μεν άσκησας κεραοξους ἠραρε τεκτων,
Παν δ ̓ ἐν λειηνας, χρυόεην ἐπεθηκε κορώνην.

Ich würde nicht fertig werden, wenn ich alle Exempel dieser Art ausschreiben wollte. Sie werden jedem, der seinen Homer inne hat, in Menge beifallen.

XVII.

Aber, wird man einwenden, die Zeichen der Poesie sind nicht bloß auf einander folgend, sie sind auch willkürlich; und als willkürliche Zeichen sind sie allerdings fähig, Körper, so wie sie im Raume existiren, auszudrücken. In dem Homer selbst finden sich hiervon Exempel, an dessen Schild des Achilles man sich nur erinnern dürfe, um das entscheidendste Beispiel zu haben, wie weitläufig und doch poetisch man ein einzelnes Ding nach seinen Theilen neben einander schildern könne.

Ich will auf diesen doppelten Einwurf antworten. Ich nenne ihn doppelt, weil ein richtiger Schluß auch ohne Exempel gelten muß, und gegentheils das Exempel des Homers bei mir von Wichtigkeit ist, auch wenn ich es noch durch keinen Schluß zu rechtfertigen weiß.

Es ist wahr, da die Zeichen der Rede willkürlich sind, so ist es gar wohl möglich, daß man durch sie die Theile eines Körpers eben so wohl auf einander folgen lassen kann, als sie in der Natur neben einander befindlich sind. Allein dieses ist eine Eigenschaft der Rede und ihrer Zeichen über: haupt, nicht aber in so ferne sie der Absicht der Poesie am bequemsten sind. Der Poet will nicht bloß verständlich werden, seine Vorstellungen sollen nicht bloß klar und deutlich | seyn; hiermit begnügt sich der Profaist. Sondern er will die Ideen, die er in uns erweckt, so lebhaft machen, daß wir in der Geschwindigkeit die wahren sinnlichen Eindrücke ihrer Gegenstände zu empfinden glauben, und in diesem Augenblicke der Täuschung uns der Mittel, die er dazu anwendet, seiner Worte bewußt zu seyn aufhören. Hierauf lief oben die Erklärung des poetischen Gemäldes hinaus. Aber der Dichter soll immer malen; und nun wollen wir sehen, in wie ferne Körper nach ihren Theilen neben einander sich zu dieser Malerei schicken.

Wie gelangen wir zu der deutlichen Vorstellung eines Dinges im Raume? Erst betrachten wir die Theile des selben einzeln, hierauf die Verbindung dieser Theile, und endlich das Ganze. Unsere Sinne verrichten diese verschiedenen Operationen mit einer so erstaunlichen Schnelligkeit, daß sie uns nur eine einzige zu seyn bedünken, und diese Schnellig feit ist unumgänglich nothwendig, wenn wir einen Begriff von dem Ganzen, welcher nichts mehr als das Resultat von den Begriffen der Theile und ihrer Verbindung ist, be kommen sollen. Gesezt nun also auch, der Dichter führe uns in der schönsten Ordnung von einem Theile des Gegenstandes zu dem andern; geseßt, er wisse uns die Verbindung dieser Theile auch noch so klar zu machen: wie viel

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