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Prades, Martin de, ein geflüchteter Französischer Abt, Prålat

Archidiacre zu Oppeln und Canonicus zu Breslau. Er fieng sein Studieren zu Montauban an, wo er geboren war, und vollendete es zu Paris. In Hoffnung sein Glück zu machen, trat er in den geistlichen Stand, zuerst in dem Seminarium zu St. Sulpice, hernach zu St. Nicolaus und der guten Kinder, (des bons Enfans). Es ist Sprache der Feinde, wenn es heißt: Alle, die ihn in diesen Häusern gekannt ,,haben, wissen, daß man ihn weder für einen großen, noch für einen ,,kleinen Geift hielt. Man muß eben so sehr gegen seine Bewunderer, ,,ais gegen seine Verächter und Feinde auf der Hut seyn. Die Einen ,,halten ihn für den Adler der Gottesgelahrheit, und die Andern trauen ihm nicht einmahl eines vernünftigen Schluß zu, oder daß er zwey lateinische Worte habe sagen können, ohne in die Barbarey gewisser Jahrhunderte zu gerathen. Das Mittelmäßige scheint den eigens thümlichen Character des Abts de Prades auszumachen, so, daß ,,er nicht bestimmt war, eine große Rolle zu spielen. Der Zufall hat ,,ihn bloß hervor gezogen, und man würde nie von ihm gesprochen ,,haben, wenn er nicht den Titel eines Encyclopädisten, und die Gnade ,,eines großen Prinzen gehabt hätte."

Er gieng alle gewöhnliche Uebungen der Schule durch. Am 23. Nov. 1745. legte er seine Probe in der Sorbonne ab, welches er › am 27. Jul. 1750 noch einmal that. Niemand merkte ben beyden . Gelegenheiten einen unruhigen und kühnen Geist an ihm; aber er åns derte sich nach der Zeit gar sehr. Man will ihn in der Zwischenzeit seiner beyden Disputationen, bisweilen Gespräche haben führen hören, deren Bedeutung man nicht eher, als lange darnach, eingesehen hat. Eroll gesagt haben, daß er sich bey der Erlangung der Licentiats würde gewiß hervor thun wolle; daß alle andere Baccalauren weit hinter ihm bleiben sollten, und daß Keiner von ihnen eine solche Dispus tation vertheidigen würde, als er, die in Ansehung der Materie, der füh nen Sähe und der prächtigen Schreibart einen großen Vorzug haben follte.

Die erwünschte Zeit kam endlich herbey. Er hielt seine Disputas tion am 18. Nov. 1751, welche nach der gewöhnlichen Art genehmigt und unterschrieben war. Man hört ihn, man giebt ihm Beyfall, man greift ihn an, man sucht zu verschiedenen mahlen seine Meynung zu verdrehen; er aber vertheidigte sich fiets mit Nachdruck. Triumph des Abts schien gewiß zu seyn, als ein dickblutiger Doctor

Der

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ihn über den Artikel der Wunderwerke angreift; und zuruft: Ich pertheidige nicht meine Sache, sondern die Sache Jesu Chrifti.

Die Miene, der Ton, die Gebården, die Vernunftschlüsse des Doctors öffneten Allen, die zugegen waren, die Augen. Verschiedene Baccalaurei hatten ihm Dinge wider die Religion in seiner Disputation zeigen wollen; Niemand aber bildete sich ein, daß sich wirklich dergleichen darin fan: den. Der Doctor schrie so heftig, daß man beynahe glaubte, er möchte Recht haben. Man las, und las die Disputation noch einmagt, und Einige fanden lauter abscheuliche Irthümer darin; da hin gegen Andere dergl. gar nicht fanden. Die Versammlung fieng an fich zu veruneinigen, und ganz Paris ward voll davon. Die Sor: bonne, welche dabey ins Gedränge kam, versammelte sich, und steate Berathschlagungen an. Das Pariement, das über diesen Streit in Bewegung gerath, will sich von der Sache unterrichten lassen, und läßt den Syndicus der Sorbonne (der theolog. Facultát zu Paris) rufen.

Dieser Mann, wenn er sich nicht eine strafbare Nachsicht vorzu werfen hatte, war doch wenigstens einer Nachläßigkeit zu beschuldigen. Er erschien am 22. December 1751 im Parlement, um von seinem Verfahren Rede und Antwort zu geben. Noch da er von dem Verhör zurück kam, und in dem Fiscalzimmer war, setzte er seine Vertheidigung auf.

Es ward hierauf beschlossen, daß die Sache an den Hof berichtet werden sollte. Da die Sorbonne sahe, daß das Parlement so eifrig in der Sache war, säumte sie auch nicht. Sie legte ihre andern Strei tigkeiten indeß auf die Seite, und verdammte am 27. Januar 1752 die Disputation und ihren Verfasser.

Zehn Säße aus dieser sonderbaren Disputation wurden besonders der Censur unterworfen. Diese Säße betrafen das Wesen der Seele, die Begriffe des Guten und Bösen, den Ursprung der Gesellschaft und des natürlichen Gesetzes, die geoffenbarte Religion, die Kennzeichen einer wahren Offenbarung, die Gewißheit historischer Begebenheiten, die Chronologie, die Mosaische Staatsverfassung, die Natur der Wunderwerke, die Vergleichung des Aesculaps mit Jesu Christo, und endlich das Ansehen der Kirchenväter. Diese Sätze wurden alle ver worfen, worüber sich der Abt de Prades sehr verwunderte; es war dieses aber nicht die einzige Strafe, die er leiden mußte.

Die Sorbonne strich ihn aus dem Verzeichniße der Baccalaureen aus, und verfuhr hernach gegen die drey Doktoren, die seine Disputation unterschrieben hätten, nämlich den Syndicus, den Eraminator und den Präses. Ihre Unterschrift wurde nicht entschuldigt, ob sie gleich alle drey wiederrufen und die Disputation verworfen hatten. Sie mochten, sagte man, aus Uebereilung, oder mit vorbedachtem Rathe unterschrieben haben, so war doch das Aergerniß im gemeinen Wesen einerley. Man dachte nun auf eine ihrem Versehen gemäße Strafe. Der Syndicus Dügart kam dem Urtheile der Sorbonne zu indem er sein Amt niederlegte. Die beyden andern Delangle und Hodt, erwarteten den Ausspruch, und wurden mit vielem Bedauren ihrer Mitbrüder vor der ganzen Versammlung beschimpft. Der

vor,

Profeffor Hock verlor nach der Zeit seinen Lehrstuhl, aber bloß auf Anstiften des Cardinals de Tenzin.

So langsam die Sorbonne gewesen war, den Abt de Prades zu verdammen, so geschwind war sie, die Censur der Disputation bes kannt zu machen. Der abgegangene Syndicus schickte selbst ein Eremplar davon an den König in Pohlen. Dieser tugendhafte Mons arch beehrte ihn mit dieser Antwort:

,,Mein Herr,

Ich kannte die theologische Facultät zu Paris, und ihren Eifer, die Reinigkeit des Glaubens und der Sittenlehre zu erhalten, zu gut, als daß ich die Censur nicht hätte erwarten sollen, die Sie mir mits theilen, und die sie wider die Disputation eines ihrer Baccalaureen hat ergehen lassen. Ich kann Ihnen die Freude nicht genug zeigen, die ich gehabt habe, als ich, mit meinen Augen das sahe, was ich gewiß glaubte, daß es geschehen würde. Ihre Gefälligkeit, mir dieses Gedruckte zuzuschicken, vermehrt die Hochachtung, die ich für Sie habe. Sie haben an dieser Hochachtung allen Antheil, den Sie verdienen, und ich bin mit vieler Aufrichtigkeit Ihr 2. Stanislaus, König. Luneville den 7. Febr. 1752.

Die Facultat zu Cann schrieb gesellschaftlich an die zu Paris, um ihr wegen ihres Eifers für die Religion Glück zu wünschen. Nie ist ein Lobspruch so sehr mit sonderbaren und gesuchten Ausdrücken angefüllt gewesen. De Prades gerieth über alle diese sciner Censur ertheilten Lobsprüche in Verzweifelung.

Da er aus der Sorbonne gestoßen war, so ward er nun auch von verschiedenen Prälaten verfolgt. Der Erzbischof zu Paris entz zicht ihm seine Gerechtsame, trägt seinem Promotor auf, ihn zu verz folgen, und erfüllt die ganze Stadt mit dem Namen des Baccalaurei, und den gottlosen in seiner Disputation enthaltenen Säßen. Der Bischof zu Montauban, in dessen Kirchspiel er gehörte, widerruft das ihm gegebene Exeat, vergießt Thränen über dieses Kind des Verderbers, und befiehlt ihm, in ein Seminarium zu gehen. Der Bischof zu Aurerre widerlegt in einem sehr langen Pastoralschreiben alles, was der Baccalaureus gesagt hatte oder hätte jagen wollen. Das Parlement tritt auch wieder auf, und giebt den Befehl zu ges fänglicher Einziehung wieder ihn. Der Abt de Prades sieht sich überall verurtheilt; er hålt sich aber deßwegen nicht für strafbar.

Er ruft Himmel, Freunde, Lehrer, und Alle, die ihn hören wollen, zu Zeugen seiner Unschuld an.. Er schreibt Briefe über Briefe, bald an den Referendar der Sorbonne, Tamponet, bald an den Bischof zu Mirepoir, bald an den Erzbischof zu Paris. Man greift mich wegen meines Glaubens an, schreibt er an den Leßtern ganz troßig; ich vertheidige mich damit, daß ich mich weisen lasse, und fordere meine Gegner heraus, daß sie auch meine Sitten angreifen. Aber alle diese Briefe rechtfertigten ihn nicht. Man sprach von ihm nicht anders, als von einem Ungeheuer, davon man die Erde befreyen müßte. Man stoße ihn hinaus, und übergebe ihn dem Schwerte

der bürgerlichen Geseße*), rief einer vor diesen barmherzigen Docto ren in einer Versammlung der Facultât aus.

Die Gemüther waren dergestalt in Bewegung, daß folgender Kupferstich zum Vorschein kam: Jerusalem war in der Ferne vorge stellt, und am äußersten Horizonte sahe man den Berg Golgatha, auf demselben stand eine Saule, und auf dieser das Bild der Wahrs heit; zu den Füßen stand der Erzbischof zu Paris, und wandte sich an dieselbe. Vorwärts war die Religion, auf die Bundeslade gestüßt, vorgestellt, wie sie den König ausahe, der einen Drachen, das Zeichen der Gottlosigkeit, unter die Füße trat. Man las darüber die Worte: Ludwig, Erhalter und Rächer des Glaubens **).

Mitten unter diesen Stürmen, die sich auf allen Seiten wider den Baccalaureus erhoben, sahe er sich nach einem sichern Aufent halte um. Und damit man ihm diesen nicht abschneiden möchte, nahm er eine Verkleidung zu Hülfe. Durch dieses Mittel erreichte er eine von den abendländischen Provinzen, gieng weiter nach Holland, und von da nach Preussen, wo ihn der Monarch sehr gnädig aufnahm. Der Larm, den er in Frankreich gemacht hatte, diente ihm zu einer nachdrücklicheru Empfehlung, als alle Briefe, die er mitbrachte. Die Franzosen, die in Berlin etwas vermochten, nahmen sich seiner an. ́, Ěs glückte ihm endlich, daß er die Gnade des Königs gewann, und an die Stelle des la Mettrie zu seinem Lector bestellt wurde, ob er gleich nicht an seiner Tafel zu speisen die Ehre hatte.

Man erhielt in Frankreich bald die Nachricht von dem Glück des Herwegenen Baccalaureus. Die Encyclopädisten freuten sich unge mein. Eines ihrer Häupter sagte damahls: Ich will im Namen der französischen Philosophen an die preussischen Philosophen schreiben, um ihnen für die gute Aufnahme des neuen Proselyten zu danken.

So war de Prades vor den Nachstellungen seiner Feinde gebor gen: aber daran hatte er nicht genug. Er lag unter dem Fluch der Kirche, die reiche Pfründen auszutheilen hat, und ihu jezt als ein ausgeworfenes Kind betrachtete. Um dieser Pfünden fähig zu werden, suchte er durch den Bischof zu Breslau die Aussöhnung mit derselben. Er gab nun zuerst seine Vertheidigungsschrift für sich heraus. Man wollte aber nicht glauben, daß er die Apologie selbst geschrieben habe. Man schrieb sie, so wie seine Disputation, auf die Rechnung eines gewissen Schriftstellers, dessen Art zu denken und sie auszudrücken man kannte. Man überlegte aber nicht, daß ein Mensch im Affect sich stets übertrifft und Einfälle hat, die ihm bey ruhigem Geblüte nicht in die Gedanken gekommen waren.

Diese Vertheidigungsschrift ist in drey Theilen verfaßt. Der erste enthält die Geschichte der Disputation und der Unruhe, die sie im Königreiche verursacht hatte. Der zweyte ist eine Vertheidigung dieser Disputation, welche der Apologet nicht als eine gottlose Schrift, sondern als ein System der Lehren der de Bethlehem, le Rouge, Melchior Canus, Bossuet und selbst der Sorbonne anges

*) Eiiciatur et tradatur mactandus gladio civili. **) Fidei Lodoix affertor et ultor,

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